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Maduro will den Notstand ausrufen

Venezuela ist reich an Erdöl, aber Armut, Gewalt und galoppierende Inflation und Korruption machen dem Land zu schaffen. Präsident Nicolas Maduro will dagegen vorgehen und per Sondervollmacht den Notstand ausrufen.

Von Martin Polansky, ARD-Studio Mittelamerika/Karibik | 24.08.2013
    Ein großer Supermarkt in Caracas. Die Preise sind enorm. Eine Tüte Spaghetti für umgerechnet fünf Euro. 12 Eier kosten fast genau so viel. Das subventionierte Milchpulver ist leider alle. Auch das Regal mit dem Klopapier ist leer. Dafür gibt es jede Menge Papierservietten. Die Kunden schimpfen:

    "Die Inflation merkt man extrem. Vieles kann ich mir einfach nicht mehr leisten. Und einige Dinge findet man gar nicht. Da muss man dann überall suchen."

    "Alles ist teurer geworden. Und die Medizin, die ich brauche, gibt es in keiner der Pharmazie."

    Venezuela nach vierzehn Jahren sozialistischer Umgestaltung. Das Land ist reich an Erdöl, aber die Versorgung läuft nicht rund. Grundnahrungsmittel wie Bohnen oder Milchpulver werden zwar stark subventioniert. Aber die Regale sind schnell leer gefegt - zum Teil um die Waren anderswo deutlich teurer weiterzuverkaufen.

    Der Devisenhandel ist stark eingeschränkt, aber dafür blüht der Schwarzmarkt mit US-Dollar. Der inoffizielle Wechselkurs schießt in immer neue Höhen. Die Leute versuchen ihr Geld, vor der Inflation im Land in Sicherheit zu bringen. Rund 25 Prozent dürfte sie dieses Jahr betragen.

    Seit gut vier Monaten ist Nicolas Maduro nun Präsident von Venezuela. Fast hätte er im April die Wahl verloren und damit das Erbe des verstorbenen Comandante Hugo Chavez gleich verspielt. Jetzt müsse Maduro die real existierenden Probleme verstärkt angehen, sagt die regierungskritische Soziologin Colette Capriles:

    "Maduro steht vor zwei Herausforderungen: Zum einen muss er den Anhängern beweisen, dass die Revolution fortlebt, dass er der legitime Erbe von Hugo Chavez ist. Zum anderen muss es für ihn aber darum gehen, die Wirtschaft zu stabilisieren."

    Nicolas Maduro, der Mann aus dem Apparat, der trotz lauter Reden wenig charismatisch wirkt, hat sich dafür nun ein Thema auf die Fahnen geschrieben. Den Kampf gegen die Korruption im Land:

    "Die Leute rufen 'Maduro, sei hart gegen die Korruption'. Ich werde sie mit allen Mitteln bekämpfen. Denn das ist der Kampf gegen den Kapitalismus, seine verkommenen Werte. Egal, ob es um die Rechten geht oder diejenigen, die rot tragen. Ich werde mit allem gegen die Korruption vorgehen."

    Tatsächlich ist in Venezuela die Korruption extrem verbreitet. Transparency International listet das Land auf Platz 165 von 174. Ein strukturelles Problem, das es auch schon vor der sozialistischen Ära gab. In Venezuela dreht sich fast alles um die Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Die Fleischtöpfe sind also klar auszumachen, wer die Hand drauf hat, kann viel Geben und Nehmen. Die Verlockung groß, da etwas für sich abzuzweigen. Das gilt auch für die sozialistische Umverteilungswirtschaft. Die Sozialprogramme sind wenig transparent. Viele im Land kritisieren, dass Wohltaten wie öffentliche Jobs oder Wohnungen vor allem über eine Art Klientelsystem an die Anhänger der Sozialisten gehen.

    Maduro hätte also viel aufzuräumen beim Kampf gegen die Korruption. Dafür will er sich nun Sondervollmachten geben lassen - er spricht von einem Notstand. Allerdings fehlt ihm die notwendige Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament.

    Die Opposition lehnt diese Sondervollmachten ab. Sie befürchtet, dass Maduro diese als Vehikel nutzen könnte, um Regierungsgegner aus Politik und Wirtschaft verhaften zu lassen. Oppositionsführer Henrique Capriles:

    "Für mich ist es korrupt, dieser Regierung Sonderrechte einzuräumen. Wir brauchen keine Sonderrechte, denn die Korruption bekämpft man mit politischem Willen. In dieser Regierung ist das unmöglich, denn sie stecken alle bis zum Hals in der Korruption. Sie wollen sich ein Instrument schaffen, um Leute politisch zu lynchen, um sie mit falschen Beweisen zu belasten."

    Tatsächlich scheint der von der Opposition regierte Bundesstaat Miranda besonders im Fadenkreuz der Korruptionsermittlungen zu liegen. Dutzende von Festnahmen soll es dort schon gegeben haben. Aber auch einige sozialistische Funktionäre wurden bereits verhaftet.

    Ernst gemeinte Korruptionsbekämpfung, damit die sozialistische Wirtschaft runder läuft und am Ende auch die Regale wieder voller werden – oder Kampf gegen die Opposition mit anderen Mitteln? Noch ist das unklar. Wer im Zweifelsfall aber auf starke und unabhängige Gerichte setzt, der dürfte enttäuscht werden. Menschenrechtsgruppen beklagen seit Langem, dass die Justiz in Venezuela unter klarem politischen Einfluss der Sozialisten steht.

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