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Malerei im Kunstkombinat DDR

Eine Vielzahl von Positionen, Stilen, Vorlieben und Haltungen der DDR-Künstler in den 80er-Jahre sind zurzeit in Leipzig zu sehen. Die Ausstellung zeigt: Lange bevor die Grenze bröckelte, hatten die Künstler im Kunstkombinat DDR den Generalstreik insgeheim angekündigt.

Von Rainer Berthold Schossig |
    Betrachtet man den DDR-Kunstbetrieb der 80er-Jahre, erkennt man, wie blind die SED-Kulturbürokratie auf dem Holzweg "Sozialistischer Realismus" weitermarschierte, während die Wege auch der systemfrommen Künstler unübersichtlicher wurden. Die Palette reichte von Abwandlungen des Figürlichen bis zu zaghaften Abstraktionsversuchen, von spätexpressionistischem Pinselduktus bis zu ratlosen Annäherungen an Surreales und Pop. Nur Wenige begehrten offen auf gegen die offizielle Doktrin, die im Vorstand des Vereins Bildender Künstler der DDR diskutiert und in den öder werdenden Dresdener DDR-Kunstausstellungen dokumentiert wurden. Jetzt hat der junge Kurator Frédéric Bußmann, der soeben als Kurator ans Leipziger Museum der bildenden Künste geholt wurde, einen Blick quer durch diese im Westen noch immer kaum bekannte Malschule riskiert. Gottlob ist er ganz spontan zu Werke gegangen:

    "Die 80er Jahre sind eine extrem spannende Zeit für die DDR. Weil die Früchte der 70er, die Früchte der Revolution der offizielleren Malerei der DDR-Kunst – wir reden hier nicht über dissidentische Kunst – diese Früchte kommen in den 80er Jahren zum Tragen. Wir haben eine zweite Generation von Leipziger Künstlern, die extrem erfolgreich, extrem gut ist."

    Was den Wessi Bußmann fasziniert, ist die malerische Delikatesse, mit der etwa Arno Rink einen Äneas malt: Der kann sich – dem im Hintergrund wetterleuchtenden Brand Trojas knapp entkommen – selbst kaum noch auf den Beinen halten, wankend trägt er den leblosen Körper seines Vaters Anchises auf dem Rücken. Der Kontrast von rosa und bleichem Inkarnat, die Ambivalenz von Zögern und Voranschreiten, auf großer Bühne in dramatisch tiefem Seitenlicht: Äneas als Sisyphos – eine gemalte Vorausahnung des Endes der vom Westen mürbe geschossenen sozialistischen Festung Ostberlin. Die 80er-Jahre beginnen mit der Ausreise A.R. Pencks, die Nachrüstung des Westens erzeugt auch im Osten wachsende Ängste, die Künstler experimentieren, jeder für sich, die ästhetischen Nerven liegen blank. Aktionen wie der oppositionelle "Leipziger Herbstsalon", die Gründung der schrägen Galerie "Eigen & Art", diese Entwicklungen will und kann die Leipziger Ausstellung zwar nicht explizit zeigen. Sie beschränkt sich auf jenen Bestand der Sammlung Ludwig der 80er Jahre, der in Leipzig verfügbar ist. Doch die Bilder der jungen heftigen Johannes Heisig, Volker Stelzmann oder Walter Libuda schwitzen die damalige Stimmung geradezu aus. Peter Ludwig hat damals genau hingeschaut:

    "Er hat sein Engagement mit der Documenta 6 in Kassel begonnen, das war die erste große Ausstellung im Westen mit DDR-Künstlern. Es ging weiter mit anderen Ausstellungen, die im Westen stattfanden, wo Ludwig mit eingekauft hat, zeitgleich hat er aber auch die Leipziger Bezirksausstellung und andere Bezirksausstellungen besucht, zusammen mit dem ’Staatlichen Kunsthandel’."

    Mit den 80er-Jahren brach die letzte Schicht im sozialistischen "Kunstkombinat DDR" an, der ästhetische Überbau zerfaserte viel schneller als die materielle Basis der SED-Diktatur. In ohnmächtigen Appellen mahnte sie Parteilichkeit und klassenkämpferischen Geist an, doch die Künstler gehorchten nicht mehr. Dickköpfig rannte Hartwig Ebersbach gegen blutige Leinwände an, Michael Morgners Bilder versanken immer tiefer in schwarzer Melancholie, Wolfgang Petrowsky ging – wild-faustisch malend – auf Höllenfahrt. Jeder suchte nach seinen privaten Mythologien, jagte den Phantasmen des kranken Zeitgeists nach.

    "Neue Expressivität hieß das im Osten – im Westen waren das die ’Neuen Wilden’, vielleicht eher beeinflusst von einem Gegenreflex zu konzeptuelle Kunstkonzeptionen, im Osten führte man bestimmte Traditionen der figurativen Malerei fort, aber versuchte dabei, neue Wege zu gehen."

    Wie ausweglos die Situation der späten DDR geworden war, wie anstrengend die "neuen Wege" der Künstler waren, dies zeigt sich auch in der Angestrengtheit dieser Malerei, die jetzt – auf den ersten Blick so virtuos, so makellos – im "White Cube" im Souterrain der Leipziger Bildergalerie ausgebreitet ist.
    "Das war zum einen ein gewisser Freiheitsstatus des Künstlers, im Privaten, zum Teil in ihren Ateliers zu arbeiten, ohne werktätig zu sein: Sie konnten sich ausdrücken, sich Gedanken machen, sie konnten sich beziehen auf Literatur und Geschichte, die Gesellschaftskritik, aber in einer sehr verklausulierten, versteckten Form. Wir müssen erstmal lernen, diese Bilder zu entschlüsseln, diese kryptischen Anspielungen zu verstehen."

    Peter Ludwigs Sammlung gibt Einblicke in eine Vielzahl von Positionen, Stilen, Vorlieben und Haltungen der DDR-Künstler jener Jahre. Und sie ermöglicht eine Diagnose: Lange bevor die Grenze bröckelte, hatten die Künstler im Kunstkombinat DDR den Generalstreik insgeheim angekündigt.