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Macht und Magie der Worte

Wenn Barack Obama heute auf den Stufen des Capitols zur Nation spricht, wird er zuvor akribisch an jedem Wort seiner Antrittsrede gefeilt haben. Wie kaum ein anderer Politiker der letzten Jahre, hat Obama die Macht der Rede für sich genutzt. Rhetorik-Studierende in Tübingen über die Kunst des erfolgreichen Sprechens und das, was sie vom "Redner Obama" halten und lernen können.

Von Norman Laryea |
    Eine begeisterte Menschenmenge, frenetischer Jubel und unzählige Augenpaare, die gebannt in Richtung Podium blicken. Barack Obama, zu diesem Zeitpunkt noch Präsidentschaftskandidat, bedankt sich bei seinem Publikum. Er wirkt ruhig, besonnen und konzentriert. Es dauert einige Minuten, bis sich die Menge beruhigt hat und er die ersten Worte seiner Rede an die Zuhörer richten kann.

    Obamas Wahlkampfreden -für Fabian Erhardt sind sie ein interessantes Studienobjekt. Er lernt Rhetorik in Deutschlands einzigem Studiengang dieser Art in Tübingen. In Theorie und Praxis beschäftigt sich Fabian Erhardt vor allem mit einer Frage: Wie kann man Menschen mit einer gezielt eingesetzten Rede überzeugen? Für ihn war der Wahlkampf Obamas ein gutes Beispiel dafür, welche Macht von gezielt genutzter Rhetorik ausgehen kann.

    "Die Art und Weise wie Obama Ideen, Konzepte und Gedanken in seinen Reden kommunikativ aufbereitet und wie viel visionäres Potential er durch die Metaphern, die er auffindet entfaltet - das bewundert man vielleicht schon noch ein Stück weit mehr und verfolgt es mit mehr Interesse, weil man sich für solche rhetorischen Vorgänge interessiert."

    Wer Rhetorik in Tübingen studieren möchte, sollte ein gutes Abitur in der Tasche haben. In den letzten Jahren, lag der örtliche Numerus Clausus für den Bachelorstudiengang immer zwischen 1,3 und 2,3 . Selbstredend müssen die Bewerber außerdem in einem Motivationsschreiben überzeugend darlegen, warum sie sich für das Fach interessieren. Ein passender Vorgeschmack auf das Studium - auch hier spielt, laut Prof. Joachim Knape, die "angewandte Rhetorik" eine entscheidende Rolle.

    "Wir haben ungefähr ein Drittel unserer Lehrveranstaltungen im Bereich Praxis. Das geht vom Reden halten, oder auch lernen wie man Reden schreibt, bis hin zu, wie man für andere Leute Reden schreibt. Das geht aber auch in die Richtung: wie schreibe ich einen Essay? Wie kann ich eine Hörfunksendung gestalten ? Solche Lehrinhalte sind ganz stark bei uns verwurzelt im Studium."


    Die Berufsaussichten nach dem Studium sind gut. Nach dem Abschluss finden fast alle Studenten einen Job im Medienbereich. Das Fach kann auf eine lange Tradition verweisen.

    Bereits im 5. Jahrhundert vor Christus, wurde im antiken Griechenland die Wissenschaft der Rhetorik entwickelt. Gelehrte wie etwa Aristoteles haben Lehrbücher verfasst, in denen genau beschrieben wird, wie eine gelungene Rede aussehen muss. Können derart alte Theorien mit modernen, vergleichbaren Studiengängen wie Medien- oder Kommunikationswissenschaft mithalten? Studentin Nina Bardehle gibt eine eindeutige Antwort.

    "Definitiv! Also mit dem was ich theoretisch gelernt habe, also dass es unterschiedliche Redestilrichtungen gibt und das ich meinem Publikum diesen Redestil anpasse, das kann ich jetzt zum Beispiel sehen, wenn ich Angela Merkel im Bundestag sprechen sehe. Aber auch in der ganz alltäglichen Kommunikation stelle ich fest, dass man sich immer wieder auf Leute einstellt und dass diese antiken Konzepte auf jeden Fall wieder auftauchen."

    Ein ebenfalls antikes Konzept, das auch heute noch für Rhetorikstudenten Relevanz hat, ist der sogenannte Kairos. Es ist die Fähigkeit im optimalen Moment, mit dem passenden Tonfall, das inhaltlich Richtige zu sagen. Die hohe Kunst der Rhetorik besteht darin, auf dem Höhepunkt einer Rede diesen "Kairos" zu treffen. Ein modernes Beispiel liefert auch hier wieder Barack Obama:

    "Yes we can"- für Prof. Joachim Knape ein klassischer Kairos-Moment.

    "Ich geh davon aus, dass das Team von Barack Obama im Vorfeld sich genau überlegt hat: was erfordert dieser Moment? Was ist das für eine Situation? Nämlich die Initialzündung des Wahlkampfes und dass das Team sich sehr genau überlegt hat, was rhetorisch jetzt gefordert ist."

    Mit zum Teil weit über 1000 Jahre alten Techniken wie dem "kairos" auch heute noch ein Publikum für sich zu gewinnen - das macht für viele Rhetorikstudenten den besonderen Reiz aus. Und wenn Barack Obama heute um 18:00 seine Antrittsrede hält, sollte er diese Techniken besser gekonnt anwenden. Mit Rhetorikstudent Gerrit Knieps, hat er nämlich mindestens einen äußerst fachkundigen Zuhörer!

    "Da Obama unglaublich gut bewiesen hat, dass man viel erwarten kann von ihm, werde ich auf jeden Fall versuchen, das ich eine Kopie der Rede irgendwo zu Gesicht bekomme, um mir nämlich noch mal anzuschauen, ob er all das was er vorher angekündigt hat jetzt auch in dieser einen, für ihn wichtigen, Rede zusammenführen kann."