Über die Schwulen würde Concha nie ein schlechtes Wort verlieren. Ganz im Gegenteil: Sie habe ihnen viel zu verdanken, sagt sie. Concha Ortega ist Besitzerin der Tapas-Bar "Bocaito" in Chueca. Den Schwulen hat sie eine eigene Tapa gewidmet: eine Mischung aus Ziegenmilchkäse, iberischem Schinken, Brot und: Kiwi. Der Name: Libertad. Freiheit.
"Mit den Schwulen kam die Sicherheit. Sie haben die Drogenszene vertrieben. Ich weiß nicht genau, wie das vonstattengegangen ist. Ich weiß nur, dass all diese böse Welt der Drogen verschwand, als sie kamen. Daher kann ich nur Gutes über sie sagen."
Regisseur Pedro Almodóvar ist Stammgast im "Bocaito"
Concha ist 65 Jahre alt. In ihrem Familienbetrieb steht sie seit Jahrzehnten hinter der Bar. Einer ihrer Stammgäste ist Regisseur Pedro Almodóvar. Er hat das "Bocaíto" sein "bestes Antidepressivum" genannt. Dabei sah es hier in Chueca vor 20 Jahren ziemlich deprimierend aus.
"Es gab hier viele Drogen, vor allem Haschisch. Aber auch Heroin. Nachts mussten wir zu dritt oder viert das Lokal verlassen, um zu verhindern, dass wir angegriffen werden. Heute gibt es kein Problem mehr".
Spezielle Angebote für Schwule und Lesben
Concha ist bester Laune, denn die Geschäfte laufen gut – anders als damals. Auch Mili Hernandez kann sich noch gut daran erinnern, wie es hier mal aussah. 1993 öffnete sie den Buchladen Berkana, der sich speziell an Schwule und Lesben richtete.
"Als wir hier ankamen, waren hier viele Wohnungen und Geschäfte verwaist. Drogen, Raubdiebstähle…niemand wollte hier ein Geschäft aufmachen. So konnte das schwul-lesbische Viertel Chueca entstehen, rund um unsere Buchhandlung an der Plaza de Chueca. Denn es war sehr leicht, hier einen Laden zu mieten."
Outing bei Tageslicht
In den Zeiten vor der Buchhandlung spielte sich das schwul-lesbische Laden Madrids nachts ab, im Verborgenen. In düsteren Bars, Saunen und Discos. Wer dort rein wollte, musste meist verstohlen auf den Klingelknopf drücken. Erst dann öffnete sich die Tür. Wer aber im Tageslicht bei Mili einkaufte, der outete sich – wenn auch indirekt. Dank der Buchhandlung wurde das schwule Leben im Viertel immer selbstverständlicher, Chueca zur Chiffre für Freiheit. Auch bei der Aktivistin Miriam Guijarro:
"Chueca war wie eine Zuflucht, manche nannten es auch Getto. Ein Getto war es vielleicht nicht, aber schon ein Ort, wo Paare Hand in Hand laufen konnten. Wo uns keiner böse Blicke zuwirft. Ich denke, Chueca hat dann langsam die ganze Stadt angesteckt."
Und nach Madrid auch Spanien. Seit 2005 können Schwule und Lesben in Spanien heiraten, das Land war ein Vorreiter bei der Ehe für alle. Für die 37-jährige Miriam ist das längst Normalität. Doch sie findet genug Gründe, warum sie am Samstag auf die Straße gehen will.
"Transsexuelle zum Beispiel haben oft mit Diskriminierung zu kämpfen, häufig finden sie keinen Job. Und da sind da die Heranwachsenden, die in den Schulen oft Opfer von Mobbing werden."
Das WorldPride-Festival als späte Würdigung
Trotzdem: Unglaublich viel ist erreicht worden in Spanien, in einer ziemlich kurzen Zeit. Auch dank Menschen wie Mili Hernandez von der Buchhandlung Berkana. Eine Auszeichnung hat sie für ihre Pionierarbeit nie bekommen. Und die Geschäfte laufen in Zeiten des Online-Buchhandels schlecht. Aber wenn zum WorldPride jetzt wirklich Millionen in die Stadt kommen, dann ist das für sie eine späte Würdigung:
"Dieser WorldPride ist wie eine Art Preis für die geleistete Arbeit. Eine Anerkennung für jene mutigen Schwulen, Lesben und Transsexuelle, die sich dafür eingesetzt haben, dass wir die Angst verlieren und uns auf die Straße wagen können. Dass wir uns trauen, unsere Rechte einfordern und den Menschen zu lieben, den wir lieben."