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Machtkampf
Venezuelas Präsident Maduro in Bedrängnis

In Venezuela schlägt die Stunde radikaler Oppositionspolitiker. Ganz vorne Leopoldo Lopez. Der 42-jährige Harvard-Absolvent gilt Venezuelas Sozialisten inzwischen als Hauptfeind. Lopez wurde verhaftet, seine Unterstützer demonstrieren weiter. Präsident Maduro setzt auf Härte.

Von Martin Polansky, ARD-Studio Mexiko |
    Straßenschlacht in Caracas. Aufgeheizte Studenten, prügelnde Polizisten, Wasserwerfer. Und manchmal fallen sogar Schüsse. Mindestens acht Tote sind bisher zu beklagen.
    Die Lage in Venezuela ist zuletzt eskaliert. Doch der tiefe Graben zwischen Links und Recht besteht seit Langem. Spätestens, seit der inzwischen verstorbene sozialistische Volkstribun Hugo Chavez vor 15 Jahren an die Macht kam.
    Eskalierte Lage
    Esther ist 23 und Studentin. Nicht aus reichem Hause, das Viertel in Caracas, in dem sie wohnt, ist eher untere Mittelschicht. Aber Esther ist ganz klar gegen die Sozialisten. Sie sieht die Lage so: Die Linke habe sich das Land zu Eigen gemacht. Die immensen Einnahmen des staatlichen Ölkonzern PDVSA seien das Schmiermittel für die Chavisten. Sei verteilten Jobs und die Wohnungen. Eine Art Klientelsystem, das immer weniger Chancen biete, für Leute wie sie. Viele Bekannte hätten das Land inzwischen verlassen, sagt Esther. Nicht nur irgendwelche Superreichen mit ihren Millionen in Miami, sondern ganz normale junge Leute:
    "Ich habe eine Freundin, die wohnt jetzt in Israel, weil sie da Familienangehörige hat. Sie sagt, dass sie lieber dort ist, auch wenn sie wegen der Sprachprobleme kaum Arbeit findet. Aber hier wäre es auch nicht leichter. Es sei denn, man zieht sich ein rotes Hemd an und marschiert mit bei den Sozialisten."
    Man kann das aber auch ganz anders sehen. So wie Jesus Gamboa, 68. Er wohnt in einem der ärmlichen Viertel, wo die Sozialisten viele Anhänger haben. Früher hat er als Techniker gearbeitet, jetzt lebe er von einer ordentlichen Rente, sagt er - dank der Regierung. Zwei der drei Söhne würden die Hochschule besuchen. Gamboa ist Aktivist und er betont gerne, was unter Chavez alles erreicht wurde: Armut halbiert, die Ungleichheit sei deutlich geringer als anderswo in Lateinamerika. Deshalb hätten die Sozialisten beinah jeden Urnengang der letzten 15 Jahre gewonnen:
    "Bei uns im Land hat sich das Leben um 180 Grad gedreht. Früher musste man hart kämpfen und für arme Leute waren etwa Krankenhäuser nicht zu bezahlen. Das war nur etwas für die Mittel- oder Oberschicht. Aber all das ist jetzt viel besser."
    Nicolas Maduro kam kurz nach dem Tod von Hugo Chavez vor einem Jahr durch einen knappen Wahlsieg an die Macht. Maduro war Chavez Wunschnachfolger. Aber seitdem herrscht Krisenstimmung. Zum einen fehlt der verstorbene Comandante, der für manche schon zu Lebzeiten Heiligenstatus hatte. Mit seinem Charisma konnte Chavez viele Probleme kleinreden. Aber die sind nun größer denn je. Und Maduro, dem nicht mal seine Anhänger viel Charisma zuschreiben, muss sich den Problemen vollstellen.
    Caracas: Eine der gefährlichsten Städte der Welt
    Da ist die ausgeuferte Gewalt und Kriminalität, vor der gerade auch die Menschen in den Armenvierteln Angst haben. Caracas gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt.
    Und auch wirtschaftlich läuft es schlecht: Die Inflation ist mit mehr als 50 Prozent die höchste in Lateinamerika. Fluchtwährung ist da der US-Dollar, ausgerechnet das Geld der sogenannten Imperialisten. Da in Venezuela Devisenbeschränkungen gelten, blüht ein gigantischer Schwarzmarkt für den Dollar – nach dem Motto: Rette sich wer kann.
    Dazu kommt Warenmangel: Toilettenpapier oder Mehl etwa sind nur schwer zu bekommen. In Venezuela wird kaum etwas produziert.
    Das sozialistische Modell, die Regierung ist angeschlagen. Und die Opposition wittert ihre Chance. Am radikalsten sind die Studenten – meist aus der Mittelschicht. Vor allem sie sind auf die Straße. Eskalation einer schon lange vorhandenen Feindschaft. Nicolas Maduro spricht von faschistischen Banden:
    "Wir sind mit einem Staatsstreich konfrontiert. Aber die bolivarische Revolution wird siegen – die Verfassung, die Gesetze, der Frieden. Ich rufe der Welt zu: Mit einem Putsch soll die Demokratie und meine Regierung gestürzt werden."
    Die Sozialisten erinnern nun immer wieder an das Jahr 2002. Damals versuchte Venezuelas Rechte den noch relativ neuen Präsidenten Chavez wegzuputschen. Ein Volksaufstand brachte ihn wieder ins Amt.
    Venezuela werde inzwischen immer autoritärer regiert
    Aber 12 Jahre später ist vieles anders, sagen Oppositionelle. Venezuela werde inzwischen immer autoritärer regiert, die Sozialisten hätten praktisch alle Institutionen des Landes fest im Griff - einschließlich Justiz und Fernsehen. Jetzt brauche es Druck von der Straße.
    Es ist die Stunde der radikalen Oppositionspolitiker. Ganz vorne Leopoldo Lopez. Der 42-jährige Harvard-Absolvent aus einem Reichenviertel gilt den Sozialisten inzwischen als Hauptfeind, der große Aufwiegler. Ein Haftbefehl wurde gegen ihn erlassen, am Dienstag ließ sich Lopez vor Anhängern festnehmen - ganz demonstrativ:
    "Ich stelle mich heute einer ungerechten und korrupten Justiz. Ich stehe vor Euch mit der tiefen Überzeugung: Wenn mein Gang ins Gefängnis dazu dient, das Volk wachzurütteln, dann ist es das wert."
    Leopoldo Lopez wartet nun auf seinen Prozess, seine Unterstützer demonstrieren weiter- in vielen Städten Venezuelas. Auf der anderen Seite Polizei und Militär. Präsident Maduro setzt auf Härte. Die Kirche ruft zum Dialog auf. Aber die Aussichten dafür sind schlecht. Venezuela ist tief zerrissen.