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Mal Alltagsposse mal Bauerntheater

Die Verfilmung von Daniel Kehlmanns Erfolgsroman "Ruhm" ist im Grunde kaum mehr als ein bunter Strauß von Pointen ohne tiefere Bedeutung. Grob gesagt geht es um unsere mit allem und jedem technisch verknüpfte zeitgenössische Existenz.

Von Josef Schnelle |
    Die Pointe von Alfred Hitchcocks Film "Bei Anruf Mord" – gedreht 1954 - hängt daran, dass Grace Kelly zu einem bestimmten Ort hinter dem Schreibtisch gelockt werden kann. Dort wartet das Telefon mit Schnur. Will sie ans Telefon gehen, muss sie genau dort hingehen und abheben – direkt bei dem hinter dem Vorhang lauernden Mörder. Soviel zur Karriere des Festnetzes mit Schnurtelefon als Kino- MacGuffin. Das Mobiltelefon ist zwar allgegenwärtig im zeitgenössischen Film, seine Lieder sind jedoch noch nicht gesungen.

    Daniel Kehlmann machte mit seinem Erfolgsroman "Ruhm" 2009 Identitätsverwirrungen - ausgelöst durch das neudeutsch "Handy" genannte Sprechgerät - erstmals zum handlungsrelevanten Zauberding. Ein Mann wird von wildfremden Anrufern belästigt, ein anderer verzweifelt daran, überhaupt keine Anrufe mehr zu bekommen und wenn der Akku alle ist, dann hat das besonders in der Zentralasiatischen Steppe ungeahnte Konsequenzen.

    Neun Geschichten verknüpfte Kehlmann zu seinem ungewöhnlichen geistreichen Romanexperiment. Die TV-Regisseurin und Drehbuchautorin Isabel Kleefeld hatte Kehlmanns Roman schon vor der Veröffentlichung gelesen und entschloss sich aus diesem Stoff ihren ersten Kinofilm zu machen. Sechs Geschichten sind von der Vorlage übrig geblieben. Das längere Gedankenspiel, das hinter Film und Roman steckt wird so erläutert.

    "Vielleicht sitzt da irgendwo ein Angestellter in irgendeinem Büro einer Mobilfunkfirma. Und dieser Angestellte verteilt Nummern doppelt. Ständig, einfach so. Ob mit oder ohne Absicht ist erst mal egal und jemand bekommt da die Nummer von einem anderen. Und dieser andere wiederum. Stell Dir mal vor, was das werden könnte. Ein Roman ohne Hauptfigur."

    Das Handy ist also ein elektronischer Glückswürfel, der jederzeit unsere Identitäten durcheinander wirbeln kann. Das muss ausgerechnet der Ingenieur Ebling erfahren, der sich bisher so vehement gegen Handys gewehrt hatte. Sein allererstes Mobilphon löst nicht nur einen Kampf mit der Bedienungsanleitung aus. Es erreichen ihn fortan seltsame Anrufe unbekannter Personen. Jedes Mal ist er sofort Objekt der Begierde oder Protagonist von ihm eigentlich unbekannten Konflikten.

    "Hallo?" – "Weißt Du eigentlich wie oft ich’s schon bei Dir versucht hab?" – "Wer ist da?" – "Du kannst ja nicht mal mehr die Stimmen auseinanderhalten. Gib’s doch endlich zu." – "Entschuldigung, ich glaub Sie haben sich verwählt." – "Du Arschloch. Das wirst du noch bereuen."

    Anders ergehet es dem eitlen Schauspieler Ralf Tanner. Der ist plötzlich vollkommen abgeschnitten von jeglicher Kommunikation. Sein Handy klingelt nicht mehr. Er fühlt sich wie ausgestoßen. Bei einem Double-Wettbewerb kann er als vermeintlicher Tanner-Imitator endlich die Last der Prominenz abstoßen. Doch inzwischen ist ein besseres Double dabei, ihm sein Leben zu stehlen – vielleicht aber auch, ihm ein neues, anderes Leben zu ermöglichen.

    "Ich denke wie er, ich lebe wie er. Ich bin Ralf Tanner. Das braucht Jahre. Das ist der Preis des Ruhms."

    Der Film wirkt manchmal wie ein intelligenter Spaß, dann wieder wie eine monströse Quatsch-Comedy-Show, bei der ein Jahrmarkt der Eitelkeiten ausgebreitet wird. Insbesondere der eitle Schauspieler und der ebensolche Schriftsteller – gespielt von Stefan Kurth und Heino Ferch - sind kaum verbrämte Wiedergänger des Autors Daniel Kehlmann. Einmal gestattet sich dieser sogar einen Gastauftritt im Film – ausgerechnet als Kritiker, der sich in eine bramarbasierende Laudatio versteigt. Angeblich sind Textbausteine aus Kritiken für über Kehlmanns Bücher im folgenden Stück verarbeitet:

    "Die Geschichten nähren sich in ihrer fast schon sterilen Brillanz vom nie versiegenden Strom an Möglichkeiten auf der Suche nach der Essenz des Zwingenden, der Spiegelung der Utopie, der tiefen Ebene außerhalb der Bedeutung und der gezielten Beginnlosigkeit von Struktur."

    Der Film übt ein bisschen Kritik am Literaturbetrieb, enthält bis zur Unkenntlichkeit verfremdete komische Passagen und ist im Grunde kaum mehr als ein bunter Strauß von Pointen ohne tiefere Bedeutung. Mal Alltagsposse mal Bauerntheater. Man könnte das auch über Kehlmanns Roman sagen.