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Madagaskar
Naturparadies in großer Armut

Madagaskar, das ist exotische Natur, an vielen Stellen unberührt, die Urlauber aus der ganzen Welt in ihren Bann zieht. Aber es ist auch eine der ärmsten und am wenigsten entwickelten Regionen der Welt. Streifzug durch ein Land krassester Gegensätze.

Von Jan-Philippe Schlüter |
    Police and the military patrol the streets during the presidential election in Antananarivo, Madagascar, 24 October 2013. Security forces have made extensive preparations to keep the peace ahead of the election, which is intended to draw a line under military rule and bring the Indian Ocean island state back into the international fold. Sources within the military forces say that they anticipate some violence when the results are announced.
    Ein Mutter sitzt mit ihren Kindern auf der Straße in Antananarivo (Madagaskar) während im Hintergrund Soldaten auf Patrouille gehen. (picture alliance / dpa / Kabir Dhanji)
    La Grande Île" – "die große Insel" nennen die Madagassen ihre Heimat. Ein bisschen Stolz schwingt da mit. Zu Recht, denn Madagaskar ist die viertgrößte Insel der Welt - so groß wie Deutschland und Großbritannien zusammen.
    Madagaskar ist voller Widersprüche: Da ist die unglaublich vielfältige und schöne Natur, häufig unberührt, die Besucher in ihren Bann zieht. Und da sind Armut und mangelnde Entwicklung, die den meisten Einwohnern das Leben sehr, sehr schwer machen.
    Besonders in den entlegenen Gebieten leben die Madagassen unter Bedingungen, die man bestenfalls im Mittelalter erwartet hätte – aber nicht im Jahr 2015. Und wenige hundert Meter entfernt liegen Touristen entspannt mit einem Drink am türkisblauen Meer.
    Madagaskar ist exotisches Naturparadies, das man nur ungern verlassen möchte. Und rückständiger Elendsplatz, an dem man nicht sein will. Es gibt hier alle Extreme – unberührt lässt einen keines davon.
    In Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars, die alle nur Tana nennen, leben knapp zwei Millionen Menschen. Die Stadt liegt im zentralen Bergland der Insel, hat sich über sieben Hügel ausgebreitet. Tana ist ein Schmelztiegel diverser Kulturen und Epochen. Fremde sind zunächst verwirrt, wissen nicht so recht, wo sie sich befinden. In Afrika? Asien? Oder doch in Frankreich der 70er Jahre? Für alles gibt es Anhaltspunkte:
    Die Gesichtszüge der meisten Menschen sind eindeutig asiatisch. Kein Wunder, stammten doch die ersten Siedler Madagaskars im achten Jahrhundert aus Südostasien, vor allem von der Insel Borneo. Das wuselig-chaotische Treiben auf den Straßen gleicht den Städten auf dem benachbarten afrikanischen Kontinent. Und wer die 20er-Jahre-Architektur und die über 30 Jahre alten beigefarbenen Taxis vom Typ Renault, Peugeot und Citroen sieht, der wähnt sich in einer französischen Stadt der 70er Jahre - Folgen der französischen Kolonialzeit. Dieses Gemisch macht Tana einmalig und für Besucher zu einer der attraktiveren Städte Afrikas. Für viele Bewohner allerdings ist der Alltag in der Hauptstadt extrem fordernd und kraftraubend.
    Noro steht in der Schlange vor einem kleinen, weiß-blau gestrichenen Kiosk aus Beton mitten in der Stadt. Zu Füßen der zierlichen Frau stehen mehrere gelbe Kanister.
    "Wir haben zu Hause kein fließendes Wasser. Deshalb komme ich hier her und kaufe Wasser für meine Familie. Jeden Tag acht Kanister voll, insgesamt 160 Liter. Meine Wohnung ist fünf Minuten von hier entfernt. Ich muss einen Behälter nach dem anderen nach Hause tragen. Meine Tochter passt dann hier auf die anderen Kanister auf. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und ist ziemlich nervig. Ich hätte wirklich gerne einen Wasseranschluss, das würde vieles einfacher machen.
    Schlechte Infrastruktur - Trinkwasser wird zum Luxusgut
    Im Kiosk steht Jean-Baptiste. Der Mann mit dem grauen Schlapphut ist der Herr über den Wasserhahn. Erst wenn der Kunde 50 Ariary, etwa drei Cent, bezahlt hat, fließt das Wasser in Plastikeimer und Kanister.
    "Ich arbeite für ein privates Unternehmen, das Wasser von der Stadt kauft und an öffentlichen Plätzen weiterverkauft. Wir haben jeden Tag von 5:30 Uhr morgens bis 5:30 Uhr abends geöffnet. Hier ist immer etwas los, wir haben bis zu 500 Kunden am Tag. Oft stehen sie in langen Schlangen vor dem Kiosk und müssen warten."
    Hunderttausende Bewohner sind in Tana auf die Wasserkioske angewiesen, so schlecht ist die Infrastruktur der öffentlichen Versorger. 50 Ariary, also drei Cent, klingt nicht nach viel. Aber wenn man wie Noro als Zimmermädchen gerade mal knapp 20 Euro im Monat verdient, wird das Wasser schnell zum kostbaren Luxusgut. Immerhin: Noro hat einen Job und wohnt in einer richtigen Wohnung. Ein paar Kilometer von hier entfernt wären die Menschen froh, wenn sie so leben könnten.
    Eingezwängt zwischen einer Betonmauer und einem träge dahinfließenden grauen Fluss breitet sich "La petite Réunion" aus. Was nach einem adretten Stadtviertel klingt, ist in Wahrheit ein Slum. Mitten in Tana. Mehr als 800 Menschen leben hier in erbärmlichen Verhältnissen. Ihre Behausungen sind simple Holzkonstruktionen, die sie mit alten Plastiktüten und Lumpen abdichten. Es ist dreckig, überall liegt Müll herum, es stinkt, Myriaden von Fliegen schwirren umher.
    Vor einer der Hütten steht Ademé in einer ausgebeulten, gelben Jogging-Hose und blauem T-Shirt. Der hagere 32-Jährige ist von den Bewohnern zu einer Art Slum-Bürgermeister gewählt worden.
    "Die Menschen hier leben im absoluten Elend. Eigentlich sind diese Hütten nicht bewohnbar. Wenn Regensaison ist, tritt der Fluss über die Ufer und setzt alles unter Wasser. Die Stadt hat uns mehrmals vertrieben, aber wir sind zurückgekommen, wir haben nichts anderes. Früher hatte ich noch Arbeit. Aber als ich die verloren habe, musste ich zusehen, wie ich meine Familie durchbringe. Wir haben uns im Elend eingerichtet. Dabei wünschen wir uns wirklich ein würdevolleres Leben. Vor allem für unsere Kinder."
    Ein Land, in dem Kinder kaum zu träumen wagen
    Ademé und seine Frau haben acht Kinder – zwischen zwei und 12 Jahren. Keines davon geht zur Schule. Die Eltern kochen in ihrer Hütte Reis, Blutwurst und Gemüse und bieten das Essen für ein paar Cent an. Einer der Söhne sitzt auf dem Boden vor der Hütte im Dreck und bastelt aus Holz, alten CDs, Glühbirnen und Stromkabeln kleine Lampen, die er für zehn Cent verkauft. Seine Schwester Hélene ist ein hübsches, aufgewecktes Mädchen, mit wachen, intelligenten Augen. Auch die 12-Jährige muss helfen, damit die Familie den Alltag überlebt.
    Sie erzählt, dass Sie gerne zur Schule gehen würde, aber dafür ist kein Geld da. Manchmal haben sie nicht einmal genug zu essen. Gerade habe Sie die Wäsche gemacht. Jetzt kümmere Sie sich um ihre kleinen Geschwister.
    Ein normales, würdevolles Leben ohne Elend scheint für Hélene kaum erreichbar. Und so druckst sie kichernd vor sich hin, als sie erzählt, was ihr Traum ist: Sie wäre gerne Nonne, um sich um Waisenkinder zu kümmern:
    Madagaskar ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt – und in Tana sieht man das an fast jeder Ecke. Überall Bettler und zerlumpte Straßenkinder, die mit verrotzten Nasen Mülleimer durchwühlen oder Passanten um ein paar Ariary anbetteln.
    Christine Weigand arbeitet in Madagaskar für das Kinderhilfswerk UNICEF. Ihre Erkenntnisse zur Lebensrealität von Kindern sind erschreckend:
    "Also, ich denke, es gibt in Bezug auf Ernährung wirklich zwei Phänomene. Das eine ist mit Armut verbunden, ein Problem von mangelnder Ernährung im Sinne von nicht genügend Ernährung. Es gibt auch regelmäßig Phänomene wie Hungersnöte. Es gibt aber auch ein oft unerkanntes Problem: Fast die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren ist chronisch mangelernährt. Sie essen zwar, aber sie bekommen nicht die richtige nahrhafte Ernährung, um sich richtig entwickeln zu können. Und das hat tatsächlich schwerwiegende Folgen für die Entwicklung, auch für die Lernfähigkeiten in der Schule und hat dementsprechend langfristig eine große Auswirkung."
    Nur zwei von drei Kindern gehen in die Grundschule. 1,5 Millionen Kinder haben keinen Zugang zur Bildung. In weiterführende Schulen schafft es nur ein Viertel aller Kinder. Auch die hygienischen Verhältnisse sind für viele der 23 Millionen Madagassen katastrophal.
    Hauptverantwortlich für die desolate Lage der "großen Insel" ist die illegitime Putschregierung, die 2009 die Macht an sich gerissen hat. Als Reaktion darauf haben die internationalen Geberländer ihre Entwicklungshilfe eingestellt. Prompt ist der Regierung fast die Hälfte ihres Etats weggebrochen. Die grassierende Korruption während dieser fünf Krisen-Jahre hat ihr Übriges getan. Die Folgen sieht man heute auf der ganzen Insel. Auch die Gesundheitsversorgung ist in Madagaskar schlecht. Die Müttersterblichkeit gehört zu den höchsten der Welt; gerade mal ein Drittel der Säuglinge ist geimpft. Viele Krankheiten wären relativ leicht zu vermeiden, wenn die medizinische Versorgung besser wäre. Besonders schlimm ist sie in den ländlichen Gebieten der riesigen Insel.
    Ärzte operieren unter katastrophalen hygienischen Bedingungen
    Ein Café in der Hafenstadt Tulear ganz im Südwesten der Insel. Die Gegend ist bei Touristen beliebt, weil es hier wunderschöne Sandstrände am türkisfarbenen Indischen Ozean gibt. Aber Dr. Regine Rossmann ist nicht zum Entspannen hier.
    "Ich habe hier Sachen gesehen, wo ich nicht wusste, dass der Mensch das aushält. Als Schlimmstes habe ich einen Mann gesehen, der infolge einer Zahninfektion gestorben ist. Vor meinen Augen."
    Regine Rossmann aus Berlin ist Ärztin und arbeitet seit mehreren Jahren für verschiedene Hilfsorganisationen in Entwicklungsländern. Mit Cap Anamur ist sie drei Autostunden südlich von hier im abgelegenen Bezaha stationiert. Mitten in der madagassischen Brousse – dem Busch.
    "Das ist ein Krankenhaus, was in der Region schon eine zentrale Funktion hat, also mit Operationsmöglichkeit. Das Krankenhaus kriegt Patienten zugewiesen, von den "CSB", das sind ganz kleine, ambulante Einheiten. Ziemlich weit in Orten drum herum. Der Haken ist meistens, dass die Wege und die mobilen Möglichkeiten viel zu schlecht sind, so dass die Leute viel zu spät kommen. Bei uns gibt es eigentlich einen Krankenwagen, der die Menschen abholen könnte. Der ist kaputt – seit vier Wochen. Darum kümmert sich niemand."
    Es fehlt an Infrastruktur, Material und ausgebildetem Personal. Regine Rossmann sieht in ihrem Arbeitsalltag Dinge, die sie nicht für möglich gehalten hätte.
    "Die schieben einen Blasenkatheter einfach rein – mit dreckigen Händen. Außerdem sind die Krankenhäuser hier so gebaut, dass man nicht davon ausgeht, dass hier ein Pfleger wie bei uns einen Patienten pflegt. Sondern ein Pfleger hier gibt nur die Medikamente, und alles andere macht die Familie. Die Familie kocht vor der Tür und muss sogar die ganze OP-Wäsche waschen. Und wenn eine Frau entbindet, die aus dem Busch kommt und nur dreckige Tücher trägt und ziemlich stark nachblutet – das ist halt hygienisch eine Katastrophe. Am Anfang dachte ich noch: Ja, hier kann man etwas machen, wenn man denen das beibringt und so."
    Aber mittlerweile ist sie vor allem frustriert. Obwohl die madagassische Regierung die Hilfe von Kap Anamur und anderen Hilfsorganisationen gern annimmt, hat Regine Rossmann das Gefühl, dass viele Entscheider in der Region nicht das Wohl der Patienten im Auge haben.
    "Ich glaube, dass der Staat so korrupt ist. Ein Korrupter ist hier einfach so einer: 'Hach, ich bin schlau, ich weiß wie es geht. Wie ich zu Geld komme, ohne dass ich arbeiten muss.' Und da die oben eben auch korrupt sind, ist es gar nicht schlimm, wenn man unten auch korrupt ist."
    Regenwälder in Gefahr - bereits 90 Prozent abgeholzt
    Weit verbreitete Armut, hoffnungslose Existenz von Millionen Menschen – das ist die eine Seite Madagaskars. Auf der anderen Seite hat die Insel auch viel Schönes zu bieten. Madagaskar ist ein Naturparadies! 80 Prozent der Pflanzen und 90 Prozent der Tierarten gibt es nur hier und nirgendwo sonst auf der Welt in freier Natur. Baobab-Bäume, Regenwälder, Orchideen, Reptilien - und natürlich die Lemuren, Vorläufer der Menschenaffen.
    "Wir haben momentan 105 Lemuren-Arten. Allerdings sind fast alle, nämlich 94 Prozent, vom Aussterben bedroht. Die Lemuren leben nur auf Bäumen. So wie die Fische das Wasser zum Leben brauchen, brauchen die Lemuren die Bäume."
    Das Problem ist: Inzwischen sind 90 Prozent der Wälder Madagaskars abgeholzt. Sei es, weil Edelholz illegal gefällt und trotz Verbots exportiert wird. Sei es, weil arme Madagassen durch Brandrodung Wälder zerstören, um dort Reis und Gemüse anzupflanzen. Wer heute über die Insel fliegt, sieht überall Rauch von brennenden Bäumen aufsteigen.
    Die Lemuren leben schon seit 50 Millionen Jahren hier. Unsere menschlichen Vorfahren sind vor gerade mal 2000 Jahren auf die Insel gekommen.
    Seitdem zerstört der Mensch Stück für Stück den Lebensraum der Lemuren. Dabei könnten die seltenen Tiere den Menschen sehr helfen: Mit der einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt, so der Professor, könnte man viele Touristen anziehen, die Geld ins Land bringen.
    "Die Lemuren sollten unser ganzer Stolz sein! Wir sind das einzige Land der Welt mit frei lebenden Lemuren. Wir haben hier keinen Eiffelturm, wir haben keine Freiheitsstatue. Die Lemuren, die Regenwälder mit ihren Edelhölzern, das sind unsere Sehenswürdigkeiten. Ihretwegen kommen die Touristen nach Madagaskar!"
    "Ein anderes Highlight für Besucher ist fast ebenso selten wie die Lemuren, weil es nur alle sieben Jahre stattfindet: das Initiationsritual Sambatra, eines der bekanntesten traditionellen Feste der Insel. Für das Volk der Antambahoaka ist es sehr bedeutend. Während der Sambatra werden die Jungen zu Männern, zu vollwertigen Mitgliedern der Antambahoaka.
    Morgengrauen in Mananjary, einem Küstenstädtchen im Südosten der Insel. Barfuß schwingen die in bunte Tücher gekleideten Frauen über den staubigen Gehweg. Rhythmisch, drei, vier Schritte nach vorne. Dann ein, zwei Schritte zurück. Immer im Kreis um das Tranobe herum, einer Holzhütte auf kurzen Stelzen, mit Strohdach, eingehüllt in eine weiß-rot-grüne madagassische Flagge – es ist das heilige Haus, Zentrum der traditionellen Riten der Antambahoaka. Jean Yves ist Chronist des Sambatra in Mananjary.
    "Die Frauen singen Litaneien. Sie beten unseren großen Gott an. Drei Wochen lang machen sie das, jeden Morgen und jeden Abend. Außer donnerstags, denn das ist der verfluchte Tag."
    Die Antambahoaka sind das zahlenmäßig kleinste Volk Madagaskars. Ihre arabischen Vorfahren sind zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert aus Mekka auf die Insel gekommen. In ihrer Tradition finden sich noch einige Überbleibsel aus dem Islam. So essen die Antambahoaka-Könige keine Schweine, das übrige Fleisch muss von geschächteten Tieren stammen. In Madagaskar haben sich aber auch neue Traditionen gebildet – unter anderem die Sambatra. Sambatra heißt: Freude und Glück. Armandine, die eben noch mitgesungen hat, strahlt genau das aus.
    Internationale Geberländer versprechen Geld
    "Die Freude bei uns ist wirklich riesig. Die Sambatra ist ein großes Wiedersehen. Aus allen Ecken Madagaskars, aus allen Winkeln der Welt, kommen unsere Leute wegen des Festes hier her nach Hause. Wir haben das nur alle sieben Jahre. Deswegen kommt unsere Freude wirklich von Herzen."
    Madagaskar ist landschaftlich reizvoll, reich an Kultur und Traditionen und vor allem riesig. Armselig ist dagegen die Infrastruktur. Wie zum Beispiel die Nationalstraße 7. Sie ist die wichtigste Nord-Süd-Trasse des Landes und verbindet die Hauptstadt Tana mit der Hafenstadt Tulear. Die N7 ist oft dermaßen mit tiefen Schlaglöchern übersät, dass man als Autofahrer im Schritttempo und im Slalom um sie herum fahren muss. Mehr als 50 Kilometer pro Stunde sind unmöglich. Und die einzige Fluggesellschaft Air Madagaskar gilt zwar als sicher, ist aber dermaßen unzuverlässig, dass die Menschen sie nur "Air Maybe" nennen, "Air Vielleicht".
    In seinem Büro richtet sich Herilanto Raveloharison in seinem braunen Ledersessel auf. Der mächtige Mann mit dem dichten, schwarzen Bart ist seit der demokratischen Wahl vor eineinhalb Jahren Madagaskars Wirtschaftsminister. Er weiß, dass die Menschen langsam ungeduldig werden mit der nicht mehr ganz so neuen Regierung.
    "Ich verstehe die Hoffnung, alles lasse sich mit einem Zauberstab lösen. Ich verstehe, dass wenn die Menschen heute Hunger haben, sie auch heute essen wollen. Aber wir müssen auch deutlich machen: Ein Land lässt sich nicht an einem Tag erbauen. Es ist nicht ganz richtig, dass sich seit dem Ende der großen Krise nichts getan hat."
    Nach den Wahlen haben die internationalen Geberländer versprochen, das bitterarme Madagaskar wieder mit Geld zu unterstützen. Allein die EU will in den nächsten fünf Jahren mehr als 500 Millionen Euro auf die Insel überweisen. Etwa 20 Prozent davon steuert Deutschland bei. Voraussetzung allerdings ist ein nachvollziehbarer nationaler Entwicklungsplan. Und wenn es um den geht, hört man aus Diplomatenkreisen immer wieder eine gewisse Ungeduld mit der madagassischen Regierung. Zwar habe man Verständnis für die riesigen Probleme, die gelöst werden müssen. Aber viele haben den Eindruck, dass die Regierung die wichtigen, grundlegenden Dinge nicht konsequent genug angeht.
    Keine sehr positiven Aussichten für die geschundene "große Insel", die doch schon genug unter Mittelmaß und schlecht umgesetzten Plänen zu leiden hat. Aber Sahondra Rabenarivo ist nicht hoffnungslos. Sie sieht durchaus bessere Zeiten auf Madagaskar zukommen. Aber bis es soweit ist, werden die Madagassen sich noch gedulden müssen. Und weiter warten.