121 Frauen sind in Frankreich im vergangenen Jahr von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet worden. Obwohl die Regierungen vieles versucht haben, hat sich die Bilanz seit Jahren nicht verbessert. Doch das Thema spielt bei unseren Nachbarn aktuell eine riesige Rolle. Unter dem Motto #Noustoutes, #Wiralle, sind am Wochenende im ganzen Land Menschen gegen die Gewalt an Frauen auf die Straße gegangen. Und die Regierung will heute wieder einmal Nachbessern, was den Schutz von Frauen angeht.
"Mit Hammerschlägen und Messerstichen getötet"
Auf dem Foto, das Isabell zwischen den zehntausenden Demonstranten vor der Pariser Oper in die Höhe gereckt hielt, strahlt ihre Freundin in die Kamera. Eine lebenslustige Frau, brauner Kurzhaarschnitt, 48 Jahre alt, eingerahmt von ihren beiden Söhnen und ihren Eltern, die genau so strahlen wie sie selbst. Doch die Frau auf dem Foto lebt nicht mehr. Und Isabell muss sichtlich kämpfen um zu erzählen, was ihrer Freundin wiederfahren ist:
"Sie hatte sich zwei, drei Monate vorher scheiden lassen und ihr Mann wollte sich nicht damit abfinden. Er kam früh am Morgen, wartete bis die Kinder in der Schule waren, dann hat er sie mit Hammerschlägen und Messerstichen getötet."
137 Morde an Frauen
Das Datum der schrecklichen Tat hat Isabell unter das Foto geschrieben: Es war der 24. Januar 2019. Ihre Freundin starb vor nicht einmal einem Jahr. Bereits 137 solcher Morde von Partner, Ex-Partnern oder anderen gewalttätigen Männern an Frauen soll es laut Frauenrechtsorganisationen in diesem Jahr allein in Frankreich gegeben haben. Die Zahl wäre damit schon jetzt höher als im gesamten vergangenen Jahr. Der Ärger darüber saß bei den Demonstrantinnen und Demonstranten tief. So wie France, vierfache Mutter und seit August zum ersten Mal in ihrem Leben politisch engagiert:
"Wir kleben nachts in Paris Botschaften in großen Buchstaben auf DIN A4 Blättern an Wände. Gegen diese Frauenmorde. Namen von Getöteten, auch Slogans. Sogar an den Justizpalast."
Weiterhin häufig im Stich gelassen
Nicht zuletzt diese Aktionen haben dafür gesorgt, dass das Thema Gewalt an Frauen und Diskriminierung in Medien und Politik in Frankreich aktuell weit oben steht. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendeine Zeitung, ein Fernseh- oder Radiosender groß darüber berichten würde. Die Regierung ist schwer unter Druck. Schließlich hatte Präsident Emmanuel Macron schon nach seinem Amtsantritt 2017 einen großen Aktionsplan präsentiert. Mit härteren Gesetzen, mehr Geld für Projekte, dem Versprechen, das Thema schon im Schulunterricht besser zu verankern. Doch die Zahlen sind nicht nur bei den Morden ungebrochen hoch. Und Frauen, die Übergriffe erleiden, fühlen sich weiterhin häufig im Stich gelassen:
"Die ganze psychische Gewalt wird so gut wie gar nicht angezeigt. Und wenn Frauen in den Polizeistationen erscheinen, müssen sie oft 17nmal Anzeige erstatten und diese werden trotzdem nicht verfolgt. Und am Ende sterben sie", ist France frustriert.
Macron am Notruf-Telefon
Dass die Realität genau so aussieht, musste Präsident Emmanuel Macron Anfang September persönlich feststellen. Diskret und inkognito hatte er einige Stunden in der zentrale der nationalen Notrufnummer für bedrohte Frauen den Anruferinnen zugehört. Ohne zu wissen, dass der Präsident anwesend war, schilderten die, wie sie trotz massiver Gewalt, die sie erleiden, von der Polizei abgewiesen werden, keinerlei Hilfe erhalten. Macron war entsetzt. Die Demonstrationen vom Wochenende unterstützte der Präsident ausdrücklich.
"Zählen sie auf mich", teilte er via Twitter mit. Über zwei Monate nun haben verschiedene Ministerien mit Polizei, Opferverbänden und vielen anderen Gruppen zusammengearbeitet. Am heutigen internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen sollen weitere, umfassende Maßnahmen auf den Tisch gelegt werden. Auch Gesetze dürften geändert und verschärft werden. Ob das wirkt? France war da bei der Demo am Wochenende eher skeptisch:
"Natürlich erwarten wir das mit Ungeduld. Aber wir vermuten eher ein Aktionsplänchen. Das Problem geht ja viel tiefer. Es liegt gleichzeitig in den Familien, in der Gesellschaft. Das muss man also von grundauf angehen. Und die Ideen dafür sind schon da. Man muss nur zuhören. Und vor allem: Geld auf den Tisch legen."