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Mädchenfußball
Ende eines Booms

Etwa 313.000 Mädchen spielen in Deutschland Fußball im Verein. Vor ein paar Jahren waren es – beflügelt durch Männer- und Frauen-WM im eigenen Land – schon mal 340.000. Die Gründe für den Rückgang der aktiven Jugendspielerinnen sind vielschichtig.

Von Jessica Sturmberg |
Mädchen vom FC Flerzheim beim Fußballspielen.
Seit 2010 spielen immer weniger Mädchen Fußball im Verein (Deutschlandfunk / Jessica Sturmberg)
"Ich will Fußball-Profi werden – und bei welchem Verein am liebsten? – Köln"
"Also ich würde gerne hoch bis in die 1. Liga irgendwann kommen."
Das erzählen die neun Jahre alten Emma Sommer und Maja Niebes. Majas Position im Team:
"Defensives Mittelfeld, Papa sagt immer, ich kann das halt gut."
Der Papa von Maja Niebes ist der Trainer der E-Jugendmannschaft vom FC Flerzheim im nordrhein-westfälischen Rheinbach.
Oliver Niebes hat in den letzten Jahren den Mädchenfußball in Flerzheim wieder neu mit aufgebaut, nachdem sich eine frühere Frauenmannschaft aufgelöst hatte. Vor drei Jahren fing er mit acht Mädchen an, inzwischen sind es 20.
Turniere für junge Spielerinnen
"Es gibt bei uns in Rheinbach den sogenannten Grundschul-Cup, die Grundschulen spielen gegeneinander, alleine von da – da ich auch diesen Grundschul-Cup mitmache, ein bisschen Scouting quasi, da kriege ich jedes Jahr ein, zwei neue Spielerinnen und deswegen sind wir jetzt bei 20 Mädchen vom Jahrgang 2008 – 2010."
Oliver Niebes hat es nicht nur geschafft, die Mädchen so zu begeistern, dass Emma und Maja von einer Profikarriere träumen, er hat im Verein auch mit dafür gesorgt, dass die Mädchen dort ihren gleichberechtigten Platz haben, findet die Mutter von Emma:
"Die Jungs unterstützen die Mädchen, die Mädchen unterstützen die Jungs. Die wachsen so miteinander auf, wenn die jetzt außerhalb mit anderen Kindern spielen, dann merkt man oft, die Mädchen werden nicht ganz voll genommen, obwohl die auch spielen können. Aber wenn die das so zusammen entwickeln, merkt man gehört das für die dazu."
Einer der Höhepunkte in dieser Saison für die Mädchen vom FC Flerzheim: das Turnier vor dem DFB-Pokalfinale in Köln für E-und D-Mannschaften aus dem gesamten Bundesgebiet.
"Das ist ja schön in diese strahlenden Augen zu gucken der Mädchen, die hier selber spielen, dann hier auch das tolle Rahmenprogramm noch mitmachen können und man sieht da eine Begeisterung, das ist ja auch unser Wunsch, das sich das überträgt, und viel mehr Mädchen dann auch noch anfangen Fußball als Sportart für sich zu entdecken."
Sagt Sandra Fritz, Jugendbildungsreferentin beim Fußball-Verband Mittelrhein und Organisatorin des Jugendturniers. Es ist mit 117 Mannschaften das größte im deutschen Mädchenfußball. Jahr für Jahr werden es mehr, die Kapazitäten reichen kaum noch aus, damit alle Spiele rechtzeitig stattfinden können. Es ist in diesem Jahr eine Rekordzahl an Teilnehmern: 1.400, alle dürfen anschließend im Stadion mit dabei sein, beim Höhepunkt im deutschen Frauenvereinsfußball.
Zahlen sind rückläufig
Das große Interesse steht im Kontrast zur allgemeinen Entwicklung beim Frauenfußball-Nachwuchs. Die Zahlen sind zwar nicht eingebrochen, aber doch seit 2010 rückläufig. Sandra Fritz beobachtet dabei schon länger zwei unterschiedliche Trends. In den ländlicheren Gebieten finden sich nicht genug Mädchen, in den Städten dagegen sprengen sie die Kapazitäten:
"Es gibt Vereine, die sagen, wir sind komplett zu mit Jungenmannschaften, wir möchten jetzt nicht noch eine Mädchenmannschaft mit aufnehmen. Wir haben gerade keine Umkleideräume und auch keinen Platz mehr zur Verfügung. Während auf dem Land es dann so ist, dass dort Flächen zur Verfügung stehen, aber die Mädchen einfach nicht da sind und wir versuchen da Ansätze zu gehen und kooperieren mit Schulen."
So wie es in Rheinbach mit dem Grundschul-Cup schon erfolgreich gemacht wird. Was in den letzten Jahren allerdings auch zur Weiterentwicklung fehlte, war eine stärkere Präsenz des Frauenfußballs im Fernsehen. Dass jetzt alle Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft zu sehen sind, freut Trainer Oliver Niebes. Seine Mädchen verfolgen die Spiele nicht nur der deutschen Mannschaft mit großem Interesse.
Bundesliga nicht mehr so attraktiv
Damit wird Frauenfußball aufgewertet, dessen Vermarktung seit der WM im eigenen Land vor acht Jahren nicht mehr groß weiterentwickelt wurde. Zugleich aber haben die Ligen in Frankreich, Spanien, England oder Italien zum Überholen angesetzt. So attraktiv wie die Bundesliga noch vor ein paar Jahren für ausländische Spielerinnen war, ist sie inzwischen nicht mehr, wenn nicht gerade die beiden Top-Clubs VfL Wolfsburg und FC Bayern München anklopfen. Willi Breuer ist Trainer der Frauen vom 1. FC Köln. Wie die Männer sind auch die Frauen gerade aufgestiegen. Damit sie die Liga halten, braucht Breuer noch erfahrene Spielerinnen. Sein Co-Trainer schaut sich gerade bei WM in Frankreich um.
"Im Top-Bereich Spanien, Brasilien, USA brauchen wir nicht zu gucken, die kommen eh nicht zu uns, die können wir auch nicht bezahlen. Wir haben jetzt zwei Spielerinnen, die von einem ehemaligen Bundesligisten zu uns kommen, eine ist aus Österreich, eine aus der Schweiz, beides Nationalspielerinnen, wo die Liga in Österreich und der Schweiz nicht so stark ist wie unsere. Wo die Nationaltrainer Wert darauf legen, dass die in der 1. Bundesliga hier in Deutschland spielen. Solche Transfers können wir realisieren."
Willi Breuer im Franz-Kremer-Stadion. Willi Breuer ist der Trainer der Frauenmannschaft vom 1.FC Köln.
Willi Breuer im Franz-Kremer-Stadion. Willi Breuer ist der Trainer der Frauenmannschaft vom 1.FC Köln (Deutschlandfunk / Jessica Sturmberg)
Auf eigenen Nachwuchs setzen
Den jungen Frauen, die kommen, kann Willi Breuer keinen Profivertrag anbieten, nur ein Umfeld aus Universitäten oder Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Daher muss der FC auch auf den eigenen Nachwuchs setzen.
Mädchen, wie die 14 Jahre alten Zwillinge Johanna und Antonia Kuhn, die sich bewusst für Fußball als Leistungssport entschieden haben und die sich seit sie acht sind, Jahr für Jahr im Nachwuchskader des FC durchsetzen.
"Man will sich ja auch immer steigern und besser werden, und immer einen höheren Level spielen. Die älteren sind dann auch immer einen Tick weiter und dann muss man sich immer weiter entwickeln."
Und alles mit der Ungewissheit, ob sich die Karriereträume auch tatsächlich erfüllen. Gerade beim Übergang von der B-Jugend zu den Seniorinnen, beobachtet FC-Trainer Willi Breuer immer wieder Karriereabbrüche. Er wünscht sich, dass es wie bei den Männern auch bei den Frauen eine A-Jugend gibt, um den Mädchen noch mehr Zeit zu geben, sich in ihrer Altersklasse noch zwei weitere Jahre zu entwickeln.
"Da fehlt dann noch die Reife, auch wenn sportlich einiges da ist, aber körperlich ist da noch ein Defizit."
Lebensumbrüche sind oft Schuld
Nicht nur im Leistungssport gehen den Teams bei dem Übergang viele Talente verloren, auch im Breitensport ist da oft ein Knick. Viele leidenschaftliche Fußballspielerinnen hören auf, wenn auch sonst im Leben der jungen Frauen Umbrüche anstehen, Uni oder Berufseinstieg. Das lässt sich zwar auch bei den Männern beobachten, nur mit dem Unterschied, dass die Basis so groß ist, dass jeder, der weitermachen will, auch einen Platz findet. Bei den Frauen zeigt sich hingegen, welcher Verein es mit dem Frauenfußball wirklich ernst meint - nämlich der Verein, der für Angebote sorgt, die die jungen Frauen am Ball halten.