Buenos Aires, im Juli dieses Jahres: Im kurz zuvor eingeweihten Centro Cultural Kirchner tritt die argentinische Pianistin Martha Argerich auf. Das imposante Kulturzentrum, in dem die kostenlosen Konzerte argentinischer und lateinamerikanischer Musiker stets ein großes Publikum anziehen, wird die zwölfjährige Ära Kirchner überdauern. Eine Ära, für die das Bestreben, Kultur allen sozialen Schichten zugänglich zu machen, durchaus kennzeichnend sei, meint die Literaturjournalistin Silvia Hopenhayn:
"In dieser Zeit kamen wirklich mehr Argentinier in den Genuss kultureller Angebote als zuvor. Es entstanden bedeutende neue Kultur-Räume. Ich hoffe, dass unter der neuen Regierung diese Räume nicht nur erhalten bleiben, sondern wachsen werden."
Wenn die Regierung des Liberalkonservativen Mauricio Macri am Donnerstag ihr Amt antritt, wird die bisherige Kulturministerin Teresa Parodi, eine bekannte Folklore-Sängerin, abgelöst von Pablo Avelluto. Dieser stammt aus der Verlagsbranche, arbeitete in Argentinien für die Gruppe Random House Mondadori. Den Interviews, die Avelluto bisher gab, ist zu entnehmen, dass er einiges ändern, aber nicht alles anders machen will.
Etat für Kultur kontinuierlich gestiegen
Abschafft werden soll das umstrittene Sekretariat für Nationales Gedankengut im Kulturministerium, dem Avelluto unterstellt, es habe allein das politische Denken des Kirchnerismus verbreiten wollen. Dagegen lobt der neue Minister die Buchkäufe für Tausende unabhängiger Bibliotheken in ganz Argentinien – der staatliche Etat dafür war unter den Kirchners kontinuierlich gestiegen. Eine Politik, die nach Ansicht des Schriftstellers Sergio Olguín unbedingt beibehalten werden sollte:
"Dadurch hat sich die Zahl der Leser erhöht, und zugleich haben die Verlage ihre Umsätze vergrößert. Dass der Staat in großen Mengen Bücher gekauft hat, hat den Markt für uns argentinische Schriftsteller interessanter gemacht."
Sergio Olguín, von dem auf Deutsch unter anderem der Roman Zurück nach Lanús vorliegt, betrachtet den Kirchnerismus mit Sympathie. Wie er konnten sich viele Kulturschaffende und Intellektuelle mit gewissen Errungenschaften der sogenannten Ära K identifizieren: der Aufarbeitung der Militärdiktatur oder mehr Rechten für Homosexuelle. Auch die Kulturpolitik der vergangenen Jahre sieht Olguín weitgehend positiv – nur bedauert er, dass in Argentinien die schönen Künste nach wie vor auf Buenos Aires konzentriert seien.
Eine stärkere Dezentralisierung der Kultur
Die Dichte an Museen, Theatern, Festivals und Konzerthäusern ist hoch in der Hauptstadt, während all dies im Landesinnern fehlt. Eine stärkere Dezentralisierung der Kultur hat der neue Minister Pablo Avelluto bereits zu einem seiner Ziele erklärt: Nicht nur mehr kulturelle Angebote, auch mehr künstlerische Ausbildungsmöglichkeiten soll es nach seinem Willen in den Provinzen geben. Schriftsteller Olguín wünscht sich auch einen stärkeren Kulturaustausch mit anderen Ländern Lateinamerikas:
"Es gibt keine Politik, die die Kultur Kolumbiens, Ecuadors oder Venezuelas nach Argentinien bringt. Der Kirchnerismus unterhielt zwar gute politische Beziehungen zu Lateinamerika, aber kulturell schaut unser Land immer noch vor allem nach Europa."
Im vergangenen Jahrzehnt präsentierte Argentinien sich mehrfach bei europäischen kulturellen Großereignissen – etwa bei der Biennale von Venedig oder 2010 als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Seit jenem Jahr existiert Programa Sur, ein Programm, mit dem das Außenministerium in Buenos Aires Übersetzungen argentinischer Literatur fördert – in bisher 49 Sprachen. Kulturjournalistin Silvia Hopenhayn ist Mitglied der Jury, sie hofft auf die Fortsetzung unter der neuen Regierung.
"In der Fiktion ruht doch unsere Wirklichkeit. Dass unsere Prosa in entfernten Ländern wie Marokko, Israel und in ganz Europa gelesen wird, bedeutet, dass Argentinien in der Welt bekannt und anerkannt wird."