Knallrot ist es - das knielange Strickgewand mit dem Daniel Chluba barfuß die Potsdamer Straße entlanggeht - nur die Augen schauen heraus. "Hasskäppchen", so nennt der Performancekünstler diese Mischung aus Burka, Sturmhaube und Pudelmütze. In Österreich, wo seit 2017 Burkaverbot gilt, wurde er wegen seines Hasskäppchens verhaftet. In Berlin erntet er nur neugierige Blicke.
Unter dem Jubel der Vernissagebesucher legt Daniel Chluba sein Hasskäppchen ab und steht plötzlich nackt im Raum. Was das alles zu bedeuten hat? Eine der Kuratorinnen der Herrenkunstausstellung, An Paenhuysen, drückt es so aus:
"Die beste Kunst ist nicht eindeutig - wie bei Daniel Chluba, er läuft herum und performt mit dem Hasskäppchen. Oft ist Kunst wie Wikipedia. Man kommt rein und versteht das gleich. Das finde ich immer suspekt, denn Kunst ist ein schwingender Raum."
Die Belgierin An Paenhuysen, die schon seit Jahren in Berlin lebt, hat die Ausstellung zusammen mit Künstler, Autor und Musiker Wolfgang Müller kuratiert. Aber was führen die beiden eigentlich im Schilde: Wollen Sie sich über Kunst von Frauen lustig machen? Oder Männerkunst gegen Frauenkunst ausspielen?
Ein gefährliches Spiel
Wolfgang Müller: "Wir zeigen keine Machogesten, die bekloppt sind. Der Begriff Männerkunst-Herrenkunst – wer darin nicht auch nur leichte ironische Wendungen sehen könnte! Aber es tun nicht alle. Und das ist natürlich auch immer eine Gefahr bei dieser Männerkunstausstellung, dass man das in eine bestimmte Richtung auch alles missverstehen kann."
Ursprünglich sollte "Chromosom XY. Männerkunst-Herrenkunst" im Berliner Kunstraum Display gezeigt werden, aber die Betreiberin sagte zwei Wochen vor Eröffnung überraschend ab.
An Paenhuysen: "Wenn man das eindeutig verstehen möchte, dann hat man Angst, dass da viele Proteste kommen werden von Seiten des Feminismus. Oder man denkt, ist das nur ein Witz, wollt ihr nur Satire machen? Das ist es auch wieder nicht. Es hat Humor an sich und trotzdem ist es auch ernst gemeint. Wir erforschen etwas, das immer unsichtbar bleibt."
Die oft unsichtbaren, männlichen Gesten erforschen Paenhuysen und Müller jetzt etwas beengter im Barbiche – einer Mischung aus kuschliger roter Bar und kleinem Kunstraum. Sechs Herrenkünstler im Hinterzimmer - wie Hartmut Andryczuk, der Bilder des gescheiterten Künstlers Adolf Hitler übermalt. Über die Reproduktion eines süßlichen Rosenstraußstilllebens schmiert er die Parole "Deutschland verwelkt".
Wolfgang Müller: "Angeblich echte Bilder von Adolf Hitler, die er da gemalt hat in den 20er-Jahren. Total kitschig! Und der hat das dann so entsprechend wie ein kleiner böser Bub übermalt. Bei einer Frau würde das als Kunst gar nicht ernst genommen werden, befürchte ich."
Die Umkehrung konservativer Männerbilder
Wolfgang Müller wollte selbst mit seiner Band "Die tödliche Doris" konservative Männerbilder in der Rockszene umkehren und kniete dafür in den 80er-Jahren nackt auf dem Boden, damit sich eine vollkommen bekleidete Frau auf ihn setzen konnte wie auf einen bequemen Stuhl – mal nicht die Frau, sondern der Mann als Objekt, als Mobiliar.
"In jeder Performance waren wir so fünf Minuten nackt in der Ecke. Nackte Männer gab es nicht, die hatten immer Overalls an."
Mit ihrer Herrenkunst-Ausstellung geben Wolfgang Müller und An Paenhuysen keine Antworten, sie werfen Fragen auf: Woher kommt der Jubel darüber, dass jetzt allerorten Frauenkunst ausgestellt wird?
Absurde Identitätspolitik
An Paenhuysen: "Es gibt sehr viele Ausstellungen 'Surrealismus und Frauen', 'Dadaismus und Frauen' – das geht bis in die Gegenwart. Und man fragt sich: Warum gibt es eigentlich nie Ausstellungen 'Surrealismus und Männer', 'Dadaismus und Männer'? Das klingt so absurd."
Wenn die Tate Britain jetzt ein Jahr lang nur Künstlerinnen zeigt, wird damit an der Gleichberechtigung gearbeitet oder werden Frauen zu merkwürdigen Wesen gemacht, deren Kunst nur außerhalb des normalen Museumsbetriebs gezeigt werden kann?
Wolfgang Müller: "Da wird ein riesen Trara gemacht. 'Wir machen ein Jahr nur Frauen!' Das wird mit so einem Gestus gemacht. Und es wird gar nicht die Frage der Qualitäten in der Ausstellung gestellt. Und was gibt’s danach, was kommt dann?"