Frankreich
"Macron hat sich verrechnet": Reaktionen im In- und Ausland nach der ersten Runde der Parlamentswahl

Rassemblement National stärkste Kraft, Macron-Bündnis abgeschlagen auf Platz drei: Politiker aus Frankreich, Deutschland und weiteren europäischen Ländern reagieren unterschiedlich auf den Ausgang der ersten Runde der französischen Parlamentswahl.

09.07.2024
    Es ist eine Wahlurne zu sehen sowie zwei Hände. Eine Hand öffnet die Wahlurne, die andere Hand wirft einen geschlossenen Stimmzettel ein.
    Die erste Runde der Parlamentswahlen in Frankreich haben unterschiedliche Reaktionen ausgelöst (Archivbild). (picture alliance / Hans Lucas / Matthieu Delaty)
    Präsident Macron rief angesichts des Wahlerfolgs der Rechtspopulisten zu einem "breiten, demokratischen und republikanischen Bündnis" auf. Premierminister Attal sagte, man müsse verhindern, dass der Rassemblement National im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit erlange, die Nationalversammlung dominiere und das Land "mit seinem verhängnisvollen Projekt" regiere. Zitat: "Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden." Attal kündigte den Rückzug von etwa 60 Kandidaten des Regierungslagers in der zweiten Runde an, um einen Sieg des Rassemblement National zu verhindern.
    Der Vorsitzende des Rassemblement National, Bardella, zeigte sich dagegen selbstbewusst. Er sagte, wenn die Wähler seiner Partei am kommenden Sonntag zu einer absoluten Mehrheit verhälfen, dann wolle er "der Premierminister aller Franzosen" sein. Wie realistisch eine rechtspopulistische Regierung in Frankreich wäre, haben wir hier erläutert.

    Chef der Republikaner spricht von "großem Erfolg"

    Der umstrittene Vorsitzende der Partei Les Républicains, Éric Ciotti, rief alle Konservativen auf, sich seinem viel kritisierten Schulterschluss mit dem Rassemblement National (RN) anzuschließen. "Dieses Ergebnis ist ein großer Erfolg. Die Franzosen haben mit ihren Stimmen ihren Wunsch nach Veränderung und Wechsel zum Ausdruck gebracht." Unabgestimmt mit seiner Partei hatte Ciotti eine Kooperation mit Bardella und dem RN vereinbart, woraufhin führende Kräfte der Partei mehrere Anläufe starteten, um ihn aus der Partei zu werfen. Ein Gericht stoppte diesen Vorstoß zunächst.

    "Sieben Tage Zeit, um Katastrophe abzuwenden"

    Auch das Linksbündnis macht sich noch Hoffnungen auf einen Erfolg in der zweiten Runde. Aus den Reihen der Sozialdemokraten rief deren prominenter Vertreter Raphaël Glucksmann ähnlich wie das Macron-Bündnis zu einem entschiedenen Kampf gegen die Rechtspopulisten auf. "Wir haben sieben Tage, um eine Katastrophe für Frankreich zu verhindern", sagte er. "Das ist keine Parlamentswahl mehr, das ist ein Referendum." Der 44-Jährige war Spitzenkandidat der französischen Sozialisten bei der Europawahl.
    Zum Linksbündnis gehört auch die Partei "La France Insoumise" (LFI) des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Er nannte das Ergebnis eine "schwere und indiskutable Niederlage für Macron". Mélenchon erklärte, dass auch seine Partei manche Kandidaten zurückziehen werde, um den Sieg von RN-Kandidaten zu verhindern. Finanzminister Le Maire von Macrons Renaissance Partei kündigte allerdings an, keinen Wahlaufruf für einen LFI-Kandidaten zu starten. Die LFI sei eine Gefahr für die Nation, sagte Le Maire dem Radiosender France Inter. Er warf der Partei Antisemitismus und Gewalt vor. Die Europaabgeordnete der Partei La France Insoumise (LFI), Aubry, gab sich indes kämpferisch: "Es ist noch möglich, am kommenden Sonntag zu gewinnen, wenn es eine massive Mobilisierung gibt", sagte die Co-Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament dem Sender franceinfo.

    Besorgte Reaktionen im Ausland

    Spaniens Ministerpräsident Sanchez erklärte, ein Sieg der extremen Rechten in Frankreich sei noch nicht sicher. Er habe die Hoffnung, dass die französischen Linke bei der Stichwahl noch aufholen könne.
    Jean Asselborn, Luxemburgers ehemaliger Außenminister, sieht die Europäische Union in Gefahr. Die anderen Parteien müssten zusammenarbeiten, um eine absolute Mehrheit für den Rassemblement National zu verhindern, sagte Asselborn im RBB-Inforadio. Dafür sei ein Linksbündnis nötig, denn Teile der klassischen Rechten in Frankreich liebäugelten mit der Partei von Marine Le Pen.

    "Macron hat sich verrechnet"

    Aus Sicht von Grünen-Chefin Lang ist die Strategie des französischen Präsidenten nicht aufgegangen. "Macron hat sich mit seinem Schritt, Neuwahlen anzusetzen, verrechnet und jetzt wahrscheinlich eher zu einer Stärkung der Rechtsextremen beigetragen", sagte Lang dem Nachrichtenmagazin Politico. "Ich glaube, dass kurzsichtige Entscheidungen nicht weit tragen können", fuhr Lang fort.
    Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth sieht eine Mitverantwortung der Bundesregierung für das starke Abschneiden des RN in Frankreich. "Wir haben uns zu wenig gefragt, wie wir den pro-europäischen, liberalen Präsidenten Macron besser unterstützen können", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses gegenüber "Politico". "Wir nehmen zu wenig Rücksicht auf politische Debatten und Probleme in anderen Ländern."

    Weiterführende Informationen

    Frankreich-Wahl - Brantner (Grüne): Sieg der Rechten wäre Harakiri-Fahrt für Europa
    Frankreich - Rechtspopulisten gewinnen erste Runde der Parlamentswahl – Proteste in mehreren Städten
    Diese Nachricht wurde am 01.07.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.