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Mali
Eine Präsidentschaftswahl und ihre Risiken

Terror, Stammeskonflikte, eine Armee mit Mängeln – die Sicherheitslage in Mali hat sich eher verschärft als verbessert. Am Sonntag wählt das Land einen neuen Präsidenten. Wie leben die Bürger in einem Staat, der ihnen wenig bietet? Und würde eine Abwahl des Amtsinhabers Ibrahim Boubacar Keita etwas ändern?

Von Jens Borchers |
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    Alles mit dem Geld der Migranten finanziert: renovierte Moschee, Gemeindehaus (Deutschlandradio / Jens Borchers)
    Ankunft in Bandiogoula, etwa 600 Kilometer westlich der malischen Hauptstadt Bamako. Hierher führt keine Straße. Nach Bandiogoula kommt man nur über Sandpisten, quer durch die Savannen-Landschaft. Das Dorf hat etwa 8.000 Einwohner, sagt der Dorf-Älteste Salomou Traoré, als wir uns zur Begrüßung im Hof seines Hauses niederlassen.
    Links und rechts neben diesem gelb gestrichenen Haus stehen traditionelle Lehmhütten. Salomou Traoré, der Dorf-Älteste von Bandiogoula, hat ein Haus aus Stein gebaut. Gut ausgestattet, gepflegt, fast wohlhabend wirkt es. Traoré hat es mit dem Geld gebaut, das er in Frankreich verdient hat:
    "Ich war 19, als ich weggegangen bin. Und ich war 43 Jahre in Frankreich, weil es hier im Dorf so viele Probleme gab."
    Das war in den 1960er-Jahren. Keine Schule im Dorf, kaum Arbeit, wenig Chancen Geld zu verdienen. Also ging Salomou Traoré nach Frankreich.
    Am nächsten Tag treffe ich den jungen Moussa im Dorf: 23 Jahre alt, er hat die Schule abgeschlossen, hat aber kein Geld, um in einer großen Stadt zu studieren. Er träumt von der Migration nach Europa:
    "Ich könnte nach Marokko gehen und dann versuchen, auf eines der Boote zu kommen, die übers Meer nach Europa fahren. Aber viele Boote gehen unter, mir ist das zu gefährlich. Ich kann es mit einem Visum versuchen. Aber das ist schwierig."
    Vom Staat erwartet in Bandiogoula niemand etwas
    Moussa weiß, dass Visa kaum zu bekommen sind. Er weiß auch, dass er eventuell einen Asyl-Antrag stellen könnte – aber auch da stehen die Erfolgschancen schlecht. Also bleibt er in Bandiogoula. Nur: Eine Idee, was hier aus ihm werden soll, die hat er nicht.
    Dabei hat sich einiges verbessert im Dorf. Und jeder hier sagt: Diese Fortschritte hätte es ohne die Migration nie gegeben. Denn Migranten aus Bandiogoula überweisen nicht nur Geld an ihre eigenen Familien. Sie haben sich obendrein zusammengeschlossen und investieren in die Infrastruktur von Bandiogoula: Zwei Schulen sind so entstanden, ein Wasserturm, die Moschee wurde renoviert und eine Gesundheitsstation gebaut.
    Im Dorf angekommen, werde ich zu einer feierlichen Eröffnungszeremonie eingeladen. In der kleinen Gesundheitsstation ist jetzt ein Zimmer für Geburten eingerichtet worden. Und das wird jetzt eingeweiht:
    Das ganze Dorf kommt dafür zusammen, es werden Reden gehalten, es wird getanzt. Die Dorfbewohner sind stolz. Es sind ihre Familienangehörigen, die in Europa schuften und das Geld für solche Investitionen nach Hause schicken. Salomou Traoré, der Dorf-Älteste, betont das gleich ein paar Mal:
    "Alles, was es in unserem Dorf gibt, haben wir selbst aufgebaut. Der malische Staat hat hier nichts gemacht."
    Es gibt keinen Strom, kein fließendes Wasser. Aber immerhin hat das Dorf jetzt zwei Schulen, einen Wasserturm und eine Gesundheitsstation. Das ist mehr als viele andere Dörfer vorweisen können. Dennoch lebt der Traum von der Migration weiter. Warum? Ein alter Herr, auch er hat lange Jahre in Europa gearbeitet, beantwortet die Frage so:
    "Wir haben doch keine Wahl. Wir leben von der Diaspora. Wenn es hier mal wieder nicht regnet, so wie im vergangenen Jahr, als es keinen Tropfen Wasser gab, dann leben wir vom Geld der Migranten in Frankreich, in den USA, in Spanien oder in Deutschland."
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    Traoré Salomou, Dorfältester im malischen Bandiogoula (Deutschlandradio)
    Die jungen Leute im Dorf sehen keine Zukunft in der Landwirtschaft, die wegen des Wassermangels und wegen des extremen Klimas schon immer schwierig war. Der Viehhandel bringe auch nicht genug ein, sagen sie. Moussa, der junge Mann, der davon träumt nach Frankreich zu gehen, sagt über seine Zukunft hier im Dorf:
    "Die Zukunft?", Moussa zuckt mit den Schultern, "Ich weiß nicht, wie die sein wird. Ich habe niemanden in Frankreich, in Europa."
    Aber er träumt weiter von einem Visum für Europa. Von einer Zukunft als Migrant, als einer, der es schafft, im Ausland Geld zu verdienen, damit es seiner Familie im Dorf Bandiogoula, in Mali, besser geht.
    Niemand hier erwartet, dass der malische Staat, dass die Regierung etwas für die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der Region unternimmt. Oder dass die anstehende Präsidentschaftswahl Ende Juli etwas entscheidend verändern könnte. Wahlkampf? Das beschäftigt in Bandiogoula kaum jemanden.
    Wir fahren zurück in die Hauptstadt Bamako. Durch Dörfer, die deutlich ärmer dran sind als Bandiogoula mit all seinen Migranten, die Geld nach Hause schicken. Durch Dorf-Gassen und über Dorf-Plätze, zugemüllt mit Abfällen, Verpackungen und Plastiktüten. Vorbei an Ziegenherden und mageren Rindern. Vorbei an sandfarbenen Lehmhütten und halbfertigen Ziegelbauten. Aus dem Radio schallt die Musik der malischen Band Bogoly.
    Die Nationalstraße nach Bamako ist streckenweise in einem abenteuerlichen Zustand. Tiefe Schlaglöcher lauern massenweise, manchmal hilft nur ein Ausweichmanöver in die Savanne. Die Lastwagen kommen auf dieser Straße nur mühsam voran. Erst kurz vor Bamako erreichen wir einen neu asphaltierten Streckenabschnitt. Er soll noch kurz vor der Wahl offiziell eingeweiht werden.
    Opposition übt vor allem Kritik an Präsident Keita
    Denn in Bamako wird schon Wahlkampf gemacht. Und wie: Soumaila Cissé, Chef der Opposition im malischen Parlament, schaffte es bereits im Mai, etwa 40.000 Menschen ins große Fußballstadion der Hauptstadt zu locken.
    Vuvuzelas dröhnen, Sirenen heulen – Soumaila Cissé wird empfangen wie ein Triumphator. Der 68-Jährige hatte die Wahlen vor fünf Jahren verloren. Er sagt, weil die Stimmenauszählung damals manipuliert wurde. Und Cissé mahnt schon jetzt, diesmal wachsam zu sein:
    "Wir passen auf: Keine Tricksereien, keine Betrügereien wie 2013 – wir werden das nicht mehr hinnehmen. Ihr werdet so etwas nicht akzeptieren. Euer Sieg ist euer Sieg. Euer Kampf, eure Anwesenheit hier – das ist für euren Sieg. Und diesen Sieg werdet ihr haben. Ihr werdet ihn haben, dass garantiere ich euch!"
    Soumaila Cissé ist ein für Mali sehr typischer Politik-Profi: Er hat in Frankreich studiert, arbeitete in großen Konzernen und hat vor allem ein Ziel: Präsident von Mali zu werden. Beim Interview auf der Terrasse eines Luxushotels in Bamako treffe ich auf einen Profi im strahlend weißen Boubou, dem weit geschnittenen, traditionellen Männer-Gewand Westafrikas: umgänglich, wortgewandt, immer fokussiert auf die Schwächen des politischen Gegners. Seine eigenen Vorstellungen für Mali bleiben dagegen extrem vage:
    "Wichtig ist eine Botschaft der Hoffnung", antwortet Soumaila Cissé auf die Frage nach seiner politischen Grundlinie. Hoffnung auf nationale Einheit, auf Entwicklung, auf Frieden. Und Hoffnung für die jungen Menschen in Mali. Sehr viel konkreter wird es nicht in den folgenden 35 Minuten Interview.
    Im Norden und Nordosten von Mali dominieren seit Jahren Terroranschläge, Überfälle und religiöser Extremismus das Leben der Menschen. Im Zentrum des Landes bringen sich Ackerbauern und nomadisierende Viehhirten gegenseitig um. Extremisten und Dschihadisten versuchen nach Kräften, diesen Konflikt um Weideland und Wasser für sich zu nutzen. Was würde Soumaila Cissé tun, um dieser immer schneller anschwellenden Gewaltwelle zu begegnen:
    "Ich habe dem Präsidenten deswegen geschrieben. Ich habe ihm mitgeteilt, dass wir Informationen brauchen und Vorschläge für eine Lösung dieser Krise austauschen sollten. Der Dialog muss sehr schnell ins Zentrum des Problems gestellt werden."
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    Der malische Oppositionskandidat Soumaila Cissé im Interview mit Korrespondent Jens Borchers (Deutschlandradio)
    "Dialog", "Konsens" oder "Annäherung" – solche Begriffe tauchen häufig in Soumaila Cissés Antworten auf. Konkrete Vorschläge, wie der Friedensprozess innerhalb Malis vorangebracht oder die Wirtschaft in Schwung gebracht werden könnte, fehlen indes. Die Opposition konzentriert sich darauf, den amtierenden Präsidenten Ibrahim Boubakar Keita für die fatale Sicherheitslage verantwortlich zu machen.
    Gelegenheit dazu gibt es reichlich. Ende Juni greifen Attentäter das Hauptquartier der Anti-Terrortruppe G5 Sahel in Sevaré an. Zu den Mitgliedern der G5 Sahel gehören neben Mali die Staaten Mauretanien, Niger, Tschad und Burkina Faso. Denn sie alle leiden mittlerweile unter den Terrorangriffen extremistischer Gruppen. Viele dieser Angreifer kommen aus Mali. Und die G5-Staaten haben – weitgehend finanziert von der internationalen Gemeinschaft – etwa 5.000 Soldaten zusammengezogen, um die Extremisten zu jagen.
    Diese Gemeinschaftstruppe ist noch im Aufbau, ebenso wie das Hauptquartier in der Stadt Sevaré. Am 29. Juni detoniert ein mit Sprengstoff beladener Wagen vor dieser Kommandozentrale. Drei Menschen sterben. Und Malis Präsident Ibrahim Boubakar Keita muss wieder einmal zum Schauplatz eines Terroranschlags eilen und versuchen dennoch Zuversicht zu verbreiten:
    "Ich denke, sie sehen hier keinen geschwächten oder resignierten Präsidenten. Keineswegs! Ich musste hierher kommen, um unseren Soldaten zu sagen, dass wir stolz auf ihre Mission sind. Stolz darauf, dass sie die Sahel-Region, unser Staatsgebiet und unsere Werte verteidigen."
    Sicherheitsprobleme längst auch im Zentrum Malis
    Fünf Jahre hatte Präsident Keita Zeit, um Lösungen für die massiven Sicherheitsprobleme zu finden. Das Land scheint allerdings weit davon entfernt. Die Sicherheitslage hat sich nicht verbessert. Sie ist schlechter geworden. Vor fünf Jahren hatte die französische Armee verhindert, dass Extremisten und Dschihadisten weite Teil Nord-Malis komplett unter ihre Kontrolle bekamen. Frankreich ist nach wie vor mit etwa 4.000 Soldaten in der Sahel-Region präsent, um Terroristen zu jagen. Die Vereinten Nationen entsandten eine Stabilisierungsmission nach Mali, die MINUSMA. Diese Truppe sollte unter anderem die Bevölkerung schützen. Aber die Blauhelme sind nicht zuletzt mit ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt.
    Das ist ein Problem der Stabilisierungsmission MINUSMA in Mali. Das andere ist ihr schlechter Ruf: Viele Malier sagen, MINUSMA sei nicht in der Lage gewesen, die Sicherheit im Land zu erhöhen. 2013, zu Beginn des Einsatzes, hatte sich alles auf die Situation im Norden von Mali konzentriert: Stammesfehden, Rebellen, Dschihadisten und Kriminelle hatten dort dafür gesorgt, dass der malische Staat weitgehend verschwand: Die Schulen waren geschlossen, Beamte und Soldaten geflohen.
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    "Straße" nach Bamako (Deutschlandradio / Jens Borchers)
    Mittlerweile aber haben die Sicherheitsprobleme längst auch das Zentrum Malis erreicht. Dort stecken Ackerbauern und nomadische Viehzüchter in einem Konflikt, der sich in den vergangenen drei Jahren dramatisch zugespitzt hat. In den Dörfern um die Regionalstadt Mopti leben die Menschen in beständiger Angst. Wenn einmal MINUSMA-Soldaten auf Patrouille zu ihnen kommen, dann schildern sie ihnen ihre Lage so:
    "Alle sind beunruhigt. Wir wissen nicht mehr, wo wir noch ohne Risiko hingehen können. Manchmal hören wir, die Angreifer sind hier, manchmal heißt es, sie sind auf der anderen Seite. Und wir haben hier lange keine Soldaten der malischen Armee gesehen, die für Sicherheit gesorgt hätten."
    Malische Armee weiß nicht, wie viele Soldaten sie hat
    Extremisten und Dschihadisten nutzen lokale Konflikte. Sie heizen sie an, indem sie Waffen und Schutz anbieten. Junge, oft arbeitslose Männer heuern bei ihnen an oder sie werden gezwungen Extremisten zu unterstützen. Der malische Staat ist weitgehend unsichtbar, und dieses Vakuum wollen die Dschihadisten ausweiten. Die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen, die MINUSMA, kann dem nicht genug entgegensetzen. Mehr als 12.000 Blauhelm-Soldaten und fast 1.800 Polizisten gehören zur MINUSMA. Das klingt gewaltig, ist aber nicht viel in einem Land, das dreieinhalb Mal so groß ist wie Deutschland.
    Und dann wäre da noch die malische Armee. Seit 2013 versuchen internationale Ausbilder und Berater, die malischen Streitkräfte auf Vordermann zu bringen. Mehr als 550 Soldaten aus 27 Staaten sind dafür in Mali. Allein für die vergangenen zwei Jahre hatte diese Ausbildungsmission ein Budget von fast 40 Millionen Euro. Für Malis Präsidenten Ibrahim Boubakar Keita ist das eine Erfolgsgeschichte:
    "Eines ist sicher: Unsere Armee hat sich wieder aufgerappelt."
    Die Ausbildungsmission der Europäischen Union ist in einem ehemaligen Hotel in Bamako untergebracht. Das Gebäude wird schwer bewacht. Und dennoch hat es bereits einen Anschlagsversuch auf dieses Hauptquartier gegeben. Oberst Marco Eggert ist Stabschef der Mission. Der Bundeswehroffizier sagt, die Erfahrungen mit der Ausbildung seien grundsätzlich positiv. Aber er verschweigt nicht, an welchen wichtigen Punkten es hakt. Das geht los bei der Frage, wie viele Soldaten die malische Armee überhaupt hat.
    "Es gibt Zahlen von circa 15.000 bis hin zu circa 30.000. Die Malier können es selbst nicht genau sagen, und das ist ein Kernproblem."
    Unterschlagungsvorwürfe gegen die Armee
    Ein Kernproblem, das Planung und Ausbildung erschwert. Und es berührt einen zentralen Punkt der Vereinbarungen zwischen malischer Regierung und den Europäern. Mali hatte versprochen, eine grundlegende Strukturreform der Armee und der Sicherheitskräfte in Gang zu setzen. Passiert ist bislang nicht viel. Für die Ausbildungsmission EUTM ist das ein Dauerthema, sagt Oberst Marco Eggert:
    "Ein Kernthema seitens der EUTM ist es, ein Personalwirtschaftssystem in den malischen Streitkräften einzuführen. Eben damit es besser gelingt, nicht nur einen Überblick über das eigene Personal zu bekommen, sondern natürlich auch festzustellen: Welche Ausbildung hat denn der- oder diejenige durchlaufen, für was ist er qualifiziert, was muss als Nächstes laufen und oder wo war oder wo wird er denn eingesetzt? Das ist zurzeit nicht möglich. Und gleiches geht damit natürlich auch einher – Bezahlung. Wo gehen welche Gelder hin?"
    "Wo gehen welche Gelder hin?" Diese Frage stellt sich keineswegs nur für die Ausbildungsmission der Europäischen Union. Korruption und Misswirtschaft sind ein Dauerthema der malischen Politik. Präsident Ibrahim Boubacar Keita hatte zu Beginn seiner Amtszeit versprochen, massiv gegen Bestechung, Bestechlichkeit und Vetternwirtschaft vorgehen zu wollen. Tatsächlich aber gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Korruptionsaffären. Die hat ein Mann besonders laut angeprangert, der sich nicht als Politiker versteht, der aber die malische Politik ordentlich aufgemischt hat.
    Ras Bath nennt er sich, wir treffen ihn in einem winzigen Büro, das er in einem Jugendzentrum in Bamako hat. Der 45-Jährige ist vor allem bei jungen Leuten beliebt. Er hat Radioshows moderiert. Eine davon – "Karten auf den Tisch", heißt sie – wurde berühmt für einen sehr unverblümten Umgang mit den Mächtigen in Mali. Ras Bath hat Korruptionsfälle dokumentiert und er klagt darüber, wie wenig Präsident Keita und seine Regierung dagegen unternommen haben.
    Der Moderator und Aktivist Ras Bath (2.v.r.) nimmt am 30.6.2018 an einem Schweigemarsch in Bamako, der Hauptstadt Malis, teil.
    Der Moderator und Aktivist Ras Bath (r.) bei einem Schweigemarsch in Malis Hauptstadt Bamako (imago / Le Pictorium)
    Ras Bath hat einen Riesenwirbel ausgelöst, als er öffentlich machte, dass bei der Armee Geld unterschlagen werde. In einem Land, in dem die Soldaten schlecht ausgerüstet und miserabel bezahlt gegen Extremisten kämpfen müssen, sorgte diese Nachricht für böses Blut. Viele junge Menschen sehen in Ras Bath deshalb einen Anführer. Jemanden, der die etablierte Polit-Elite zur Verantwortung ziehen will. Und er gefällt sich offensichtlich in dieser Rolle. Ras Bath klapperte die Botschaften vieler Geberländer ab, um sie auf die Praktiken in der malischen Politik aufmerksam zu machen.
    "Die internationale Gemeinschaft ist auf dem Laufenden. Sie kennen alle Berichte. Sie wissen, wie viel Geld jeden Tag gestohlen wird. Sie wissen, welche Familienangehörigen mit lukrativen Geschäften bedient werden. Sie wissen, wie betrogen wird. Offiziell können sie natürlich nichts tun. Das könnte als Einmischung in innere Angelegenheiten betrachtet werden. Aber inoffiziell können sie Druck ausüben, denn diese Typen haben doch ihre Bankkonten in ihren Staaten."
    Ras Bath selbst möchte nicht in die Politik. Aber jetzt, vor der Präsidentschaftswahl, tritt er gemeinsam mit dem Oppositionsführer Soumaila Cissé auf. Dem Politiker Cissé soll das wohl Sympathien insbesondere bei vielen jungen Wählern verschaffen. Der Aktivist Ras Bath seinerseits hofft anscheinend darauf, bei einem Wahlerfolg Cissés zumindest einen Teil seiner Vorstellungen von Transparenz und Reformen politisch einklagen zu können.
    Ob sich Soumaila Cissé wirklich gegen den amtierenden Präsidenten Keita durchsetzen kann – viele glauben nicht daran. Unter den Vertretern der internationalen Gemeinschaft in der malischen Hauptstadt Bamako scheint das auch gar nicht die entscheidende Frage zu sein. Die Diplomaten treibt aber eine viel akutere Sorge um, dass nämlich die Partei der Präsidenten versuchen könnte, auf Biegen und Brechen einen Sieg Keitas bereits im ersten Wahlgang durchzusetzen. Mit allen erlaubten, aber eventuell auch mit unerlaubten Mitteln wie Stimmenkauf.
    Aktivist warnt vor Frust und Gewalt nach der Wahl
    Natürlich redet darüber niemand offiziell, das verbietet die Diplomatie. Aber einer wie Ras Bath, der spricht das ganz offen an. Er sagt, die Regierung habe kaum etwas dafür getan, dass junge Erstwähler tatsächlich auch an der Wahl teilnehmen können. Sie hätten sich registrieren lassen müssen, um eine Wahlkarte zu bekommen. Viele junge Menschen wissen das gar nicht und könnten im Wahllokal abgewiesen werden. Ras Bath glaubt, das könnte gravierende Folgen haben:
    "Ich habe der internationalen Gemeinschaft gesagt: Hier gibt es Anzeichen für gewalttätige Auseinandersetzungen nach der Wahl. Denn die Masse der Bevölkerung hofft darauf, dass diese Wahl für sie eine Veränderung bringt: Besserer Zugang zu Wasser, zu Nahrung, mehr Sicherheit. Wenn sie sich von dieser Wahl ausgeschlossen fühlt, dann werden sie die Ergebnisse nicht akzeptieren wollen. Selbst wenn das Wahlergebnis korrekt sein sollte – wer sich ausgeschlossen fühlt, wird den Eindruck haben, ihm sei die Wahl gestohlen worden. Gewalttätigkeiten nach Wahlen waren überall auf der Welt das Ergebnis des Gefühls, ausgeschlossen, betrogen und bestohlen worden zu sein."
    Das sind düstere Voraussagen. Aber innerhalb der Gemeinschaft der Auslandsvertretungen in Bamako werden sie keineswegs einfach beiseite gewischt. Das Problem ist eher, dass keiner so recht weiß, was zu tun ist.