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Machtspiele
Was Brettspiele über Führungsqualitäten verraten

Bamberger Forscher wollten wissen, was einen Menschen zur Führungskraft macht und haben 200 Personen beim Brettspielen zugeguckt. Ein Ergebnis: Egoisten feiern kurzfristige Erfolge, langfristig komme es aber beim Machterhalt auf etwas ganz anderes an, sagte der Arbeitsspychologe Christian Wolff im Dlf.

Christian Wolff im Gespräch mit Ralf Krauter |
An einem Laternenpfahl klebt ein Aufkleber mit dem Wort "Ich".
Ein Aufkleber mit der Aufschrift "Ich" (picture alliance / Christian Ohde)
Ralf Krauter: Wenn Unternehmen Ausschau nach Führungskräften halten, tauchen in den Stellenausschreibungen oft Formulierungen wie 'durchsetzungsstark' auf. In den Personalabteilungen ging man nämlich lange davon aus, dass das Charaktereigenschaften sind, die Machtmenschen auszeichnen. Menschen also, die Spaß daran haben, anderen zu zeigen, wo es langgeht.
Nun gibt es im Berufsleben aber auch viele Fälle, wo statt autoritärer Vorgaben eher kooperatives Verhalten gefragt ist. Um rauszufinden, welche Typen dabei am ehesten punkten, hat Dr. Christian Wolff vom Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologe der Universität Bamberg 200 Studierende jeweils in Vierer-Gruppen dabei gefilmt, wie sie eine Variante des Gesellschaftsspiels "Die Siedler von Catan" spielen.
Ich habe ihn vorhin gefragt: Was verrät so ein Brettspiel über das reale Leben?
Christian Wolff: Also zuallererst haben wir uns für dieses Spiel entschieden, weil in dem Spiel ist es hilfreich, wenn die Spielenden miteinander kooperieren, also wenn sie sich gegenseitig unterstützen, in Form von Handel mit Rohstoffen zum Beispiel. Da dachten wir, das ist eine gute Gelegenheit, um Leute in eine Situation zu bringen, in der sie sich natürlich verhalten können. Und wir können gleichzeitig ihr Verhalten aufzeichnen und im Nachhinein dann analysieren und so herausfinden, wie sich Menschen auch unterscheiden in ihren Verhaltensmustern. In der Psychologie arbeitet man viel mit Fragebögen, das alleine ist aber manchmal ein bisschen einseitig. Deswegen ist es schön, wenn man zusätzlich auch noch solche Verhaltensbeobachtungen mit reinnimmt.
"In dieser Untersuchung haben wir uns vor allem auf Kooperation konzentriert"
Krauter: Sie haben also versucht, typische Verhaltensmuster zu kategorisieren, die da also bei bestimmten Spielerinnen und Spielern öfter auszumachen waren. Welche Klassen von Verhaltensmustern gibt es da?
Wolff: In dieser Untersuchung haben wir uns vor allem auf Kooperation konzentriert und auf Verhaltensmuster, die Kooperation gefördert oder verhindert haben. Konkret war da die aussagekräftigste Variable das Gesprächsverhalten, also inwieweit sich Leute - es waren ja vier Spielende - untereinander darüber abgestimmt haben, dass Kooperation stattfinden soll, um sozusagen die Leistung der Gruppe zu maximieren. Und, ja, manche haben das dann getan und andere haben sich dagegen ausgesprochen. Die haben dann zum Beispiel gesagt: Nein, ich möchte mein eigenes Ding machen und es ist mir auch egal, wenn ich anderen Leuten dadurch schade, dass ich zum Beispiel Öl benutze. Weil das Besondere bei dieser Ölerweiterung war, dass die Leute nicht nur ihre eigene Siedlung regulär vergrößern konnten durch das Tauschen von Rohstoffen, sondern zusätzlich konnten sie Öl benutzen - und dann haben sie ihr eigenes Wachstum noch beschleunigt.
Das hatte allerdings das Risiko mit sich gebracht, dass Ölkatastrophen auftreten, die auch in vielen Gruppen aufgetreten sind, die dann wiederum der ganzen Gruppe schaden, indem zum Beispiel die Küsten überflutet wurden oder einzelne Felder endgültig zerstört wurden und dann nicht mehr produktiv waren. Die typischen Verhaltensweisen waren dann eben dieses Gesprächsverhalten und ob die Leute sich dafür entschieden haben, so eine Ölkatastrophe auszulösen oder nicht. Das wussten sie im Vorfeld, ob das passiert und das haben sie dann willentlich in Kauf genommen oder eben auch gezielt darauf verzichtet.
Egoisten sind nicht immer erfolgreicher
Krauter: Nehmen wir mal diese egoistischen Spieler zum Beispiel, die quasi ohne Rücksicht auf Verluste ihren eigenen Profit maximieren und so eine Ölpest riskieren. Waren die denn am Ende erfolgreicher im Spiel?
Wolff: Normalerweise würde man erst mal denken, kurzfristig sind sie erfolgreicher, weil das auch so ein typisches Merkmal von sozialen Dilemmata ist: Der eigene Nutzen wird kurzfristig maximiert zulasten der Allgemeinheit. Das traf allerdings auch nur bedingt zu. Also in Bezug auf ihre finanzielle Auszahlung hatten sie am Ende im Schnitt tatsächlich 40 Cent mehr pro Ölkatastrophe, was bei einer Gesamtauszahlung von 27 Euro jetzt nicht so stark ins Gewicht fällt, aber immerhin. Und sie wurden sogar von den Gruppenmitgliedern so wahrgenommen, als ob sie eine Führungsrolle übernommen hätten, was ihnen dann indirekt auch ein kleines bisschen geholfen hat in den Führungsbewertungen von den anderen.
Als Gruppe waren sie aber überhaupt nicht erfolgreicher, im Gegenteil. Da waren solche Gruppen, die sich einig waren, dass man am liebsten kooperieren sollte und die das dann auch getan haben, mit Abstand am erfolgreichsten. Und die beiden Gruppen mit der höchsten Leistung haben zum Beispiel überhaupt keine Ölkatastrophen auslösen müssen, um ihre hohe Leistung zu erreichen.
Krauter: Was verraten Ihre Befunde darüber, welche Eigenschaften eine erfolgreiche Führungskraft mitbringen soll? Denn darum ging es Ihnen ja letztlich: Zu klassifizieren, nach welchen Kriterien man da künftig Ausschau halten sollte.
Wolff: Genau. Und das ist ja auch eine Frage, die ein Stück weit umstritten ist und die auch wichtig ist zum Beispiel bei der Auswahl von Führungskräften. Da muss man dann ein Stück weit differenzieren, was man erreichen möchte. Also wenn die persönlichen Aufstiegschancen hoch sein sollen, dann ist es zum Beispiel nach wie vor gut, wenn man nach Macht strebt. Aber wenn der Erfolg des Teams oder der gesamten Organisation des Unternehmens maximiert werden soll, dann kann Kooperation sehr hilfreich sein, weil viele Situationen erfordern Vertrauen und Zusammenarbeit . Und auch, dass man sich gegenseitig revanchiert für Dinge, für Gefallen, die man einander tut. So entstehen dann langfristige Beziehungen und so werden die auch aufrecht erhalten.
Da haben wir gefunden, dass zwei Motive wichtig sind: Eins ist positiv und das andere negativ. Das, was positiv ist, ist ein Beziehungsmotiv, wo es den Leuten wichtig ist, aufrichtige Interaktion mit anderen zu haben - also sich im sozialen Miteinander angemessen zu verhalten - wo es ihnen aber nicht wichtig ist, zu allen gute Beziehungen zu erreichen, weil das ist vielleicht gar nicht unbedingt immer möglich. Aber Hauptsache, das eigene Verhalten war angemessen. Und das Machtstreben sollte gering sein. Und auch da ist es wieder eine bestimmte Variante, nämlich die, wo das Machtstreben sozusagen zur persönlichen Bereicherung erfolgt.
Anforderungen an Führungskräfte sind unterschiedlich
Krauter: Heißt das ganz konkret, wenn große Unternehmen oder Behörden künftig Chefs suchen, müssen die vielleicht andere Adjektive in die Bewerbungsaufforderung reinschreiben als durchsetzungsstark und machtbewusst?
Wolff: Genau, ja. Also das wäre auf jeden Fall eine Empfehlung. Grundsätzlich würde ich nicht so stark verallgemeinern, dass es eine Anforderung gibt, die bei allen Führungskräften am Allerwichtigsten ist. Sondern die Anforderungen an Führungskräfte sind unterschiedlich und hängen auch von der jeweiligen Situation ab und auch vom Geschäftsmodell der Organisation und auch von ihren Zielen.
Aber es gibt eben Situationen, wo sich die Produktivität am besten dadurch steigern lässt, dass man zusammenarbeitet, dass man sich gegenseitig vertraut und unterstützt. Und wenn das auf die jeweilige Führungsposition zutrifft, dann sollte das auch in der Kommunikation nach außen deutlich gemacht werden. Weil dann die entsprechenden Leute angezogen werden, denen es auch wichtig ist,. Und die gelangen dann in die Führungsposition und verhalten sich dann auch eher im Interesse der Organisation.
Krauter: Wie sicher können Sie denn sein, dass das, was bei Ihrem Brettspiel jetzt stattgefunden hat, tatsächlich das wirkliche Leben beschreibt?
Wolff: Ja, also da kann man sich bei psychologischen Studien grundsätzlich nie wirklich sicher sein. Da gibt es auf jeden Fall häufig schon Abweichungen. Aber wenn man über viele verschiedene Situationen hinweg versucht zu verallgemeinern, kriegt man zumindest so eine Tendenz. Und wir haben ein paar Sachen unternommen, um das möglichst echt wirken zu lassen. Und zwar haben wir den Leuten dann Auszahlungen versprochen und auch gemacht - zum einen nach dem individuellen Erfolg, aber auch nach dem Teamerfolg.
Krauter: Das heißt, die hatten wirklich auch ein finanzielles Interesse daran, sich sinnvoll zu verhalten?
Wolff: Genau, also hauptsächlich ein finanzielles Interesse. Und zusätzlich kannten sich die Leute nicht. Das heißt, wenn man sozusagen einen schlechten Eindruck hinterlassen hat, dann hätte man keine Gelegenheit mehr gehabt, den zu korrigieren. Und die Stimmung konnte auch wirklich kippen, wenn solche Ölkatastrophen ausgelöst wurden - und das kann dann auch für die Leute unangenehm gewesen sein. Also da hat man sich dann in gewisser Weise selber geschadet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.