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Märchenhafte Spielwiese der Kunst

In diesem Jahr sind die Installationen bei Heiner Goebbels‘ Ruhrtriennale besonders stark vertreten. Alle Installationen, ob von Douglas Gordon, Ryoji Ikeda oder William Forsythe, haben mit den Elementen zu tun.

Von Karin Fischer |
    Tiefe Bässe, Cello und Gesang hallen wie Soundexplosionen durch die ehemalige Mischanlage der Kokerei Zeche Zollverein. Sopranistin und Cellistin finden sich auf einem großen Video, die Melodien von Purcell, Mozart, Händel oder Freddy Mercury erschließen sich weniger. Der schottische Künstler Douglas Gordon hat das massive Bauwerk zu einem dunklen, mehrstöckigen Geisterhaus gemacht. Auf unterschiedlichen Stockwerken sind Gitterstäbe auf Wände projiziert; lodert Pyrotechnik auf einer Video-Leinwand, als ob ein Hochofen nochmal Feuer speit.

    Ein Rabe, ein Wolf, ein kleiner Zwerg in Rot (Gordons vierjährige Tochter), eine Maskierte, sind zu sehen, die Videos sind in der Mischanlage selbst entstanden. Gordons Geisterbahn aus Sound und Bild eröffnet einen symbolistisch verschlüsselten Hallraum für menschliche Urängste, wie sie sich im Märchen oder in der Kunst ja gerne spiegeln. Er selbst stammt aus einer Gegend, die ähnlich wie das Ruhrgebiet von Eisen, Stahl und Kohle geprägt ist, weshalb für ihn das Gebäude mit Hauptakteur der Installation wurde.

    "Der Sound war das Wichtigste. Vor zwei Wochen, als wir das Gebäude verließen, hat es gebebt. (Ich kann es jetzt sogar hören!) Das ist vielleicht der Opern-Teil in mir. Das Beben macht das Gebäude zu einer Skulptur. Es steht da, aber: Lass uns machen, dass es sich wieder bewegt. Das war der Plan."
    Während Douglas Gordon Industriefeuer in mystische Dunkelheit bannt, brennt sich der Installationskünstler Ryoji Ikeda mit flackernden Barcodes in die Netzhäute der Besucher ein: Seine Installation in der Kraftzentrale des Landschaftsparks Duisburg-Nord ist eine groß angelegte optisch-akustische Überforderung. Die riesige Halle ist in vollständiges Dunkel getaucht, über ein weißes, hundert Meter langes Band, das strumpfsockig auch betreten werden darf, pulsieren Strichcodes.

    Ikeda, einer der wichtigsten Vertreter der elektronischen Kunst, inszeniert ein Schnellfeuer in Schwarz-Weiß, perfekt gesteuert von zehn Projektoren, perfekt synchronisiert mit dem aggressiven Wummern der Elektrobeats. Sein "test pattern" ist eine psychedelische Erfahrung ganz auf der Höhe der Zeit:

    In diesem Jahr sind die Installationen bei Heiner Goebbels‘ Ruhrtriennale besonders stark vertreten. Der Intendant interessiert sich, wie bei seinen eigenen Projekten, auch hier für die Vermischung der Künste; für ein anderes, nicht gesteuertes, nicht kommerzialisiertes Erleben von Raum und Zeit und für das Spielerische solcher Kunsterfahrung.

    Wie bei zwei anderen Installationen: William Forsythe lässt im Folkwang Museum in Essen die Zuschauer in und durch einen Wald schwingender Pendel gehen, ihre abwartenden Bewegungen ähneln tatsächlich oft Tanzschritten. Und die Gruppe "rAndom International" hat neben den Eingang der Zeche Zollverein einen Turm aus Wasser erbaut, den man sogar betreten kann. Eine von der Kubatur der Zechentürme inspirierte, monumentale Skulptur aus Wasser, ein technisch aufwändiges, poetisch glänzendes, sprühendes Sommervergnügen.

    Alle Installationen der Ruhrtriennale in diesem Jahr haben mit den Elementen zu tun. Und das an Orten, die inzwischen oft selbst skulpturale Qualitäten haben. Wie die Halde Haniel, ein kleiner schwarzer Kegel, in dessen flache Seite ein Amphitheater gebaut wurde. Was der Choreograf Boris Charmatz dort zeigte, eine ältere Arbeit von 2010 mit dem Titel "Levée des conflits", wurde gestern Abend zum Spektakel für alle Sinne. Beginnende Dunkelheit und einsetzender Dauerregen machten aus dem fast mathematisch ausgedachten Stück eine chaotische Skulptur durchnässter Tänzer, die sich im Grasrund schüttelten, wälzten oder warfen, die zuckten, knieten oder rollten.

    Das Stück selbst besteht aus Bewegungen, die 24 Tänzerinnen und Tänzer, einer nach dem anderen, in immer gleicher Abfolge fast gleich ausführen. Eine Tanz-Bewegungs-Studie, die wieder mit der menschlichen Zeiterfahrung spielt: Denn nach einer Weile sind alle Bewegungen gleichzeitig auf der Bühne zu sehen. Das Chaos entsteht, weil die Fläche voller wird oder die Musik hektischer. Trotzdem gibt es umwerfend skulpturale Bilder, einmal sieht das Ganze aus wie zuckende Würmer in einer Petrischale. Dann wurde der Himmel über der Halde so schwarz wie Kohle, der Assoziationsraum dafür umso größer: Körper im Raum, unheimlich geerdet.