Mehr Mädchen auf den Rasen: Der englische Fußballverband wirbt sportlich um weiblichen Nachwuchs. Im Team zu spielen, Kameradinnen zu finden, gemeinsam etwas zu erreichen: Das zieht viele junge Engländerinnen an. Den besonders Begabten bahnt die Football Association FA den Weg. Wie für die Jungs gibt es auch für die Mädchen regionale Talent-Kader für die neun- bis 16-jährigen. Wer sich dort bewährt, wird in einen women’s elite development squad befördert: In diesen Elite-Mannschaften trainiert der Nachwuchs bis zum Alter von 21 Jahren. Danach lockt die Profi-Karriere. Ein vorbildliches System, sollte man meinen. Doch spätestens in der Pandemie stößt es an Grenzen. Im neuen Lockdown dürfen die Elite-Jungs nämlich weiter trainieren, die Elite-Mädchen aber nicht. Und darüber sind sie wütend.
Die 20-jährige Caitlin Furniss-Roe spielt in der Mädchen-Mannschaft beim FC Brentford. "Das regt mich wirklich auf. Die letzte Saison ist schon ausgefallen. Und als ich jetzt gehört habe, dass die Jungs spielen dürfen, dachte ich: Wo ist denn der Unterschied?"
Zu wenig Ressourcen in Mädchen-Mannschaften
Caitlin ist nicht die einzige, die das fragt. Unter dem Hashtag #IsItBecauseI’mAGirl machen die jungen Fußballerinnen ihrem Ärger Luft. Warum dürfen die Jungen trainieren, sie aber nicht? Die Regierung antwortet darauf mit ihren Elite-Regeln, die Lockdown-Ausnahmen im Sport zulassen. Nach denen ist nur Elite, wer genug Geld und Personal hat, um Sicherheitsvorkehrungen gegen das Virus sicher einzuhalten. Die Clubs müssen eine medizinische Aufsicht garantieren, täglich Fiebermessen und in der Lage sein, bei Symptomen sofort zu handeln. Sie müssen all das auch lückenlos nachweisen können. Und dafür haben sie in den Mädchen-Mannschaften einfach zu wenig Ressourcen.
Im englischen Fußball bekommt der männliche Nachwuchs nämlich auch in normalen Zeiten mehr Fördermittel als der weibliche. Elite definiert sich also nicht nach Leistung, sondern nach Geld. Das ist einfach das falsche Kriterium, sagt Caitlin Furniss-Roe. Alle in ihrer Mannschaft hätten sich an die Hygiene-Vorschriften gehalten. Ständiges Händewaschen, Desinfektionsmittel. Umarmungen waren verboten, nicht mal High-Fives erlaubt. Am Ende würden die Jungs doch nur bevorzugt, weil sie Jungs sind. Caitlin demotiviert das.
"Jedesmal verlieren wir unsere Motivation"
So geht es auch Olivia Moore, 19-Jährige Nachwuchs-Hoffnung bei den Queens Park Rangers in London. "Das ist ganz schön hart für mich. Alle kamen gerade wieder zum Training. Und dann kam der nächste Shutdown. Jedesmal verlieren wir unsere Motivation. Wir wollen auch wiederkommen. Aber alles dreht sich nur um die Männer."
Das ist nicht nur schlecht für den Frauen-Fußball in England. Es ist auch schlecht für die Seele. "Ich weiß nicht, woran das liegt. Aber Fußball lenkt mich von den Sorgen in der wirklichen Welt ab. Wenn ich Fußball spiele, fühle ich mich einfach gut. Im Lockdown durfte ich nicht spielen. Das hat mich fertiggemacht. Und jetzt zu sehen, dass die Jungen spielen dürfen, finde ich einfach ungerecht", sagt Caitlin Furniss-Roe
Caitlins Argument wiegt schwer in England, denn psychische Gesundheit gilt hier als besonders hohes Gut. Der Aufstand der Nachwuchs-Fußballerinnen wird auch deshalb wahrgenommen. Aber nicht genug, damit die Regierung ihre Regeln anpasst. Jedenfalls noch nicht. Die Football Association wirbt derweil weiter um weiblichen Nachwuchs.