Mächtig Mühe gegeben haben sich alle im Weimarer Team mit diesem "Macbeth" - schon die Übertragung, besser: Die Nachdichtung oder Überschreibung, die Heiner Müller schon 1972 gefertigt hat, ist ein wirklich starkes Signal. Denn wo schon Shakespeares letzte Tragödie sehr finster ist, wird sie von Müllers schmerzhafter Sprache mühelos überfinstert - die Sprache ist wie Haut und Knochen, Blut und Fleisch.
"Bis zum letzten Sprung / den Messertanz des Lebens schreitet aus / Macbeth, bedroht von keinem / als dem eingebor'nen Tod. / Ich bin Macbeth! König!"
Weimarer Wohnkultur als Kulisse
Schon das ist eine Herausforderung; aber damit nicht genug: Julia Oschatz hat Müllers Höllenritt spezielle Weimarer Bilder beigegeben auf der Bühne. Auf Kulissen gemalt in leicht expressionistischer Verzerrung zeigen diese Bilder lokale Zimmer-Ansichten, zum Beispiel aus Goethes Weimarer Haus, aus einer typischen Wohnküche, Marke DDR, und aus den Wohn-Entwürfen des Bauhauses. Das Bad (mit Waschbecken für immerzu blutige Hände) und ein fleißig benutztes Klo kommen hinzu, hier presst Macbeth rund um den Mord am noch herrschenden König Duncan die finstren Fantasien aus sich heraus, akustisch recht natürlich. Und im Untergeschoss dieses bühnenhohen Hauses lagern sogar Bilder von Öfen, wie sie die Erfurter Firma Topf für Vernichtungslager wie das in Buchenwald baute. Mörder-König Macbeth lässt später zudem auch Hitler sprechen – und einen virtuellen Weimaraner von heute, der in Buchenwald damals nur etwas "aus dem Ruder laufen" sah. Dieser Grusel-Macbeth soll ganz von hier und heute sein.
"Vergiss die Hand, und mag gescheh’n was wird / es tagt - das Aug' sich sperrt zu seh'n!"
König Ubu lässt grüßen
Jens Dohle hat sogar Musik für ein von Bläsern dominiertes kleines Ensemble geschrieben, in der Müllers ohnehin schon stark lyrischer Text fast zu Arie und Rezitativ veredelt wird - das ist noch eine der vielen Attraktionen dieses Abends. Aber alle historischen Verweise haben einen schweren Stand gegen die Kostüme - Lane Schäfer hat jeden und jede im Ensemble körperlich aufgeplustert mit Unmengen von Polstern und Kissen, auch mit allerlei äußeren Merkmalen beiderlei Geschlechts, die an den Monstren munter herum baumeln. Jeder kann hier alles sein, ob Mann oder Frau agiert, spielt keine Rolle mehr im Angesicht von Mord und Macht - so werden sie alle in Christian Weises Inszenierung zu Schreck-Gestalten wie aus Alfred Jarrys grober Farce um den wilden Wüstling "König Ubu". Und an und für sich ist ja auch das eine starke, aus Müllers Text-Version entwickelte Entscheidung - allerdings mit ungewollter Nebenwirkung
Ein starker Start zur Abschiedsrunde
Speziell im ersten Teil dominiert die "Ubu"-Farce extrem stark die historischen Verweise, deckt sie fast zu. Hier, zu Beginn, ist Susanne Wolff noch Macbeth und Corinna Harfouch die Lady, die den Gemahl quasi zum Jagen tragen muss; das heißt: zum Königsmord. Nachdem etwa zur Hälfte dann auch Banquo beseitigt ist, der zu Beginn ja noch an der Seite vom Feldherrn-Kollegen Macbeth stand im Angesicht der Weissagung der Hexen, da wechseln Wolff und Harfouch Rollen und Geschlecht - und für das kalte schauerliche Finale (mit Krieg und Tod über das Familien-Morden hinaus) bringt Harfouch die nötige Müller-Kälte mit; Wolff zu Beginn war eher (und sehr grandios!) Ubu und verschwindet (wie die originale Lady) verrückt und lebensmüde aus dem Stück.
Harfouch bleibt auch der erwähnte Exkurs hin zu Hitler und über ihn und Buchenwald hinaus zu AfD-artigen Verharmlosern von heute vorbehalten - und so sehr das zum Müller-Bild von der plan- und visionslosen Gier nach Macht passt, so spürbar angestrengt wird auch dieser Themen-Schwerpunkt noch ins Spiel gezwängt.
Den wirklich starken Gesamt-Eindruck von Weises Inszenierung beschädigt sie nur bedingt - die grobe Ubu-Schreckensfarce wird Müller wie Shakespeare zu gleichen Teilen sehr kraftvoll gerecht. Das war ein starker Start für Holtzhauers Abschiedsrunde.