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Maler und Filmregisseur Julian Schnabel
Ein Dokumentarfilm voller Lobpreisungen

Eine "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Legende, so kann man die Karriere des Sohnes jüdischer Geschäftsleute aus Brooklyn auch lesen. So inszeniert sie jedenfalls der Filmemacher Pappi Corsicato in seinem Porträt von Julian Schnabel, dem Maler und Filmregisseur.

Von Hartwig Tegeler |
    Der US-amerikanische Maler und Filmregisseur Julian Schnabel.
    Der US-amerikanische Maler und Filmregisseur Julian Schnabel. (imago / Future Image)
    1949 nahm der belgische Filmemacher Paul Haesaerts Pablo Picasso beim Malen auf einer großen Scheibe auf. Wenn der spanische Maler mit wenigen Pinselstrichen einen Stier auf dem Glas entstehen lässt, hat das eine fast unheimliche magische Wirkung. Unfassbar schön.
    In Pappi Corsicatos Doku "Julian Schnabel - A Private Portrait" sehen wir den Maler bei der Entstehung eines seiner Tellerscherben-Gemälde. Die Kamera zeigt eine Frau, das Modell, dazu im Wechsel in Nahaufnahme den großen Pinsel, mit dem der Künstler gelbe und blaue Farbe auf eine Leinwand malt, die voller aufgeklebter Scherben ist. Wie soll man auf solch eine Oberfläche anderes als Abstraktes bekommen? Dann fährt die Kamera zurück und zeigt das erste Mal das ganze Bild: Auf der Textur der unebenen Tellerscherben ist das präzise Abbild dieser Frau entstanden. Unfassbar schön. Eine magische Wirkung auch hier, genau wie beim Stier von Picasso. Vielleicht haben wir in diesem Moment etwas vom Geheimnis der Kunst erfasst, vielleicht denken wir das auch nur. Das wäre hiermit die gute Nachricht über Pappi Corsicatos Film. Der Rest, nun ja.
    "Respektlos, großzügig und riesig"
    Julian Schnabel: der New Yorker Maler-Star, Vertreter des Neo-Expressionismus der 1970er- und 80er-Jahre. Als er schon als Maler etabliert und berühmt war, wurde Schnabel auch Filmregisseur und drehte großartige Filmen wie "Schmetterling und Taucherglocke". Das Künstler-Leben erzählt der Film-Biograf Pappi Corsicato chronologisch nach. Wir sehen: Schnabel malend, Schnabel programmatische Sätze von sich gebend:
    "Als ich jung war, wollte ich ein großer Künstler werden, ohne genau zu wissen, wie meine Kunst aussehen sollte". Sagt der Mann, dessen Markenzeichen der Seidenpyjama war, mit dem er auch öffentlich immer wieder auftrat. Was wiederum den befreundeten Regisseur Héctor Babenco zum Balzac-Vergleich führt.
    "Er ist respektlos, großzügig und riesig. Die Welt dreht sich um ihn. Er ist wie eine Figur von Balzac. Er ist überlebensgroß."
    Sagt Héctor Babenco. Eine Freundin von Schnabel betont, dass er als Freund unglaublich war. Und eine von Julian Schnabels Ex-Frauen stimmt in das Hohelied über den Künstler mit ein:
    "Er macht nur das, was er will. Und das macht seine Kunst und seine Persönlichkeit aus. Ihm geht es nur um sein Innenleben."
    Ein Fremdschäm-Poesiealbum voller Lobpreisungen
    Sagt die Ex-Gattin. Es treten weiter auf - lobhudelnd - Al Pacino, William Dafoe, Jeff Koons, Laurie Anderson, Mathieu Amalric oder, natürlich, ohne Frage, auch Bono. Alle verneigen sich tief vor diesem Kunst-Giganten. Und sogar die, die andeuten, dass der Malerfürst mit seinem siebenstöckigen venezianischen Palast mitten in New York zum Größenwahn neigt - ein Vorwurf, der Schnabel immer wieder gemacht wurde -, sie kriegen in diesem Film am Ende ihrer Kritik doch wieder die Kurve zum Lob. Beispiel: die Galeristin Mary Boone, bei der Schnabel in den 1970ern ausstellte:
    "Julian ist ein kontroverser Künstler, weil er keine Grenzen kennt. Er sagt Leuten manchmal harsche Dinge. Ich versuche mich nicht an diese Dinge zu erinnern, ich sehe für das große Ganze darüber hinweg, weil er ein guter Künstler ist."
    Meint Mary Boone. Und dann erfolgt wieder der Umschnitt auf ein XXL-Gemälde, vor dem der Superstar der Kunstszene malt. Und dann kommt wieder ein Freund zu Wort oder eine Ex-Frau oder eines von Julian Schnabel erwachsenen Kindern. Aber da ist es schon lange viel zu viel Beweihräucherung. Dass Julian Schnabel ein großer Künstler ist - keine Frage. Ob er auch ein toller Mensch ist, das braucht uns nicht zu interessieren. Aber dass Filmemacher Pappi Corsicato ein Poesiealbum gedreht hat, das überquillt vor Lobpreisungen, das macht diesen Dokumentarfilm zu einer peinlichen Angelegenheit, die am Ende vor allem Fremdschämen auslöst.