Tausende Syrerinnen und Syrer in Deutschland feiern seit dem Wochenende das Ende des 54 Jahre währenden Assad-Regimes in ihrer Heimat. Doch noch während sich etwa in Berlin Neukölln einander unbekannte Menschen lachend und weinend vor Freude in den Armen liegen, entbrennt um sie herum schon wieder eine Debatte, wie man sie nun am schnellsten loswerden kann.
Und das, obwohl nicht einmal sie selbst wissen, wie es konkret mit ihnen und ihrem Land weitergeht. Viele haben Syrien seit dem Beginn des Bürgerkriegs vor zwölf Jahren nicht mehr betreten, können die aktuelle Situation nur schwer einschätzen. Ist den Worten des sich friedlich gebenden Islamistenführers Abu Mohammad al-Dscholani zu trauen? Werden Russland und der Iran den Sturz des Assad-Clans und damit den Verlust ihres eigenen Einflusses kampflos hinnehmen? Welche Rolle spielt die Türkei, die schon jetzt mit der Vertreibung Tausender Kurden aus dem Norden des Landes begonnen hat?
Unverantwortliche Wahlkampftaktik der Union
Unzählige Fragen stehen im Raum. Nichts ist sicher. Wer in dieser Situation meint, Antworten zu haben, der überschätzt sich selbst, handelt verfrüht und vor allem unverantwortlich. Im Falle von Unionspolitikern, die bereits Stunden nach dem Assad-Ende Abschiebungen nach Syrien forderten, wohl aus wahlkampftaktischen Gründen.
Das lässt sich auch nicht durch scheinbar freundliche „Angebote“ kaschieren, wie sie Unionsfraktionsvize Jens Spahn machte. „Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1000 Euro“, schlug er vor. Sein Parteikollege Alexander Throm wurde gleich direkter. Die Lage in Syrien habe sich durch den Sturz Assads „grundlegend geändert“. Es gelte nun zu prüfen, ob der Schutzstatus syrischer Regimeflüchtlinge in Deutschland nicht entfällt.
Entscheidungsstopp für Asylanträge
Man könnte solche Forderungen als erwartbares Wahlkampfgetöse ignorieren. Die Debatte nicht zusätzlich befeuern, indem man auf sie reagiert. Doch schon an Tag eins nach Assads Ende ist es dafür zu spät. Wegen der Lage in Syrien hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen sofortigen Entscheidungsstopp für Asylanträge von Syrerinnen und Syrern erlassen. Die Lage vor Ort sei unvorhersehbar, so die Behörde. Knapp 50.000 Menschen, über deren Asylanträge noch nicht entschieden wurde, müssen nun zittern, während selbst gestandene Nahostexperten keine Ahnung haben, wie es mit deren Heimatland weitergeht.
Es sind genau solche politischen Forderungen und die schnellen, nein: vorschnellen!, Entscheidungen einer sonst als schwerfällig geltenden Behörde, die ausländischen Menschen in Deutschland immer wieder das Gefühl geben, nicht willkommen zu sein. Ganz unabhängig davon, wie sehr sie sich anstrengen, wie schnell sie Deutsch lernen oder Arbeit aufnehmen. Denn genau das haben knapp 70 Prozent der anerkannten Syrerinnen und Syrer in Deutschland bereits getan. Eine Quote, die etwa so hoch ist wie die der deutschen Beschäftigten. Allein 7000 von ihnen sind laut Schätzungen der Ärztekammer als Mediziner tätig. Deutschland sollte sich glücklich schätzen, sie zu haben, anstatt durch weitere Migrations- und Abschiebedebatten immer mehr Menschen zu vergraulen.