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Malerei und Fotografie auf Augenhöhe

Ein Degas neben Malerei von Ottilie Röderstein, Schwarz-Weiß-Fotografien inmitten farbenprächtiger Malerei - der Kurator Felix Krämer hat die ständige Ausstellung im Frankfurter Städel Museum völlig neu inszeniert.

Von Christian Gampert |
    Soviel ist sicher: diese Hängung wird Furore machen. Die Räume des für 18 Millionen Euro sanierten Städel-Altbaus erstrahlen in unterschiedlichen, signalgebenden Farben, und der für das 19.Jahrhundert und die Moderne verantwortliche Sammlungskurator Felix Krämer hat in seiner Neu-Inszenierung der ständigen Ausstellung gleich mehrere ostentative Stilbrüche begangen, die unsere etablierten Sehgewohnheiten in Frage stellen.

    Er beginnt, wir sind in Frankfurt, mit dem großen Sohn der Stadt, mit Tischbeins "Goethe in der römischen Campagna" von 1787. Aber Krämer hängt dann nicht nur die deutsche Antikensehnsucht des 19.Jahrhunderts daneben, sondern Delacroix und Corot. Die Kunst war schon damals internationalisiert – das ist die These. Andreas Achenbach malt einen Seesturm vor der norwegischen Küste, der Norweger Johan Christian Dahl den Ausbruch des Vesuv. Das Motiv wird später in einer virtuosen Fotografie von Giorgio Sommer wieder auftauchen. Krämer präsentiert nordische Landschaften und Delacroix' Arabien, Courbets "Die Woge" und die christliche Italienseligkeit der Nazarener. Und er stellt nicht nur die Einteilung in Schulen und Nationen, sondern auch die übliche Maler-Hierarchie in Frage.

    "Ein weiterer ganz entscheidender Ansatzpunkt bei der Neupräsentation ist das Nachdenken über Kanon. Also welche Künstler kennen wir heute warum, und warum sind andere Künstler vollkommen aus der Öffentlichkeit, aus unserem Gedächtnis verschwunden?"

    Ja, warum? Wegen politischer Umbrüche und veränderter Geschmacksnerven zumeist. So kommt es, dass neben Degas die völlig unbekannte Ottilie Röderstein hängt, als Platzhalterin der benachteiligten Frauen des 19.Jahrhunderts. Caspar David Friedrich wird von Anton Zwengauer flankiert, der zwar auch sehr schöne Sonnenuntergänge malt, aber leider holdselige Rehe ins Gegenlicht stellt. Manchmal treibt es Felix Krämer etwas zu bunt: was "Der Seidenpinscher Puss" des Frankfurter Lokalmatadors Victor Müller in der Schau verloren hat, bleibt unerfindlich. Aber irgendjemand muss den ja mal gekauft haben – die Städel-Sammlung zur Moderne umfasst 1200 Werke, da sind dann auch Schoßhündchen dabei.
    Aber muss man die ins Schaufenster stellen? Krämer zeigt gerne Unbekanntes.

    "Für jedes Bild, das ich aus dem Depot hole, muss ein anderes ins Depot weichen. Daran kann ich nichts ändern, ich habe nur einen bestimmten Platz zur Verfügung für eine Hängung. Ich kann aber so reagieren, und so reagiere ich auch, dass ich nicht von einer Dauerausstellung spreche, sondern sehr bewusst von einer Sammlungspräsentation, die sich aber in Bewegung befindet."

    So, wie die Sammlung sich jetzt darbietet, werden zumindest unerwartete Querverbindungen geschaffen: bei den Symbolisten findet sich etwa ein Bild von Max Liebermann, den man dort nicht unbedingt erwartet, aber "Simson und Delila" von 1902 kann man symbolistisch verstehen. Es gibt einen ganzen, großartigen Saal zu Max Beckmann und einen ebensolchen zur "Brücke". Aktuelle Neuerwerbungen wie Vallottons "Blonder Akt", der schon auf die Pop-Art verweist, stehen neben Wiederentdeckungen wie Jean-Léon Gérômes heiligem Hieronymus, der in der Nazizeit im Depot verschüttging, und einem relativ groben Kirchner-Akt, der erst kürzlich als echt zertifiziert wurde. Obwohl, nach den jüngsten Kunstfälscher-Prozessen sollte man da vorsichtig sein.

    Felix Krämers größte Tat aber ist die gleichberechtigte Präsentation der Fotografie neben der Malerei. Er kann das machen, weil das Städel Museum jetzt über die exzellente Sammlung des früheren FAZ-Journalisten Wilfried Wiegand verfügt, die die Frühphase des Mediums in vorzüglichen Beispielen erzählt. Wenn nun eine Architekturfotografie von Édouard Baldus inmitten farbenprächtiger Malerei hängt, dann ist das Schwarzweiß-Medium durchaus im Nachteil. Es liegt aber an uns zu erkennen: auch das ist 19.Jahrhundert, zumal von Roger Fenton bis Julia Cameron auch Fotografen des viktorianischen Zeitalters gezeigt werden.

    Felix Krämer versteht seine Schau als Diskussionsangebot: der Zuschauer ist gefordert, er muss selbst die Verbindungen herstellen. Das geht nur mit Gelassenheit, und die soll bei den Frankfurtern ja mehr zu Hause sein als anderswo.

    Die Sammlung "Kunst der Moderne" im Städel Museum Frankfurt