Die Ausgangslage
Selten war das Verhältnis Iran – USA so angespannt. Im Persischen Golf könnte die Lage jederzeit eskalieren. Auch deshalb, weil der Iran dort Einfluss auf die Straße von Hormus hat, eine wichtige Seeverbindung für den Transport von Öl.
Vor allem die USA halten dem Iran vor, seinen Einflussbereich vergrößern zu wollen. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Name von Qassem Suleimani. Er ist Kommandeur der Al-Quds-Einheit, einer Spezialeinheit der iranischen Revolutionsgarde, zuständig für Einsätze außerhalb des Landes.
Suleimani hat jüngst laut der britischen Zeitung "Guardian" in Bagdad schiitische Milizen getroffen und sie angewiesen, sich auf einen Stellvertreterkrieg ("proxy war") vorzubereiten. Dahinter steckt die Überlegung, dass der Irak zum Schauplatz einer Konfrontation zwischen Iran und USA werden könnte.
Der "Guardian" schreibt über Suleimani: "In den vergangenen 15 Jahren war er Irans wichtigster Interessenmakler im Irak und in Syrien. Er trieb die Bemühungen voran, die Präsenz in beiden Ländern zu konsolidieren und zu versuchen, die Region im Interesse Teherans umzugestalten ("to reshape the region in its favour")."
Die iranische Bevölkerung sieht das Engagement Teherans zusehends kritischer: Die Wut vieler Menschen kristallisiert sich in einer Frage: Warum gebt ihr so viel Geld im Ausland aus, wenn wir es hier im Iran viel besser gebrauchen könnten?
Der geographische und religiöse Hintergrund
Das iranische Regime hat seinen Einfluss außerhalb der Islamischen Republik in den vergangenen Jahren Stück für Stück vergrößert.
Schon 2016 sagte der Politologe Hilal Khashan von der Amerikanischen Universität Beirut dem "Handelsblatt": "Es besteht kein Zweifel, dass ein schiitischer Bogen oder Halbmond entsteht." Ähnlich formulierte es ARD-Korrespondentin Natalie Amiri vor Kurzem: "Der Iran hat sich über die Jahre eine schiitische Verteidigungsachse quer durch die Region gebaut." Auch andere Beobachterinnen sehen das ähnlich:
Der Begriff des schiitischen "Halbmondes" ist kein wissenschaftlicher Terminus. Jordaniens König Abdullah II. hat ihn 2004 geprägt, damals mit Blick auf eine Einflussnahme des Iran auf Wahlen im Nachbarland Irak. Seither wird der Begriff gern vereinfachend verwendet.
Tatsächlich erinnern die Staaten, die verschieden stark vom schiitischen Islam geprägt sind, auf der Landkarte an einen Bogen. Er führt vom Persischen Golf bis fast ans Mittelmeer. Mit etwas Fantasie kann man darin auch eine Art Halbmond erkennen.
Den Anfang macht Bahrain: Dort ist das Königshaus sunnitisch, die Bevölkerungsmehrheit aber schiitisch. Es folgt der Iran. Dort ist der schiitische Islam Staatsreligion. Nach dem Iran kommt der Irak, auch hier sind die Schiiten in der Mehrheit. Mit einem Schlenker nach Norden könnte man auch Aserbaidschan hinzuzählen.
Weiter nach Westen folgen der Libanon und Syrien, auch wenn es dort keine schiitische Mehrheit gibt. Im Libanon machen Schiiten weniger als ein Drittel der Bevölkerung aus. In Syrien zählt das Herrscherhaus von Machthaber Assad zur Minderheit der Alawiten, die ihre Wurzeln im schiitischen Islam haben.
Außerdem gibt es in der Region noch weitere Länder mit schiitischen Minderheiten, so etwa im Jemen und in Saudi-Arabien.
Die konkrete Einflussnahme des Iran
Jemen
Beginnt man ganz im Süden, ist der Krieg im Jemen ein Beispiel. Im Jemen kämpfen die Huthi, eine schiitische Rebellengruppe. Sie sind von Nord nach Süd vorgerückt, haben 2014 die Hauptstadt Sanaa eingenommen. Ihr Hauptgegner: eine saudisch geführte Allianz, die den jemenitischen Präsidenten Hadi unterstützt.
Beginnt man ganz im Süden, ist der Krieg im Jemen ein Beispiel. Im Jemen kämpfen die Huthi, eine schiitische Rebellengruppe. Sie sind von Nord nach Süd vorgerückt, haben 2014 die Hauptstadt Sanaa eingenommen. Ihr Hauptgegner: eine saudisch geführte Allianz, die den jemenitischen Präsidenten Hadi unterstützt.
Der Krieg gilt vor allem in humanitärer Hinsicht als eine der größten Katastrophen der Gegenwart. Saudi-Arabien vertritt die Überzeugung, dass hinter den Huthi der Iran als Förderer und Schutzmacht steht. Und etwa Raketen liefert. Insofern wird der Krieg im Jemen gern als "Stellvertreterkrieg" der Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien eingestuft.
Irak
Das Land war wiederholt Schauplatz von Kriegen: der erste Golfkrieg gegen den Iran (1980 - 1988), der zweite Golfkrieg (1990/91) zwischen dem Irak und einer US-geführten Koalition. Und dann der Irakkrieg von 2003, der manchmal auch dritter Golfkrieg genannt wird und - erneut durch eine US-geführte Koalition - zum Sturz von Machthaber Saddam Hussein führte.
Das Land war wiederholt Schauplatz von Kriegen: der erste Golfkrieg gegen den Iran (1980 - 1988), der zweite Golfkrieg (1990/91) zwischen dem Irak und einer US-geführten Koalition. Und dann der Irakkrieg von 2003, der manchmal auch dritter Golfkrieg genannt wird und - erneut durch eine US-geführte Koalition - zum Sturz von Machthaber Saddam Hussein führte.
Im Irak mit seiner mehrheitlich schiitischen Bevölkerung (und einem schiitischen Regierungschef) sind auch seit vielen Jahren schiitische Milizen aktiv. Der Iran hat, so erläuterte jüngst die Nachrichtenagentur AP, eine Reihe von ihnen nach der US-Invasion 2003 ausgebildet und ausgerüstet. Später haben sich die Milizen auch der sunnitischen Terrormiliz IS entgegengestellt – als "Volksmobilisierungskräfte" (PMF) mit zehntausenden Kämpfern. Zwar unterstehen sie de facto dem irakischen Staat, viele Kommandeure sind aber dem Iran verbunden. Immer wieder gab es Vorwürfe, dass die Milizen auch Kriegsverbrechen begangen haben.
Eine Übersicht über die iranisch geprägten Milizen im Irak hat das Wilson Center zusammengestellt. Eine der einflussreichsten Milizen ist bis heute die Badr Organisation, die früher "Brigade" hieß.
Syrien und Libanon
In beiden Ländern hat der Einfluss des Iran viel mit der Hisbollah (arab. "Partei Gottes") zu tun – jener schiitischen Organisation, die sowohl Partei als auch Miliz ist. Im Libanon ist sie im Parlament vertreten und an der Regierung beteiligt. Sie entwickelte sich vor allem nach der Revolution im Iran und mit Unterstützung iranischer Revolutionsgarden.
In beiden Ländern hat der Einfluss des Iran viel mit der Hisbollah (arab. "Partei Gottes") zu tun – jener schiitischen Organisation, die sowohl Partei als auch Miliz ist. Im Libanon ist sie im Parlament vertreten und an der Regierung beteiligt. Sie entwickelte sich vor allem nach der Revolution im Iran und mit Unterstützung iranischer Revolutionsgarden.
Dazu schreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung: "Die Revolution in Iran hatte einen entlang islamistischer und anti-imperialistischer Politiken operierenden Staat geschaffen, der auf den »Export der Revolution« bedacht war und dessen schiitische Bevölkerung seit Jahrhunderten mit den Schiiten des Libanons verbunden war."
Die Hisbollah wurde von Anfang an auch für den Kampf gegen Israel ausgebildet. Die USA und Israel stufen sie als Terrororganisation ein. Die Hisbollah verfügt über ein Arsenal von Raketen und tausende Kämpfer. Sie wurden im Syrien-Krieg eingesetzt – um Machthaber Assad zu unterstützen. Denn: Neben Russland zählt der Iran als wichtigster und einer der letzten Verbündeten Assads.
Der Iran hat das syrische Regime aber auch über die Hisbollah hinaus gefördert und im Krieg unterstützt, sowohl finanziell als auch militärisch sowie geheimdienstlich.
Dass der Iran wiederum auf die Hisbollah zählen kann, zeigt ein Zitat von deren Anführer Hassan Nasrallah: Er sagte schon im Februar, Iran sei im Falle eines US-Angriffs nicht allein. Das Schicksal der Region sei mit dem der Islamischen Republik verknüpft.
Gazastreifen
Seit Jahren wird dem Iran auch vorgeworfen, Islamisten im Gazastreifen zu unterstützen und auszurüsten. Dazu zählt neben der radikal-islamischen Hamas vor allem der Islamische Dschihad. Das ist insofern bemerkenswert, als beide Gruppierungen sunnitisch sind – nicht schiitisch. Laut "Neuer Zürcher Zeitung" wird der Islamische Dschihad "hauptsächlich vom Iran finanziert" und unterhält enge Beziehungen zur Hisbollah.
Seit Jahren wird dem Iran auch vorgeworfen, Islamisten im Gazastreifen zu unterstützen und auszurüsten. Dazu zählt neben der radikal-islamischen Hamas vor allem der Islamische Dschihad. Das ist insofern bemerkenswert, als beide Gruppierungen sunnitisch sind – nicht schiitisch. Laut "Neuer Zürcher Zeitung" wird der Islamische Dschihad "hauptsächlich vom Iran finanziert" und unterhält enge Beziehungen zur Hisbollah.
Der Iran sehe, so die NZZ, "das Territorium mit seinen zwei Millionen hochgradig belasteten Einwohnern als eine weitere, geradezu ideale Basis zur Stärkung seines Einflusses in der Region." Und so gehe auch ein Großteil der Gelder, die der Iran in den Gazastreifen pumpe, an den Dschihad.
Interessant ist auch, dass die Hamas früher offenbar bessere Beziehungen zu Teheran unterhielt, zuletzt aber von Ägypten stark unter Druck gesetzt wurde, sich vom Iran abzukehren. Dazu muss man wissen: Nach Eskalationen im Gazastreifen entstehen Feuerpausen meist unter ägyptischer Vermittlung.
In der israelischen Regierung wird offen thematisiert, dass der Iran auch hinter dem Islamischen Dschihad stehe:
Die iran-kritische Haltung der USA speist sich aus all den genannten Faktoren einer iranischen Einflussnahme, die aus amerikanischer und saudischer Sicht eine "Destabilisierung" der Region bedeutet. Doch die USA sehen im Iran darüber hinaus ganz allgemein einen Förderer des internationalen Terrorismus. Darum haben sie auch die Revolutionsgarde jüngst als "Terrororganisation" eingestuft.
(jcs)