Christiane Kaess: Proteste auf den Straßen vieler Städte in den USA in der vergangenen Nacht, vor allem junge Menschen machten mit ihrer Wut klar, dass Donald Trump nicht ihr Präsident ist. Währenddessen bereitet der seine Amtsübernahme von Barack Obama vor.
Der Politikwissenschaftler Josef Braml ist jetzt am Telefon von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, guten Tag, Herr Braml!
Josef Braml: Guten Tag, Frau Kaess!
Kaess: Versuchen wir uns mal diesem Mysterium Trump über seinen Stil zu nähern. Womit rechnen Sie denn, wird er sich stark beraten lassen oder eher die einsamen Entscheidungen fällen?
Braml: Sein wichtigster Satz in seiner außenpolitischen Grundsatzrede, die er zugegebenermaßen im Wahlkampf gehalten hat, war: Unberechenbarkeit ist eine Stärke. Das heißt, er will dann andere verunsichern. Das Ganze kann aber auch nach hinten losgehen, nehmen Sie nur seine Aussagen zur NATO: Wenn er eben hier die Beistandspflicht der Amerikaner an die Beitragspflicht der Alliierten knüpft, dann kündigt er de facto den Artikel fünf auf. Ob er damit jetzt uns nur wirklich deutlich machen wollte, dass wir mehr Lasten übernehmen sollen, also noch deutlicher, als Obama das gemacht hat, der uns als Trittbrettfahrer bezeichnet hat, das weiß ich nicht, vielleicht denkt er wirklich noch in radikaleren Kategorien.
Kaess: Vielleicht können wir uns dem Ganzen auch annähern, indem wir mal mutmaßen, welche Berater er sich nehmen wird, denn das könnte ja auch etwas über die Richtung aussagen. Was glauben Sie?
Braml: Wenn ich mir die Kategorien anschaue, die Begriffe, die er benutzt, dann kann man die schon verorten. Das ist nicht mehr der liberale Internationalismus, der noch Obama geleitet hat, sondern das ist deutlich Realismus, das heißt: Staaten haben Interessen, Staaten haben Einflusssphären, man greift nicht in diese Einflusssphären ein, man macht vielleicht mit Putin dann den Deal, er hat seinen Raum, wir haben unseren Raum. Das hat dann nichts mehr mit dem zu tun, mit dieser regelbasierten Ordnung, die wir so gerne noch in Europa sähen. Das heißt, ich bin mir nicht sicher, ob dann die Verständigung der USA mit Russland wirklich so im Interesse derer ist, die eben hier dann noch an dieser alten europäischen Ordnung interessiert sind. Schlimmer käme es noch, sollte Trump andere Töne weiter in die Tat umsetzen, die Richtung Isolationismus gehen.
Das heißt, ein Amerika, das sich dann stärker nach innen orientiert, das hat er mit dem Begriff "America first" deutlich gemacht. Das ist ein Begriff aus den 30er-Jahren, Lindbergh war ein Vertreter, dass man eben hier nicht eingreift in die Probleme oder dass man sich heraushält, dass man denen ihr eigenes Schlamassel überlässt und man sich selbst ins Schneckenhaus zurückzieht. Amerika sollte eigentlich die Lektionen dieser Zeit gelernt haben, was damals passiert ist. Ich hoffe, dass wir hier in Deutschland wie in Europa die Amerikaner wieder daran erinnern können, dass eigentlich ihr internationales Engagement nicht nur der Weltordnung gedient hat, sondern auch amerikanischen Interessen.
"Trump hat Bevölkerung radikalisiert"
Kaess: Herr Braml, schauen wir noch mal ins Land selber, wir sehen gerade, dass sich die Stimmung da verschärft, heute Nacht hat es Proteste gegeben. Ist das etwas, was eher schnell abebben wird oder was die Kluft zwischen den beiden Lagern einfach noch verschärfen wird?
Braml: Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht noch viel härtere Proteste gehabt hätten, wäre Trump unterlegen. Er hat ja seinerzeit seinen Anhängern schon angeraten, auf die Barrikaden zu gehen, sollte er nicht gewählt werden. Ich glaube, mit dem hat er auch das eine oder andere geschürt, dass jetzt die andere Seite auch erst mal Zeit braucht, um ihren Frust zu bewältigen. Vielleicht auch Zeit, um ihren Unmut darüber auszudrücken, wie undemokratisch auch diese Wahlen verlaufen sind dahingehend, dass ein Kandidat, ja, Prinzipien der Demokratie mit Füßen getreten hat. Er hat seiner Gegnerin angedroht, sie ins Gefängnis zu schmeißen, er hat angedroht, er würde die Wahl nicht anerkennen. Das hört man eigentlich sonst nur aus Autokratien. Das mit Amerika in Verbindung zu bringen, fällt mir immer noch sehr schwer. Und das radikalisiert die Bevölkerung. Wie sehr, das werden wir sehen.
Kaess: Herr Braml, wagen Sie zum Schluss eine kurze Prognose: Wird er sich eventuell auch im Amt entzaubern?
Braml: Er wird entzaubert werden. Viele meinen ja, er wird mäßiger werden, so weitermachen, wie er sich jetzt in der ersten Rede nach dem Wahlsieg gegeben hat, das glaube ich nicht. Aber ihm werden die Realitäten dann irgendwann im Weg stehen, er wird selbst mit seinen Parteifreunden im Kongress große Schwierigkeiten haben, sollte er diese grandiosen Wirtschaftsideen umzusetzen versuchen. Da wird er Geld in die Hand nehmen müssen und im Kongress sind ja sehr viele libertäre Republikaner, die nicht wollen, dass der Staat agiert, dass der Staat Geld ausgibt. Und spätestens im März bei der Anhebung der Schuldenobergrenze werden wir die Grenzen deutlich sehen und da werden die Märkte wieder sehr unruhig werden, weil dann das politische System dann doch nicht so funktioniert, wie jetzt viele Berichterstatter aus Washington auch, ja, glauben. Er wird nicht durchregieren können, nein. Ich denke, dieses politische System ist weiterhin dysfunktional, ist vielleicht auch ein Abbild der gesellschaftlichen Zerrissenheit und auch er wird diese Gräben nicht zuschütten können. Schon Friedensnobelpreisträger Barack Obama hat sich da vergeblich abgemüht.
Kaess: Sagt der Politikwissenschaftler Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Danke schön!
Braml: Herzlichen Dank Ihnen!
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