"Magna Carta is one of the most famous documents in the world. It was issued 800 years ago in 1215 and has inspired people across the centuries and around the world becoming a powerful symbol of liberty."
Gleich zu Beginn erklärt die British Library mithilfe einer großen Videoprojektion ihr Anliegen: Man will nicht nur die ursprüngliche Bedeutung der "großen Urkunde" für das Mittelalter beleuchten, sondern auch herausarbeiten, wieso die Magna Carta als Symbol der Freiheit bis in die Gegenwart Menschen inspiriert. Vier Jahre habe man für die Vorbereitung benötigt, erzählt Kuratorin Claire Breay.
"Es ist die größte Ausstellung, die es jemals über die Magna Carta gab, natürlich um ihr 800-jähriges Jubiläum zu feiern. Wir schauen auf beides: auf die mittelalterliche Entstehungsgeschichte, aber zu einem weit größeren Teil auch auf ihre Folgen, auf ihr Erbe seit dem Mittelalter. Wir haben mehr als 200 Artefakte zusammen bekommen, davon 90 Leihgaben von 25 anderen Instituten."
Zu den wichtigsten Exponaten gehören zwei der insgesamt vier noch erhaltenen Magna-Carta-Ausfertigungen aus dem Jahr 1215. Sie sind im Besitz der British Library und werden gewissermaßen als Höhepunkt erst am Ende der ansonsten chronologischen Schau präsentiert. Gezeigt werden außerdem zwei Schriftstücke, auf die Co-Kurator Julian Harrison besonders stolz ist, da sie erstmals überhaupt in Großbritannien zu sehen sind.
"Zwei der wichtigsten Dokumente der Geschichte befinden sich in diesem Raum. Eines ist der Entwurf der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, geschrieben von Thomas Jefferson selbst, und das andere ist eine Kopie der Bill of Rights der Vereinigten Staaten. Die Amerikaner betrachten die Magna Carta oft als Großvater ihrer eigenen Verfassung, und Jefferson war sehr von ihr beeinflusst, als er die Unabhängigkeitserklärung 1776 entwarf."
Meilenstein bei der Herausbildung von Demokratie und Freiheit
Die Ausstellung beginnt mit der Ahnentafel des tyrannischen Königs Johann; er hatte nach etlichen verlorenen Kriegen versucht, dem englischen Adel immer höhere Geldsummen abzupressen. Doch die Barone wehrten sich mit Waffengewalt und trotzten dem Herrscher am 15. Juni 1215 die damals noch nicht sogenannte Carta ab; darin werden vor allem ganz praktische Fragen wie Lehensrechte, Fischreusen oder Bier- und Weinmaße geregelt, Freiheitsrechte für den Adel wurden aus der früheren Charter of Liberties übernommen. Das Prinzip aber, das sich später als Meilenstein bei der Herausbildung von Demokratie und Freiheit entpuppen sollte, taucht, so Claire Breay, mitten im Text eher unscheinbar auf. Es besagt:
"Kein freier Mann soll gefangen genommen, seiner Güter beraubt, geächtet oder verbannt werden, außer durch das gesetzliche Urteil von Seinesgleichen oder durch das Gesetz des Landes. Niemandem soll Gerechtigkeit verwehrt oder nur verzögert gewährt werden."
Ein Postulat, das später das Prozessrecht begründete und zu einem wichtigen Grundrecht wurde.
Die Ausstellung zeigt Vorläufer-Dokumente der Carta, die Forderungen der Barone, die Annullierung durch den Papst und Nachfolge-Schriften. Man spürt das Bemühen der Kuratoren, nicht nur kaum entzifferbare Schriftstücke und alte Bücher zu präsentieren, sondern die Ausstellung lebendig zu gestalten: ob mit mittelalterlicher Bischofstracht, Geldmünzen, Siegelpresse oder zwei Originalbackenzähnen von König Johann. Per Videobotschaft kommen Prominente zu Wort wie Bill Clinton.
"Die Magna Carta bleibt heute - 800 Jahre später - eine bedeutende Inspiration. Ihr Widerhall findet sich in unserer Unabhängigkeitserklärung, in der Verfassung und im fünften und sechsten Verfassungszusatz, die die Rechte von Angeklagten wie einen fairen und raschen Prozess garantieren."
Einfluss der Magna Carta bis in die Neuzeit
Historische Briefe zeigen, dass Churchill mit dem Geschenk einer Magna Carta-Kopie die USA vom Kriegseintritt gegen Deutschland überzeugen wollte. Bild- und Tondokumente unterstreichen ihren Einfluss bis in die Neuzeit. Etwa wenn Eleanor Roosevelt vor der UNO 1948 die Hoffnung ausdrückt, die UN-Menschenrechtsdeklaration möge zur Magna Carta aller Menschen überall werden:
"This Declaration of Human Rights may well become the international Magna Carta of all man everywhere."
Doch allem Bemühen der Kuratoren zum Trotz dürfte die Ausstellung vor allem Historiker und Bibliophile ansprechen. Dem weniger spezialisierten Publikum sei empfohlen, vor einem Besuch in London zunächst die ausgezeichneten Magna-Carta-Webseiten der British Library zu studieren, die die erste Neugier befriedigen sollten.