Im Parlament stehen die Abgeordneten auf, ein Sänger stimmt Koranverse an. Denn der König ist nicht nur Staatsoberhaupt, sondern auch religiöser Führer Marokkos. Einer, der aber nicht nur oberster Hüter des Landes sein will, sondern auch oberster Reformer.
Rückblick: Im Frühjahr 2011 schwappt der Arabische Frühling auch nach Marokko. Menschen demonstrieren zu Tausenden, darunter gerade junge Menschen. Die "Bewegung des 20. Februar" fordert mehr Würde, mehr Gerechtigkeit, mehr Demokratie. Der König reagiert schnell mit einer Fernsehansprache:
"Die Verfassungsreform, die wir heute ankündigen, ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg der Demokratie. Diesen Weg verfolgen wir konsequent mit umfassenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen. Die Institutionen, der Rechtsstaat, die gute Regierungsführung sollen dabei besonders berücksichtigt werden. Ich will diese Reform – und Gott möge mir dabei helfen."
Innerhalb von drei Monaten brüten Juristen eine neue Verfassung aus – und legen sie im Juli 2011 dem Volk zu Abstimmung vor. Sie stärkt die Rolle des bisher machtlosen Parlaments und des Regierungschefs, der bisher quasi allmächtige König wird in seinen Rechten etwas beschnitten. Der König unterstützt den Entwurf– und so tun es seine Untertanen. Die Marokkaner stimmen mit großer Mehrheit für die Verfassung.
Im November 2011 kommt es zu Neuwahlen. Und es siegen erstmals in der Geschichte Marokkos die gemäßigten Islamisten. Die Proteste auf den Straßen sind da längst abgeflaut, der König wird gefeiert, im In- wie im Ausland. Ein politisches Meisterstück. Auch wenn schon damals manche ihre Zweifel haben, dass in Marokko die Gewaltenteilung wirklich gestärkt wurde. Der Anwalt Fouad Abdelmoumni zum Beispiel:
"Wir haben weiterhin eine Exekutive, die komplett vom König abhängig ist. Eine Legislative, die der König in den Händen hat. Und eine Justiz, in der der König die entscheidenden Führungsposten besetzen kann."
Ein Jahr später ist klar: König Mohammed VI. hat sich nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen. In seinen Beraterstab hat er einflussreiche ehemalige Politiker geholt. Die marokkanische Presse berichtet, wie sie in Marokko noch immer die Strippen ziehen, spricht sogar von einem "Schattenkabinett". Der islamistische Regierungschef Benkirane würde so oft vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Politikwissenschaftler Mohammed Darif sagt, mit der neuen Verfassung habe der Regierungschef deutlich mehr Bewegungsspielraum als sein Vorgänger. Doch er nutze ihn einfach nicht.
"Er ist gescheitert, er hat es nicht geschafft, die Erwartungen zu erfüllen, die das Volk an ihn gerichtet hat. Von seinen Wahlversprechen hat er kein einziges eingelöst. Er spricht nicht über die wirklichen Probleme der Bevölkerung."
Die da heißen: Jobs zu schaffen, Korruption zu bekämpfen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Die Islamisten reiben sich an der Macht auf. Der Volkszorn entlädt sich an ihnen, an den Politikern, die in Marokko traditionell besonders unbeliebt sind. Und nicht am Palast. Das mag manchem dort sehr gelegen kommen. Die Proteste sind zwar weniger geworden, aber sie gehen weiter, sagt Khadija Riyadi, Präsidentin der Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung AMDH. 80 jugendliche Demonstranten seien derzeit in Haft. Und doch: Der Arabische Frühling habe auch in Marokko viel bewegt:
"Die Menschen wollen heute über ihre Rechte Bescheid wissen, sie sind bereit, sie einzufordern. Sie organisieren sich besser – auch wenn die Repression zunimmt, sind sie auf der Straße. Die politische Kultur verändert sich. Aber natürlich ist das noch ein Schlachtfeld, denn es gibt Kräfte, die gegen mehr individuelle Freiheiten sind, gerade auch unter den Islamisten. Uns steht noch eine lange, mühsame Arbeit bevor."
Rückblick: Im Frühjahr 2011 schwappt der Arabische Frühling auch nach Marokko. Menschen demonstrieren zu Tausenden, darunter gerade junge Menschen. Die "Bewegung des 20. Februar" fordert mehr Würde, mehr Gerechtigkeit, mehr Demokratie. Der König reagiert schnell mit einer Fernsehansprache:
"Die Verfassungsreform, die wir heute ankündigen, ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg der Demokratie. Diesen Weg verfolgen wir konsequent mit umfassenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen. Die Institutionen, der Rechtsstaat, die gute Regierungsführung sollen dabei besonders berücksichtigt werden. Ich will diese Reform – und Gott möge mir dabei helfen."
Innerhalb von drei Monaten brüten Juristen eine neue Verfassung aus – und legen sie im Juli 2011 dem Volk zu Abstimmung vor. Sie stärkt die Rolle des bisher machtlosen Parlaments und des Regierungschefs, der bisher quasi allmächtige König wird in seinen Rechten etwas beschnitten. Der König unterstützt den Entwurf– und so tun es seine Untertanen. Die Marokkaner stimmen mit großer Mehrheit für die Verfassung.
Im November 2011 kommt es zu Neuwahlen. Und es siegen erstmals in der Geschichte Marokkos die gemäßigten Islamisten. Die Proteste auf den Straßen sind da längst abgeflaut, der König wird gefeiert, im In- wie im Ausland. Ein politisches Meisterstück. Auch wenn schon damals manche ihre Zweifel haben, dass in Marokko die Gewaltenteilung wirklich gestärkt wurde. Der Anwalt Fouad Abdelmoumni zum Beispiel:
"Wir haben weiterhin eine Exekutive, die komplett vom König abhängig ist. Eine Legislative, die der König in den Händen hat. Und eine Justiz, in der der König die entscheidenden Führungsposten besetzen kann."
Ein Jahr später ist klar: König Mohammed VI. hat sich nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen. In seinen Beraterstab hat er einflussreiche ehemalige Politiker geholt. Die marokkanische Presse berichtet, wie sie in Marokko noch immer die Strippen ziehen, spricht sogar von einem "Schattenkabinett". Der islamistische Regierungschef Benkirane würde so oft vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Politikwissenschaftler Mohammed Darif sagt, mit der neuen Verfassung habe der Regierungschef deutlich mehr Bewegungsspielraum als sein Vorgänger. Doch er nutze ihn einfach nicht.
"Er ist gescheitert, er hat es nicht geschafft, die Erwartungen zu erfüllen, die das Volk an ihn gerichtet hat. Von seinen Wahlversprechen hat er kein einziges eingelöst. Er spricht nicht über die wirklichen Probleme der Bevölkerung."
Die da heißen: Jobs zu schaffen, Korruption zu bekämpfen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Die Islamisten reiben sich an der Macht auf. Der Volkszorn entlädt sich an ihnen, an den Politikern, die in Marokko traditionell besonders unbeliebt sind. Und nicht am Palast. Das mag manchem dort sehr gelegen kommen. Die Proteste sind zwar weniger geworden, aber sie gehen weiter, sagt Khadija Riyadi, Präsidentin der Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung AMDH. 80 jugendliche Demonstranten seien derzeit in Haft. Und doch: Der Arabische Frühling habe auch in Marokko viel bewegt:
"Die Menschen wollen heute über ihre Rechte Bescheid wissen, sie sind bereit, sie einzufordern. Sie organisieren sich besser – auch wenn die Repression zunimmt, sind sie auf der Straße. Die politische Kultur verändert sich. Aber natürlich ist das noch ein Schlachtfeld, denn es gibt Kräfte, die gegen mehr individuelle Freiheiten sind, gerade auch unter den Islamisten. Uns steht noch eine lange, mühsame Arbeit bevor."