True Crime Podcast "Tatort Kunst"
Der doppelte Macke

Beim Auktionshaus Christie’s soll im Juni 2023 ein Bild des deutschen Malers August Macke versteigert werden. Doch von diesem Aquarell sind zwei Versionen auf dem Markt – und nur eines ist echt. Kann Kunstfälscher Beltracchi bei der Lösung helfen?

Von Sven Preger | 07.09.2023
    Das Aquarell "Nackte Mädchen in der Barke" von August Macke zeigt Frauengestalten, die in einem Boot liegen, während ein Mann mit Turban rudert. Das Gemälde ist in kräften Rot- und Blautönen gehalten.
    Das Aquarell "Nackte Mädchen in der Barke" von August Macke wurde im Juni 2023 bei Christie's angeboten. Doch es gibt noch ein weiteres, fast identisches Bild. (Christie's)
    Dirk Boll ist promovierter Jurist und kümmert sich beim Auktionshaus Christie’s um die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Dazu gehört auch das Bild, das sich im Frühjahr 2023 im Londoner Depot des Auktionshauses befindet und mit dem er sich seit Monaten intensiv auseinandersetzt: „Wie um alles in der Welt können wir herausfinden, was hier vor uns liegt?"
    Es ist ein Aquarell des Deutschen Malers August Macke, ein bisschen größer als ein DIN-A3-Blatt. Der Titel: "Nackte Mädchen in der Barke". Macke gehört zu den deutschen Expressionisten und hat vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemalt.
    Zwei Männer stehen vor einem Bild und betrachten es. Das Bild steht gegen eine blaue Wand gelehnt auf einem Tisch. Vor dem Bild auf dem Tisch liegt ein aufgeschlagener Katalog.
    Deutschlandfunk-Redakteur Stefan Koldehoff (links) und Christie‘s-Vorstand Dirk Boll (rechts) schauen sich zusammen im Depot von Christie‘s ein Aquarell von August Macke an. Von dem Bild "Nackte Mädchen in der Barke" existieren zwei Versionen auf dem Markt – doch nur eine kann wohl echt sein. (Deutschlandradio / Sven Preger)
    Dieses Bild wurde vor einigen Monaten von einer deutschen Unternehmer-Familie zu Christie’s gebracht, um es dort zu versteigern. Das Bild befindet sich nach Angaben der Familie seit den 1950er-Jahren in ihrem Besitz. Es sei eigentlich nie in der Öffentlichkeit gewesen.
    Solche Bilder können für den Handel sehr attraktiv sein, weil sie Jahrzehnte nicht gehandelt wurden und nun als frische Ware auf den hungrigen Kunstmarkt kommen, der ständig nach neuen Werken von berühmten Künstlern giert.

    Ein zweites Macke-Bild taucht auf

    Das Auktionshaus Christie’s hat kurz nach der Einlieferung die Geschichte des Bildes überprüft, also geschaut, wem das Aquarell seit seiner Entstehung gehört hat, wann genau es von der Unternehmer-Familie erworben wurde und ob es tatsächlich nie ausgestellt war.
    Diese Informationen zur Geschichte des Bildes nennen Kunst-Fachleute Provenienz. Bei diesen Recherchen kommen einige Informationen über das Bild zu Tage: August Macke hat es wohl 1911 gemalt, außerdem hat es danach erst der Galerie Vömel und schließlich der Unternehmer-Familie gehört.
    Zwei Versionen des Aquarells von August Macke: Nackte Mädchen in der Barke. Die beiden Bilder unterscheiden sich nur im Detail.
    Original und Fälschung?! Das sind die beiden Versionen des Aquarells von August Macke: Nackte Mädchen in der Barke. Links das Bild, das im Sotheby’s Katalog aus dem Jahr 1999 abgebildet ist, rechts das Bild, das bei Christie’s im Juni 2023 versteigert werden soll. (Tatort Kunst / Christie's)
    Doch bei den Recherchen fällt Dirk Boll und seinem Team noch etwas auf. Sie stoßen auf einen Auktionskatalog aus dem Jahr 1999. Diese Kataloge werden zu großen Auktionen angefertigt und zeigen, welche Bilder bei den Auktionen gehandelt werden sollten. In diesem Katalog aus dem Jahr 1999 findet sich auch das Macke-Aquarell.
    Das macht Dirk Boll stutzig, er sucht das Gespräch mit dem Besitzer: “Und ich habe gesagt: ‚Ich sehe, Sie haben schon mal versucht, es zu verkaufen. In einer Auktion im Jahr 1999, in der es unverkauft geblieben ist‘.“

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    Die beiden Bilder scheinen identisch zu sein, sie sehen gleich aus und tragen denselben Namen: "Nackte Mädchen in der Barke". “Worauf der Überbringer sagt: ‚Ich weiß nicht, was damals angeboten wurde, aber es ist sicher nicht unser Werk‘."
    Offenbar existieren also zwei Versionen ein und desselben Bildes – und nur eines kann wohl echt sein. Was das Ganze noch heikler macht: Die Auktion 1999 hat bei der Konkurrenz von Christie’s stattgefunden, beim Auktionshaus Sotheby’s, ebenfalls in London.

    Kann Kunstfälscher Beltracchi das Rätsel lösen?

    Wer den Sotheby’s-Katalog von 1999 und das Bild bei Christie’s nebeneinander legt, der sieht tatsächlich zwei sehr ähnliche Bilder. Doch je länger man draufschaut, desto offensichtlicher werden die vielen kleinen Unterschiede. Doch welches ist das echte Bild?
    Zwei Personen, eine Frau und ein Mann, sitzen an einem Tisch. Sie ist zurückgelehnt, er stützt sich auf dem Tisch ab und schaut direkt in die Kamera. Im Hintergrund erkennt man Foto-Collagen und Bilder an der Wand.
    Helene und Wolfgang Beltracchi in ihrem Atelier in der Nähe von Luzern. Die beiden sollen dabei helfen, das Rätsel um den doppelten Macke zu lösen. (Deutschlandradio / Sven Preger)
    Um diese Frage zu beantworten, geht das Team von Tatort Kunst etlichen Spuren nach, spricht mit der Polizei und trifft schließlich auch einen der berühmtesten Kunstfälscher der Geschichte: Wolfgang Beltracchi. Er soll dabei helfen, das Macke-Rätsel zu lösen.
    Das „Tatort Kunst“-Team bei diesem Fall
    Hosts: Stefan Koldehoff und Rahel Klein
    Recherchen, Skript & Regie: Sven Preger
    Headautor: Sven Preger
    Sounddesign: Timo Ackermann