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Machtwechsel
Eine neue Koalition wird Italien regieren

In Italien haben sich Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten auf ein gemeinsames Regierungsbündnis geeinigt. Regierungschef Giuseppe Conte soll im Amt bleiben. Der rechte Lega-Chef Matteo Salvini landet in der Opposition.

Von Jörg Seisselberg |
PD-Chef Zingaretti, der zurückgetretene Ministerpräsident Conte und Fünf-Sterne-Chef Di Maio (v.l.)
PD-Chef Zingaretti, Regierungschef Conte und Fünf-Sterne-Chef Di Maio (v.l.) (AFP)
Die Tür für eine neue Regierung steht offen. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Demokratische Partei haben sich bei Staatspräsident Sergio Mattarella zu einer gemeinsamen Koalition bekannt – unter Führung von Giuseppe Conte. Für den Vormittag um 9:30 Uhr hat Mattarella Conte in den Quirinalspalast gebeten, dann dürfte der Staatspräsident ihm offiziell den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erteilen.
Die Personalie Conte war einer der größten Streitpunkte in den bisherigen Koalitionsverhandlungen. Die Demokraten haben Conte, wegen seiner Vergangenheit als Chef einer Regierung mit der Lega, erst nach langem Zögern akzeptiert. Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio zeigte sich nach seinem Gespräch bei Mattarella zufrieden, dass der 55 Jahre alte Rechtsanwalt auch in der neuen Koalition an der Spitze stehen wird.
"Er ist ein Mann großen Muts, der gezeigt hat, dass er bereit ist, dem Land uneigennützig und mit Hingabe zu dienen."
Keine Politik des Weiter-so
Nach dem offiziellen Auftrag durch Mattarella wird Conte einige Tage Zeit bekommen, um seine Regierungsmannschaft zusammenzustellen – und mit den beiden Koalitionspartnern ein Programm auszuhandeln. Möglicherweise wird dies bis Mitte nächster Woche dauern, anschließend muss sich die neue Regierung einem Vertrauensvotum in beiden Kammern des Parlaments stellen.
Di Maio ging in seinem Statement nach dem Treffen mit Mattarella indirekt auch auf die Kritik vieler Anhängern der Fünf-Sterne-Bewegung ein – die bemängeln, dass die Partei von einer Zusammenarbeit mit der rechten Lega direkt in eine Koalition mit der Schwesterpartei der deutsche SPD wechsele.
"Wir sind immer eine post-ideologische Bewegung gewesen. Wir sind überzeugt, dass es keine rechten oder linken Lösungen gibt – sondern schlicht Lösungen."
Die Demokraten machten nach ihrem Gespräch bei Mattarella deutlich, dass sie auf keinen Fall eine Politik des Weiter-so wollen. Die neue Regierung müsse unter anderem für eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik stehen, die Wachstum und Arbeitsplätze schaffe – durch Investitionen auf der Basis, so Demokraten-Chef Nicola Zingaretti, "eines neuen grünen Entwicklungsmodells". Zingaretti sprach von einer "Regierung der Wende".
"Wir beabsichtigen, der Ära des Hasses, des Grolls und der Angst ein Ende zu setzen. Es gibt ein Italien, das lernt, das arbeitet, das produziert. Das ist das schöne Italien, dem wir eine Stimme geben wollen."
Salvinis eigene Sicht auf die Lage
Lega-Chef Salvini kritisierte nach seinem Termin beim Staatspräsidenten, die sich abzeichnende neue Koalition sei eine Regierung der Verlierer. Der Fünf-Sterne-Bewegung und den Demokraten ginge es nur darum, sich Posten zu sichern. Gleichzeitig verbreitete Salvini die Theorie, die Bildung der neuen Regierung sei von Kräften außerhalb Italiens angestoßen worden.
"Den Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt haben sie wahrscheinlich in Biarritz gefunden, auf Fingerzeig von Paris, Berlin und Brüssel."
Salvini hatte mit einem Vertrauensentzug für Ministerpräsident Conte den Bruch der bisherigen Regierung verursacht – und danach immer wieder Neuwahlen gefordert. Durch die sich abzeichnete neue Koalition werden diese Neuwahlen hinfällig. JS Rom