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Mafia-Prozess in Kalabrien
"Ein starkes Signal"

In Italien beginnt einer der größten Mafia-Prozesse in der Geschichte des Landes. Mehrere hundert mutmaßliche ´Ndrangheta-Mitglieder sind angeklagt. Mit dieser Dimension setze der italienische Staat auf Strahlkraft, sagte der Mafia-Experte Sandro Mattioli im Dlf - diese Symbolkraft sei unabdingbar.

Sandro Mattioli im Gespräch mit Christoph Schäfer |
Für den Prozess gegen die ‚Ndrangheta wurde in der kalabrischen Stadt Lamezia Terme ein hochgesicherter Verhandlungssaal gebaut. Es sind 350 Angeklagte, etwa 400 Anwälte und mehr als 900 Zeugen beteiligt.
Für den Prozess gegen die 'Ndrangheta wurde in der kalabrischen Stadt Lamezia Terme ein hochgesicherter Verhandlungssaal gebaut. Mehr als 350 mutmaßliche Mitglieder der 'Ndrangheta stehen vor Gericht. (AFP / Gianluca Chininea )
Bei der ´Ndrangheta handele sich um die größte Mafia-Organisation in Italien, wie Sandro Mattioli erklärt: "Sie ist eine der bestorganisiertesten kriminellen Organisationen der Welt. Sehr stark durchstrukturiert und Teile von Wirtschaft und Politik sind auch integriert. Es gibt nicht nur Kontakte."
Sandro Mattioli arbeitet als Journalist, Autor und ist außerdem ehrenamtlich Vorsitzender des Berliner Vereins "Mafia, nein danke!", der sich gegen organisierte Kriminalität richtet.
Sandro Mattioli
Der deutsch-italienische Journalist Sandro Mattioli auf der Frankfurter Buchmesse 2011. (picture alliance/dpa/Foto: Uwe Zucchi)
Dem Mafia-Experten zufolge ist die ´Ndrangheta eine der größten kriminellen Organisationen weltweit und operiert auch außerhalb ihres Schwerpunkt-Gebiets in Europa. Ihre einzelnen Clans machen laut Mattioli etwa 150 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr – mit legalen und illegalen Geschäften. Unter letztere fallen unter anderem Drogenhandel, Prostitution und Geldwäsche.

Erinnerungen an Cosa Nostra-Prozess

Es wird erwartet, dass der Prozess mehrere Jahre dauern wird. Für ihn wurde in der kalabrischen Stadt Lamezia Terme ein hochgesicherter Verhandlungssaal gebaut. Zur Dimension des Prozesses mit rund 350 Angeklagten, etwa 400 Anwälten und mehr als 900 Zeugen meint Mattioli: "Das ist natürlich ein starkes Signal, was ein Staat setzt, wenn man an einem Prozess in der Größenordnung aufzieht."
Mattioli fühlt sich dabei an den letzten Maxi-Prozess gegen die Mafia in Sizilien in den Jahren 1986 und 1987 erinnert. Für diesen sei ebenfalls ein eigenes Gerichtsgebäude errichtet worden, um damals die zahlreichen Angeklagten, Anwälte und Zeugen im Zusammenhang mit Verbrechen der Cosa Nostra anzuhören.

Nur riesige Dimension mit Symbolkraft

Der aktuelle Mammutprozess in Kalabrien sei organisatorisch schwierig zu handhaben, meint der Autor und Journalist. Allerdings verteidigt er diese Form der Prozessführung: "Ich persönlich, glaube, dass es so eine symbolische Wirkung braucht, die durch so ein massives Verfahren sehr viel stärker sichergestellt ist. Auf der anderen Seite muss man auch sehen: Wie soll ein Prozess handhabbar sein, wenn man jetzt all diese Beschuldigten, es sind 479, auf viele kleine Prozesse verteilt?"
In solch einem Fall befürchtet Mattioli, dass die Prozesse zu viel Zeit im italienischen Rechtssystem in Anspruch nähmen und darunter der Mafia-Prozess gegen die 'Ndrangehta insgesamt leiden könnte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.