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Maler des Lichts

Der Franzose Pierre Bonnard zählt zu den Malern, denen seit Jahrzehnten ein kunsthistorisches Etikett anhaftet: Bonnard ist der Maler des Lichts - obwohl zu seiner Zeit der Impressionismus längst Geschichte war. Die Fondation Beyeler versucht dieses Klischee in einer Ausstellung aufzubrechen.

Von Christian Gampert | 01.02.2012
    "Il ne s’agit pas de peindre la vie, il s’agit de rendre vivante la peinture". So sagte es Pierre Bonnard, und das ist das Motto der Ausstellung: Es gehe nicht darum, das Leben zu malen, sondern die Malerei zum Leben zu erwecken.

    Damit ist erst mal all jenen die Luft aus den Segeln genommen, die Bonnard als spießigen Sofaecken-Nesthocker abgebucht hatten, der immer nur seine Frau und sein Wohnzimmer malte. Denn das Leben beschrieb er so nebenbei auch noch: Straßenszenen, Landschaften, Gärten – er war durchaus unterwegs. Vor allem aber ging es ihm um künstlerische Strategien, um Farbstrategien, mit denen er dem beunruhigenden Niedergang des Großbürgertums Anfang des 20. Jahrhunderts etwas Intensives und Lebenssattes abzugewinnen suchte. Dass seine Figuren sich dabei zunehmend in der Textur des Bildes verloren, dass sie farblich aufgingen in den Mustern von Tischdecken, Kaffeehäusern, Bädern, Parks und Landschaften, das macht diesen introvertierten Maler dann doch ziemlich modern.

    Angefangen hat der 1867 geborene Bonnard als Mitglied der Nabis, die in der Gauguin-Nachfolge das Bild als Fläche begriffen und japanische Holzschnitte liebten – das wird in der Ausstellung nur angedeutet. Seine Straßenszenen von der Place Clichy (von 1906) sind in ihrem kühnen Anschnitt aber schon von der Fotografie beeinflusst, während man bei seinen frühen Gartenbildern und Interieurs noch an Renoir denkt. Bonnards zeitweilige Verortung im Postimpressionismus brachte ihm auch die Freundschaft des Winterthurer Sammlerpaares Hedy und Arthur Hahnloser ein, die ihn schon 1916 daheim ausstellten.

    Viele Werke Bonnards befinden sich noch immer in Schweizer Sammlungen - 2004 konnte das Kunstmuseum Winterthur eine ganze Ausstellung nur mit Schweizer Bonnards bestreiten. Damals wurde das Flächige seiner Bildauffassung betont, das Eigenleben des Bildes hervorgehoben.

    Die Fondation Beyeler in Basel macht das nun ganz anders: sie leiht aus der ganzen Welt, und der Kurator Ulf Küster hat die Ausstellung nach Themen organisiert: Straße, Esszimmer, Garten, Landschaften, Intimes aus Bad und Ankleidezimmer. Küster stellt den Landschaftsmaler, den üppigen Koloristen Bonnard ins Zentrum – kein Wunder, wenn man von Bonnards Gärten hinaus auf die Seerosenteiche der Fondation blicken kann... Die Ausstellung erklärt Bonnards Perspektivik, seine Zurückgezogenheit, seine Distanz quasi zum Programm: da blickte ein furchtsamer Bürger von innen nach außen, aus dem Salon in die bisweilen auch bei ihm van-Gogh-artig wild wuchernde Welt – zahlreiche Bilder nutzen nämlich Fenster oder Säulen als befestigende Wahrnehmungs-Portale. Die Ausstellung zeigt aber auch das häusliche Leben Bonnards als das eines besessenen Voyeurs: immer wieder die Frau bei der Toilette (wie bei Degas), immer wieder das (eigene) Weib in der Badewanne - und da liegt sie dann wie später Glenn Close in "Fatal Attraction" (die dann freilich dem Mann an den Hals geht). Der Blick des Mannes, des Malers Bonnard schweift von oben über den im Wasser liegenden Frauenkörper, der in diesem Arrangement seltsam changiert zwischen Erotik und der Kühle eines medizinischen Präparats.

    Der zentrale Saal ist diesen intimen Bildern aus Bad und Toilette gewidmet, und er ist das Prunkstück der Schau. In dem "Cabinet de Toilette" von 1932 (aus dem MoMA) sieht man einen gebeugten Akt umgeben von bunten Tischen, Tüchern, Fliesen, die Bonnards Raumauffassung, seine gedrängte, multiperspektivische Raumdichte paradigmatisch vorführen. Auch die liegenden Akte in der Wanne sind immer verwoben in einen heimischen Raum vielfältiger Farben, umspielt vom Licht.

    Die Künstlichkeit dieser Arrangements zeigt uns, dass hier jemand sehr bewusst halbabstrakte Bildräume herstellte – ebenso übrigens wie in den farbglühenden und trotzdem gebändigten südfranzösischen Landschaften. Der Mann gehörte keiner Schule an; dass Bonnard in seiner Frühphase ein Haus in der Normandie, ganz in der Nähe des Kollegen Monet besaß, den er bewunderte, macht ihn noch nicht zum Impressionisten. Seine Farbgebung ist da viel zu originell. Im Spätwerk setzt er die Farben wie kleine Mosaiksteinchen im Bild zusammen - er bleibt eine singuläre Gestalt, ein Landschafts-Architekt, ein schüchterner Sensualist, der hier zu Recht gefeiert wird.