Schlicht zu bedauern war das Festival-Team, das sich da gerade elf Tage lang -und diesmal wieder in Braunschweig- um "Theaterformen" bemüht hatte; das kleine und sehr besondere Treffen internationaler Theatermacher kommt ja so konzentriert wie zielstrebig der klar definierten Aufgabe nach, extrem unterschiedliche Spielarten des theatralischen Ausdrucks zu präsentieren. Eher selten geht es dabei um "Stücke" im konventionelleren Sinne - aber ausgerechnet die kroatischen Partner des gastgebenden Staatstheaters, durch Unterstützung des "Wanderlust"-Fonds der Bundeskulturstiftung mit Braunschweig verbandelt, bescherten dem Festival gleich zwei wirklich fundamentale Missverständnisse, und das schlimmste zum Schluss: Regisseur Ivica Buljan fand mit dem Ensemble des "z/k/m"-Theaters aus Zagreb überhaupt keinen Zugang für "Yellow Line", die Auftragsarbeit von Juli eh und Charlotte Roos. Schlimmer noch - die Inszenierung sah so aus, als habe Buljan sich darum auch gar nicht bemüht.
Immerhin fällt im Stück eine Kuh vom Himmel. Was vor fünfzehn Jahren einem japanischen Fischer geschah, bricht hier über einen Ägypter herein, dessen Boot gerade das Mittelmeer zu queren versucht; von Europas pingeligen Grenzkontrolleuren wird er bestenfalls als Wirtschaftsflüchtling, schlimmstenfalls als Terrorist verdächtigt, während er immer nur nach einem gewissen Herrn Mubarak fragt, der mit im Boot gewesen sein soll. Um den echten Ex-Staatschef geht's aber nicht - Zeh und Roos wollen vielmehr die Geschichte der Kuh erzählen und wie sie in das Flugzeug kam, aus dem heraus sie dem Ägypter ins Boot fiel.
Paul ist schuld daran - der ist ein Zivilisationsflüchtling der grundsätzlicheren Sorte, der das eigene Leben Schritt für Schritt mehr und mehr reglementiert sieht und darum zum Beispiel keine "Yellow Line", keine gelbe Linie mehr akzeptiert, Sicherheitsabstand hin, Privatsphäre her. Auf der Flucht vor der Welt, wie sie ist, und nach vergeblichen Versuchen öffentlicher Provokation kapert er dort, wo einst die heimische Idylle war, eine Kuh, um sie zeichensetzend nach Afrika hinüber zu fliegen. Das Flugzeug gerät in Stürme, und der Pilot schmeißt natürlich als Erstes die Kuh raus ... so weit, so sonderbar.
Zu sonderbar offenbar für Ivica Buljan - der lässt sich für nicht eine Minute in fast zwei Stunden auf die Motive von Zeh und Roos ein und bricht stattdessen eine Art Pop-Show vom Zaum; getreu der Strategie, dass, was nicht verstanden werden kann oder soll, wenigstens gesungen werden muss. Alle Ensemblemitglieder aus Zagreb (und Tobias Beyer als Braunschweiger Ensemble-Alibi für die "Kooperation") sind auch musikalisch tätig und schrammeln mehr schlecht als recht auf den Instrumenten herum; die Katzenmusik, die dabei entsteht, war sicher selbst in Kroatien bestenfalls vor längerer Zeit mal modern. Zudem beginnt das szenische Gewurschtel dieser Show mit Kuh auf einer Kunst-Auktion, wo moderne Meister die eigenen Werke zugunsten all der Profi-Profiteure versteigern, die die arabischen Aufstände finanziert haben ... das hätte eine schöne grobe Polemik werden können.
Aber auch die hat Buljan wohl nicht wirklich interessiert. Was aber dann? Nur die Fördergelder aus dem deutschen Fond "Wanderlust"? Die Ergebnisse ihres "Pioniere"-Programms sollten die Braunschweiger dringend evaluieren - wie gut ist es da, dass das "Theaterformen"-Festival eigentlich etwas ganz anderes will: Spielweisen zeigen, wie sie vielleicht noch nie und nirgends zu sehen waren. Auch da allerdings war die Bilanz der 13. Ausgabe eher durchwachsen - Highlights waren "Freetown", die von der freien Gruppe "Dood Paard" grandios selbstquälerisch zwischen lauter leeren Dosen zelebrierte Gardinenpredigt dreier niederländischer Touristinnen, die an den Stränden der ärmsten Länder Afrikas schnelle Erotik suchen und sich dabei noch immer für die Gutmenschen aus der reichen Welt halten, oder "Springville", eine stumme und sehr finster-komische Performance von Miet Warlop, in der Menschen zu Maschinchen mutieren und einer nach dem anderen quasi "explodieren", bevor sich auch ihr Haus in Nichts und Rauch auflöst.
Schwer enttäuschend geriet dagegen die äußerst mürbe Geschichtenerzählerei in der neuen Produktion von "Forced Entertainment"; das stürmt gar nichts in "The Coming Storm", und das Ensemble lebt zunehmend von der Legende. Auch "Rimini Protokoll" scheint mit der Braunschweiger Reprise des "100 Prozent"-Formats gerade nicht ganz auf der Höhe der Zeit zu sein.
Mal saß das Braunschweiger Publikum in einem Schaufenster und sah der nicht sehr aufregenden Echtes-Leben-Imitation von Natascha Rajkovic und Bobo Jelzic zu, mal blieb es eher ratlos vor Erinnerungen an mexikanische Revolten im Puppenspiel-Format und vor unausgegorenen Publikumsbeschimpfungen aus Slowenien - doch dass sich Kunst und Kundschaft zuweilen völlig fremd bleiben, gehört zuweilen halt auch zum Charme der "Theaterformen".
Immerhin fällt im Stück eine Kuh vom Himmel. Was vor fünfzehn Jahren einem japanischen Fischer geschah, bricht hier über einen Ägypter herein, dessen Boot gerade das Mittelmeer zu queren versucht; von Europas pingeligen Grenzkontrolleuren wird er bestenfalls als Wirtschaftsflüchtling, schlimmstenfalls als Terrorist verdächtigt, während er immer nur nach einem gewissen Herrn Mubarak fragt, der mit im Boot gewesen sein soll. Um den echten Ex-Staatschef geht's aber nicht - Zeh und Roos wollen vielmehr die Geschichte der Kuh erzählen und wie sie in das Flugzeug kam, aus dem heraus sie dem Ägypter ins Boot fiel.
Paul ist schuld daran - der ist ein Zivilisationsflüchtling der grundsätzlicheren Sorte, der das eigene Leben Schritt für Schritt mehr und mehr reglementiert sieht und darum zum Beispiel keine "Yellow Line", keine gelbe Linie mehr akzeptiert, Sicherheitsabstand hin, Privatsphäre her. Auf der Flucht vor der Welt, wie sie ist, und nach vergeblichen Versuchen öffentlicher Provokation kapert er dort, wo einst die heimische Idylle war, eine Kuh, um sie zeichensetzend nach Afrika hinüber zu fliegen. Das Flugzeug gerät in Stürme, und der Pilot schmeißt natürlich als Erstes die Kuh raus ... so weit, so sonderbar.
Zu sonderbar offenbar für Ivica Buljan - der lässt sich für nicht eine Minute in fast zwei Stunden auf die Motive von Zeh und Roos ein und bricht stattdessen eine Art Pop-Show vom Zaum; getreu der Strategie, dass, was nicht verstanden werden kann oder soll, wenigstens gesungen werden muss. Alle Ensemblemitglieder aus Zagreb (und Tobias Beyer als Braunschweiger Ensemble-Alibi für die "Kooperation") sind auch musikalisch tätig und schrammeln mehr schlecht als recht auf den Instrumenten herum; die Katzenmusik, die dabei entsteht, war sicher selbst in Kroatien bestenfalls vor längerer Zeit mal modern. Zudem beginnt das szenische Gewurschtel dieser Show mit Kuh auf einer Kunst-Auktion, wo moderne Meister die eigenen Werke zugunsten all der Profi-Profiteure versteigern, die die arabischen Aufstände finanziert haben ... das hätte eine schöne grobe Polemik werden können.
Aber auch die hat Buljan wohl nicht wirklich interessiert. Was aber dann? Nur die Fördergelder aus dem deutschen Fond "Wanderlust"? Die Ergebnisse ihres "Pioniere"-Programms sollten die Braunschweiger dringend evaluieren - wie gut ist es da, dass das "Theaterformen"-Festival eigentlich etwas ganz anderes will: Spielweisen zeigen, wie sie vielleicht noch nie und nirgends zu sehen waren. Auch da allerdings war die Bilanz der 13. Ausgabe eher durchwachsen - Highlights waren "Freetown", die von der freien Gruppe "Dood Paard" grandios selbstquälerisch zwischen lauter leeren Dosen zelebrierte Gardinenpredigt dreier niederländischer Touristinnen, die an den Stränden der ärmsten Länder Afrikas schnelle Erotik suchen und sich dabei noch immer für die Gutmenschen aus der reichen Welt halten, oder "Springville", eine stumme und sehr finster-komische Performance von Miet Warlop, in der Menschen zu Maschinchen mutieren und einer nach dem anderen quasi "explodieren", bevor sich auch ihr Haus in Nichts und Rauch auflöst.
Schwer enttäuschend geriet dagegen die äußerst mürbe Geschichtenerzählerei in der neuen Produktion von "Forced Entertainment"; das stürmt gar nichts in "The Coming Storm", und das Ensemble lebt zunehmend von der Legende. Auch "Rimini Protokoll" scheint mit der Braunschweiger Reprise des "100 Prozent"-Formats gerade nicht ganz auf der Höhe der Zeit zu sein.
Mal saß das Braunschweiger Publikum in einem Schaufenster und sah der nicht sehr aufregenden Echtes-Leben-Imitation von Natascha Rajkovic und Bobo Jelzic zu, mal blieb es eher ratlos vor Erinnerungen an mexikanische Revolten im Puppenspiel-Format und vor unausgegorenen Publikumsbeschimpfungen aus Slowenien - doch dass sich Kunst und Kundschaft zuweilen völlig fremd bleiben, gehört zuweilen halt auch zum Charme der "Theaterformen".