Choanoflagellaten sind die wahrscheinlich ältesten heute noch lebenden Verwandten der mehrzelligen Tiere, und sie sind fast überall. Die winzigen Organismen schwimmen sowohl im Salzwasser der Meere als auch in Süßwasser. Sie können sogar Sporen bilden, die durch die Luft fliegen.
"Wenn man sich zum Beispiel eine Regenpfütze anschaut, oder ein Glas mit Wasser nach draußen stellt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Spore darin landet und später Choanoflagellaten darin herumschwimmen."
Nicole King ist Molekularbiologin an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Sie untersucht die kleinen Lebewesen schon seit vielen Jahren. Auf Deutsch werden sie auch "Kragengeißeltierchen" genannt - eine passende Bezeichnung.
"Sie ähneln Spermien. An dem runden Zellkörper befindet sich eine Flagelle oder Geißel, die aussieht wie ein Schwanz. Damit bewegen sie sich durch das Wasser. Darum herum befinden sich viele kleine Zellfortsätze, die in einem Kreis angeordnet sind. Das sieht aus wie ein Kragen oder wie ein Trichter. Damit fangen sie Bakterien ein, die sie dann fressen."
Besonders interessiert sich die Forscherin für die Fähigkeit der Choanoflagellaten, Kolonien zu bilden. Dabei entstehen kugelförmige Gebilde, die an einen Fußball erinnern und die aus bis zu 50 Zellen bestehen. Sie entwickeln sich, indem sich einzelne Zellen nur unvollständig teilen und dann aneinander kleben bleiben. Dabei entsteht sozusagen ein primitiver mehrzelliger Organismus. Das geschieht allerdings nur unter ganz bestimmten Umweltbedingungen - nämlich dann, wenn viel Nahrung in Form von Bakterien vorhanden ist.
"Wenn sie Mehrzeller sind, ist es für sie einfacher, Beute zu fangen. Für diese These spricht einiges."
Aber bis zum Nachweis, welche Bakterien den Choanoflagellaten das Signal zu Koloniebildung geben, war es ein langer Weg. Mehrere Jahre hat es gedauert, aus den Wasserproben die richtige Spezies zu isolieren. Und als die Forscher sie entdeckt hatten - Algoriphagus machipongonensis ist ihr Name - stellte sich die Frage, welches bakterielle Molekül letztlich verantwortlich ist. Hier kam der Chemiker Jon Clardy von der Harvard Medical School in Boston ins Spiel.
"Wir haben etwa 150 Liter an Bakterien wachsen lassen, und daraus schließlich ein halbes Milligramm Material isoliert."
Ein halbes Milligramm - also die Hälfte eines tausendstel Gramms - das klingt nicht gerade nach viel. Aber der Stoff hatte es in sich. Schon sehr wenig davon löste die Bildung von Kolonien aus.
"Er wirkt in schon fast homöopathischen Dosen. Wenn man sich einen Würfel mit Wasser darin vorstellt, der eine Kantenlänge von 100 Metern hat, und darin ein Milligramm des Stoffes löst, dann wirkt er immer noch."
Nach der Analyse zeigte sich, dass der Stoff ein spezielles Lipid ist, über das noch sehr wenig bekannt ist.
Die Forschungsergebnisse geben Anlass zu spannenden Vermutungen. Denn schließlich sind die Choanoflagellaten im Stammbaum des Lebens eine Schwestergruppe aller mehrzelligen Tiere, sie sitzen also auf einem benachbarten Ast. Es gab einen letzten gemeinsamen Vorfahren von Choanoflagellaten und mehrzelligen Tieren, zu denen auch der Mensch gehört. Sie sind damit in gewisser Weise die "Cousins" der heutigen Mehrzeller. Und ihre Zellen ähneln denen von frühen mehrzelligen Tieren wie den Schwämmen.
Sind die ersten tierischen Mehrzeller also möglicherweise ebenfalls als Reaktion auf bakterielle Signale entstanden?
"Das wäre gut möglich."
Dieser Meinung ist auch Molekularbiologin Nicole King.
"Man muss an die Umstände denken, unter denen sich mehrzellige Tiere entwickelt haben: Sie lebten im Wasser und waren von Bakterien umgeben. Von diesen Bakterien haben sie sich ernährt, und es gab sicher auch noch viele andere Arten der Interaktion. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass es bei den ersten mehrzelligen Tieren ebenfalls ein bakterielles Signal gab, auf das hin sich aus einzelnen Zellen Mehrzeller entwickelt haben."
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Das Paper im Vorabdruck (PDF)
Die Endfassung erscheint bald in der ersten Ausgabe der neuen Fachzeitschrift "eLife"):
Nicole King, Associate Professor of Genetics, Genomics and Development
Jon Clardy
"Wenn man sich zum Beispiel eine Regenpfütze anschaut, oder ein Glas mit Wasser nach draußen stellt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Spore darin landet und später Choanoflagellaten darin herumschwimmen."
Nicole King ist Molekularbiologin an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Sie untersucht die kleinen Lebewesen schon seit vielen Jahren. Auf Deutsch werden sie auch "Kragengeißeltierchen" genannt - eine passende Bezeichnung.
"Sie ähneln Spermien. An dem runden Zellkörper befindet sich eine Flagelle oder Geißel, die aussieht wie ein Schwanz. Damit bewegen sie sich durch das Wasser. Darum herum befinden sich viele kleine Zellfortsätze, die in einem Kreis angeordnet sind. Das sieht aus wie ein Kragen oder wie ein Trichter. Damit fangen sie Bakterien ein, die sie dann fressen."
Besonders interessiert sich die Forscherin für die Fähigkeit der Choanoflagellaten, Kolonien zu bilden. Dabei entstehen kugelförmige Gebilde, die an einen Fußball erinnern und die aus bis zu 50 Zellen bestehen. Sie entwickeln sich, indem sich einzelne Zellen nur unvollständig teilen und dann aneinander kleben bleiben. Dabei entsteht sozusagen ein primitiver mehrzelliger Organismus. Das geschieht allerdings nur unter ganz bestimmten Umweltbedingungen - nämlich dann, wenn viel Nahrung in Form von Bakterien vorhanden ist.
"Wenn sie Mehrzeller sind, ist es für sie einfacher, Beute zu fangen. Für diese These spricht einiges."
Aber bis zum Nachweis, welche Bakterien den Choanoflagellaten das Signal zu Koloniebildung geben, war es ein langer Weg. Mehrere Jahre hat es gedauert, aus den Wasserproben die richtige Spezies zu isolieren. Und als die Forscher sie entdeckt hatten - Algoriphagus machipongonensis ist ihr Name - stellte sich die Frage, welches bakterielle Molekül letztlich verantwortlich ist. Hier kam der Chemiker Jon Clardy von der Harvard Medical School in Boston ins Spiel.
"Wir haben etwa 150 Liter an Bakterien wachsen lassen, und daraus schließlich ein halbes Milligramm Material isoliert."
Ein halbes Milligramm - also die Hälfte eines tausendstel Gramms - das klingt nicht gerade nach viel. Aber der Stoff hatte es in sich. Schon sehr wenig davon löste die Bildung von Kolonien aus.
"Er wirkt in schon fast homöopathischen Dosen. Wenn man sich einen Würfel mit Wasser darin vorstellt, der eine Kantenlänge von 100 Metern hat, und darin ein Milligramm des Stoffes löst, dann wirkt er immer noch."
Nach der Analyse zeigte sich, dass der Stoff ein spezielles Lipid ist, über das noch sehr wenig bekannt ist.
Die Forschungsergebnisse geben Anlass zu spannenden Vermutungen. Denn schließlich sind die Choanoflagellaten im Stammbaum des Lebens eine Schwestergruppe aller mehrzelligen Tiere, sie sitzen also auf einem benachbarten Ast. Es gab einen letzten gemeinsamen Vorfahren von Choanoflagellaten und mehrzelligen Tieren, zu denen auch der Mensch gehört. Sie sind damit in gewisser Weise die "Cousins" der heutigen Mehrzeller. Und ihre Zellen ähneln denen von frühen mehrzelligen Tieren wie den Schwämmen.
Sind die ersten tierischen Mehrzeller also möglicherweise ebenfalls als Reaktion auf bakterielle Signale entstanden?
"Das wäre gut möglich."
Dieser Meinung ist auch Molekularbiologin Nicole King.
"Man muss an die Umstände denken, unter denen sich mehrzellige Tiere entwickelt haben: Sie lebten im Wasser und waren von Bakterien umgeben. Von diesen Bakterien haben sie sich ernährt, und es gab sicher auch noch viele andere Arten der Interaktion. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass es bei den ersten mehrzelligen Tieren ebenfalls ein bakterielles Signal gab, auf das hin sich aus einzelnen Zellen Mehrzeller entwickelt haben."
Das Paper im Vorabdruck (PDF)
Die Endfassung erscheint bald in der ersten Ausgabe der neuen Fachzeitschrift "eLife"):
Nicole King, Associate Professor of Genetics, Genomics and Development
Jon Clardy