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Malaria-Wirkstoff aus dem Licht

Medizin.- Der Beifuß ist eine Pflanze, aus der Artemisinin gewonnen wird, eine Substanz zur Bekämpfung der Malaria. Leider lassen sich nur kleine Mengen erzeugen, dementsprechend teuer ist das Medikament. Auf einer Pressekonferenz in Berlin wurde jetzt ein Weg zur chemischen Synthese von Artemisinin vorgestellt.

Von Volkart Wildermuth |
    Die traditionelle chinesische Medizin setzt schon seit über 200 Jahren auf den einjährigen Beifuß Artemisia annua. Ein einfacher Extrakt kann eine Malariainfektion abmildern. Viel effektiver ist aber der Einsatz des eigentlichen Wirkstoffs Artemisinin. Doch seine Gewinnung ist aufwendig und teuer. Statt auf Natur setz Professor Peter Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und der Freien Universität Berlin deshalb auf Chemie.

    "Es geht nicht um eine akademische Synthese, es geht um eine Synthese um genügend Material, dass wir jedes Jahr mindestens 250 Millionen Dosen preisgünstig zur Verfügung stellen. Unser Ziel ist, preisgünstig genug Material für die Leute, die es am meisten brauchen."

    Leichter gesagt als getan. Artemisinin ist beeindruckend komplex: drei miteinander verknüpfte chemische Ringe mit einer für ein Medikament einzigartigen Struktur, einer Brücke aus zwei direkt verbundenen Sauerstoffatomen. Auf diese Brücke kommt es an. Sie steht sozusagen unter Spannung, so wie der Bogen eine Armbrust. Der Malariaparasit scheint den passenden Auslöser zu besitzen. Wenn er mit Artemisinin in Berührung kommt, entlädt sich der chemische Bogen, die Energie wird frei und greift den Erreger an. Das grundlegende Atomgerüst des Artemisinins ist leicht zu bekommen, es fällt als Abfallprodukt bei der Gewinnung des Wirkstoffes an oder lässt sich biotechnologisch in Bakterien erzeugen. Die Herausforderung besteht darin, dieses Gerüst, die chemische Armbrust, zu spannen, also die Sauerstoffbrücke in das Molekül einzufügen. Dieser entscheidende Schritt gelingt mithilfe von Licht, dass ganz gewöhnlichen Sauerstoff reaktionsfähiger machen kann. Licht verwendet die Pharmaindustrie aber nur ungern, weil es bei der Herstellung nur ganz am Rand der großen Reaktionskessel wirken kann.

    "Da haben wir gesagt, nehmen wir einen ganz einfachen Trick: Nehmen wir einfach einen Schlauch, der durchsichtig ist und wickeln diesen Schlauch um die Lampe. Damit haben sie nur einen ganz dünnen Schlauch, das Licht kommt wunderbar durch den Schlauch durch und alle Moleküle im Schlauch belichtet."

    Die Apparatur im Labor von Peter Seeberger sieht wirklich übersichtlich aus. Auf der einen Seite stehen das Glasgefäß mit der Ausgangsubstanz und eine Gasflasche voller Sauerstoff. Eine Pumpe drückt beides durch den dünnen Schlauch, der sich wieder und wieder um die helle Lampe windet. Nach der Belichtung folgt ein Ventil, über das Säure zugegeben wird. Damit wird das Molekül in die endgültige Struktur umgelagert.

    "Das ist auch ein relativ farbenfroher Versuch, das Material das aus dem Photoreaktor herauskommt ist noch rot, hier kommt Säure rein und hier sehen wir es grün weiterfließen."

    Der rot-grüne Farbwechsel liegt an einem Hilfsstoff, der dem Hämoglobin ähnelt und die Wirkung des Lichts auf den Sauerstoff verstärkt. Dieser Hilfsstoff muss noch abgeschieden werden. Am Ende quillt klare Artemisininlösung Tropfen für Tropfen aus dem Schlauch. Der ganze Reaktor ist nicht größer als ein Kühlschrank und wirkt ziemlich bescheiden. Aber so ein Reaktor kann am Tag 200 Gramm Artemisinin herstellen, das reicht für die Behandlung von etwa 500 Menschen. Peter Seeberger hofft, die Produktion bald schon auf zwei Kilo pro Tag steigern zu können. Da kommen die Investitionskosten von rund 10.000 Euro pro Reaktor schnell wieder rein. Das Verfahren ist patentiert. Jetzt sucht Peter Seeberger nach Partnern in der Pharmaindustrie oder auch direkt bei den Beifußbauern.

    "Das bedeutet, dass wir die Produzenten in China und Vietnam unterstützen können, dass sie ein Nebenprodukt, dass sie momentan wegschmeißen, mithilfe dieser Reaktoren in den Wirkstoff überführen können. Damit können wir erst mal den Markt wesentlich besser befriedigen und zweitens dürfte auch der Preis pro Dosis Artemisinin stark runterkommen. Und das ist ein ganz klares Ziel für uns: wir müssen es schaffen, den Leuten eine billigeren und besseren Zugang zu gewähren."

    Die Chemie dafür steht zur Verfügung, jetzt kommt es darauf an, ob die Produzenten das Verfahren auch tatsächlich einsetzen.