Eine wuchtige, vermummte Gestalt, nur ihr Rücken, davor die weite Ödnis oder - wahlweise - die wunderschöne Wüste. Nun ja, Mad Max würde wohl Variante 1 wählen. Er ist wortkarg, traumatisiert, immer in Gefahr, in eine andere Mentalität hinein zu gleiten, und er spielt das gut, dieser Tom Hardy. Er füllt mit anderen Worten die Rolle des verrückten Ex-Polizisten in dieser postapokalyptischen Welt grandios aus. Er und Charlize Theron als melancholische Einarmige bilden ein perfektes Paar von Melancholikern mit Anteilen von Amokläufern in einer Welt des Amoks.
Grandios
"Es ist alles hier. 3000 Gallonen Benzin, so wie ihr es wolltet. Ich werde jetzt den Tank abkoppeln."
Und auch, wenn es nicht viel hilft bei diesem Film, so viel Handlung: Max ist nach den Ereignissen aus Teil III, als ihn noch Mel Gibson spielte, auf der Flucht in dieser Welt nach der Apokalypse, trifft auf Furiosa in ihrem gepanzerten Sattelschlepper, an Bord eine Gruppe von jungen Frauen, verfolgt von Gesetzlosen in ihren Wüsten-Autos. Und irgendwie ist das Ziel ein grünes Land. Hoffnung auf ein besseres Leben.
"Woher weißt du, dass dieser Ort existiert? Ich bin dort geboren. - Warum bist du da weg? - Bin ich nicht. Als Kind wurde ich entführt. - Und sie? - Sie suchen nach Hoffnung. - Und was suchst du? - Nach Erlösung."
Fulminant
Erlösung, ach ja. Lassen wir den Religionskitsch mal beiseite in dieser fulminanten Action-Platte, die übrigens neben Mad Max und dieser weiblichen Figur Furiosa einen dritten und einen vierten Hauptdarsteller hat. Nummer drei ist die Landschaft, besser die Wüste. Gedreht in Namibia, inszenieren George Miller und sein Kameramann John Seale das postapokalyptisch verlorene, wüste Land in einer Schönheit, die im rhythmischen Wechsel zwischen den ohrenbetäubenden Actionszenen und den dann umso ohrenbetäubender wirkenden Momenten der Stille schlicht überwältigen. Big Cinema. Nun: Und die vierte Hauptdarstellerin von "Mad Max: Fury Road" ist die Filmgeschichte.
"Mad Max" ist prallgefüllt mit Zitaten. Von den Wüstenbildern eines David Lean aus "Lawrence von Arabien" über die Monument-Valley-Ikonographien der Western von John Ford bis zur Einsamkeit des australischen Endzeitfilms "The Quiet Earth - Das letzte Experiment". "Mad Max" ist kein Film, in dem die Handlung oder die Psychologie der Figuren im Mittelpunkt steht, sondern einzig und allein die Inszenierung der filmischen Zeichen, ein Film, in dem wir uns wie in eine Oper geworfen wühlen. An diesem Film werden die Filmstudenten sich die Zähne ausbeißen können.
Wuchtig
"In die andere Richtung könnten wir zumindest so etwas wie eine Erlösung finden."
Ende der 1970er-Jahre boomten die Weltuntergangszenarien. Ölkrise. Friedensbewegung. Und in der Version des einsamen Helden auf den einsamen (!) australischen Highways bediente die Geschichte des traumatisierten Ex-Bullen Max dieses Lebensgefühl vorbildlich. Inzwischen war dem Endzeitthriller inhaltlich allerdings kaum noch etwas hinzuzufügen. Also, sagte sich offensichtlich George Miller, dann schauen wir doch mal, was all dem zugrunde liegt, wenn's um die Magie der bewegten Bilder geht.
Überwältigend
Und so geschah es, das er Tom Hardy in dieser Neuinszenierung des "Mad-Max"-Mythos in verrückte, aufgemotzte Fahrzeuge - meist Oldtimer - setzte und in die Wüste schickte. "Mad Max: Fury Road" beschwört mit anderen Worten die Urenergie des Kinos und leitet sie mit ungeheurer Wucht in seine Bilder. "Mad Max" ist Kinetik pur.
Verehrungswürdig
Wahrscheinlich wie nüchtern gesprochen ist es wohl unmöglich, den wunderbaren Ausdruck, den die US-Filmzeitschrift "Variety" für "Mad Max: Fury Road" findet, weder analytisch noch poetisch zu toppen. Deswegen sei er hier einfach zitiert: "Variety" sprich von "geistesgestörter Großartigkeit". Doch, Moment, vielleicht ist dieser "Variety"-Ausdruck ja doch zu toppen einer eigenen Bemerkung. Achtung: verehrungs-, ja anbetungswürdige Durchgeknalltheit.