Madame de Pompadour, intime Freundin und gebildete Ratgeberin des französischen Königs, war Mitte des 18. Jahrhunderts binnen kurzer Zeit zur glanzvollen und unumgänglichen Instanz bei Hof aufgestiegen. Ihre ruinösen Geldausgaben und umstrittenen politischen Interaktionen boten indes jede Menge Grund zur Kritik. Derbe, ja obszöne Angriffe ihrer Gegner in Wort und Bild fanden Nahrung, da ihre Stellung trotz ihres immensen Einflusses nicht die einer Ehefrau, sondern einer offiziellen Mätresse war. Wie die schöne, gebildete und künstlerisch talentierte Frau es erreichte, aus einem solch auf Befristung angelegten Verhältnis, das durchaus Züge eines Arbeitsverhältnisses aufwies, eine auf Dauer angelegte Stellung bei Hof zu schaffen, ist Gegenstand von Andrea Weisbrods Bildbetrachtungen.
Jedes Bildnis eine machtstrategische Aussage
Ausgehend von einer Auswahl von Porträts, die Madame de Pompadour selbst in Auftrag gab, zeichnet die Autorin die machtpolitischen Implikationen des Bildprogramms in der Chronologie der Entstehung nach. Egal, ob die stets elegante Erscheinung der Grande Dame sich in der Umgebung von Büchern, Kupferstichen und Globen präsentiert, am Ankleidetisch zu sehen ist oder in späteren Jahren am Gobelinstrickrahmen thront, stets ist damit eine Bildaussage verbunden, die weit über das unmittelbar Sichtbare hinausreicht. Etwa, wenn sie Perlenschnüre als Schmuck trägt:
"Perlen sind in der Bildsprache des 18. Jahrhunderts eines der Symbole für politische Macht, man findet sie dementsprechend häufig auch in Herrscherporträts."
Der gewichtige Rat der Mätresse bei Hof bedeutete eine letzte, wenn auch fragwürdige Einflussnahme privilegierter Frauen auf das öffentliche Geschehen: Mit Aufklärung und Französischer Revolution entfielen auch diese Spielräume, und die bürgerliche Frau wurde in die private Sphäre verbannt. Getreu dem Ansatz, dass jedes Bildnis eine machtstrategische Aussage enthält, sieht die Autorin auch in einem – auf den ersten Blick aus der Reihe fallenden Bildnis – des von Pompadour bevorzugten Malers François Boucher von 1758 "eine weitere machtstabilisierende Imagestratgegie der Mätresse". Madame de Pompadour präsentiert sich, eben gerade von der Lektüre aufblickend, wie in vorigen Gemälden dieses Mal statt elegant in ihren Gemächern in vergleichbar schlichtem Gewand und dezent gepudert in freier Natur. Für Weisbrod ist das trotz der scheinbaren Verneigung vor dem Postulat der Aufklärung, die in der Natur die "wahre Lehrmeisterin" zu erblicken vermeint, Camouflage und Komödie:
"Trotzdem bleibt, besonders wenn man berücksichtigt, dass Boucher die Porträtierte bei identischer Körperhaltung einfach in einen unberührt anmutenden Laubwald versetzt, der Eindruck, es handle sich bei "Madame de Pompadour im Freien sitzend" um eine simple Maskerade des eigentlichen Porträts von 1757."
Von der Liebschaft zur Freundschaft
Täuschung und Augenwischerei sieht sie auch im angeblichen Beilegen der Liebesbeziehung zum König, der als verheirateter Mann von der Kirche wegen seines Lebenswandels zeitweilig stark unter Druck gesetzt wurde. Wie weit dies zutrifft, dürfte Spekulation bleiben, interessanter ist, dass das Ende der Liebschaft und die Betonung der Freundschaft auch auf den Bildern allegorisch dargestellt wird. Hier indes kann eine ikonografisch arbeitende Deutung der Bilder leicht vom Hundertsten ins Tausendste geraten und das sehen, was sie beweisen will, was Vorteil aber auch Krux der Methode ist. Grundgedanken des Buches, Bildbeschreibungen und ausgewählte Zitate zeitgenössischer Kritiker orientieren sich an Weisbrods eigener Dissertation – sie wurde vor mehr als einem Jahrzehnt mit einer historischen Arbeit zu Pompadours Stellung bei Hof promoviert – und den konzisen und überzeugenden Beschreibungen aus dem Ausstellungskatalog "Madame de Pompadour und die Bilder" von 2002, der indes weit vorsichtiger mit weiterreichenden Schlussfolgerungen verfährt. Die bildchronologische Anlage der neuerlichen Studie Weisbrods bringt zwei Schwierigkeiten mit sich: Wer nicht mit den Einzelheiten aus Pompadours Leben bestens vertraut ist, erfährt manches, was zum Verständnis schon etwas früher hätte parat sein müssen, erst zig Seiten später.
Und andererseits stellen sich bei den kapitelweise abgehandelten Bildbeschreibungen auch Ermüdungserscheinungen ein, zumal da man manches erwähnte Detail auf den abgedruckten Bildern im Buch nicht findet, da der Rand just an dieser Stelle im Druck beschnitten wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass die Farbqualität zu dunkel ist, um Einzelheiten genauer zu erkennen. Ermüdend ist indes auch der allzu muntere Ton, den Weisbrod mitunter anschlägt: Das klingt ein wenig nach Kolportage und Klatschspalte, vielleicht ist es aber auch eine nicht ganz geglückte Anlehnung an die Süffisanz feministischer Beweisführung der 80er-Jahre. Der Preis für Machtausübung im pompadourschen Stil, so das Resümee des Buches, war jedenfalls hoch: Die umfangreiche Korrespondenz und die Organisation nicht enden wollender Lustbarkeiten für den unberechenbaren Schürzenjäger von einem König führte neben der Instabilität und Exponiertheit ihrer Lage zu Erschöpfungszuständen und schließlich nach knapp 20 Jahren bei Hof zum frühen Tod der ebenso mächtigen wie stilsicheren Frau.
Andrea Weisbrod: Madame de Pompadour und die Macht der Inszenierung
Aviva Verlag, Berlin, 205 S., 19.90 Euro
Aviva Verlag, Berlin, 205 S., 19.90 Euro