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Malta
Europas letzte Kolonie

Malta ist in vielerlei Hinsicht ein Kuriosum: der kleinste Staat der Europäischen Union, das katholischste Land Europas, das einzige Land, in dem eine eigenständige arabisch-semitische Sprache gesprochen wird. 50 Jahre nach der Unabhängigkeit ist Malta aber vor allem ein Land im Umbruch.

Von Tilmann Kleinjung |
    Malta: Blick auf die Hauptstadt Valletta mit der St. Paul's Kathedrale (Aufnahme vom 27.3.2004).
    Malta: Blick auf die Hauptstadt Valletta ( dpa / Lehtikuva Wennström)
    Der Queen war diese Reise vermutlich zu beschwerlich. Und der Anlass zu unbedeutend. Als am 21. September 1964 die kleine britische Kronkolonie Malta in die Unabhängigkeit entlassen wurde, schickte Elisabeth Prinzgemahl Philip auf die Mittelmeerinsel.
    Prinz Philip versuchte, mit einem Scherz die feierliche Zeremonie aufzulockern. "Ich nehme nicht an, dass Sie es sich anders überlegt haben", soll er zum ersten unabhängigen Ministerpräsidenten Maltas gesagt haben. So abwegig war diese Frage gar nicht, denn viele Malteser hatten starke Bauchschmerzen bei der Aussicht, von einem auf den anderen Tag allein da zu stehen. Der Journalist Laurence Grech war damals 16 Jahre alt.
    "Wir haben uns natürlich Sorgen um unsere Zukunft gemacht. 11.000 Menschen waren damals in britischen Diensten. Unsere Währung war an das Pfund gebunden. Das waren in etwa dieselben Argumente wie heute in Schottland."
    Von Großbritannien geprägt
    164 Jahre britische Herrschaft haben ihre Spuren hinterlassen. Die berühmten roten Telefonhäuschen wurden erst vor Kurzem von Mobiltelefonen überflüssig gemacht. Es gilt Linksverkehr auf der Insel. Am stärksten jedoch prägt die Sprache. Großbritannien unternahm alles, um Malta zu anglisieren, englisch zu machen, sagt der Historiker Henry Frendo.
    "Das war eine Frage des Lebensunterhalts. Wenn man nicht wohlhabend war oder aus einer Mittelschichtfamilie kam oder als Anwalt arbeitete, musste man Englisch sprechen. Ich bin auf eine katholische Schule gegangen, da war Englisch die erste Sprache, die wir lernten. Vor allen anderen, auch Maltesisch."
    Als ursprünglich arabischer Dialekt ist Maltesisch oder "Malti" die einzige semitische Sprache in Europa. Weltweit die einzige semitische Sprache, die lateinische Buchstaben verwendet und jede Menge Lehnwörter aus dem Englischen und Italienischen. Wenn Journalist Laurence Grech eine Bilanz von 50 Jahren Unabhängigkeit in seiner Muttersprache ziehen muss, dann klingt das so:
    "Die Unabhängigkeit hat uns gutgetan. Wir wurden zu einem der am besten entwickelten Länder in Europa, zu einem Mitglied in der EU. Alles in allem sind wir ein reiches Land. Und wir sind sehr stolz auf das, was wir in 50 Jahren Unabhängigkeit erreicht haben."
    Raubbau an der Natur
    50 Jahre nach der Unabhängigkeit ist Malta vor allem ein Land im Umbruch. Aus dem einstmals konservativ-katholischen Bollwerk im Mittelmeer ist ein Staat geworden mit einem der liberalsten Partnerschafts-Gesetze in der EU. Homosexuelle Paare haben hier Adoptionsrecht. Am meisten Sorgen machen sich die Malteser um die Umwelt. Denn den jahrzehntelangen Raubbau an der Natur bekommen sie am eigenen Leib zu spüren, sagt die Umweltschützerin Astrid Vella.
    "Eines von drei maltesischen Kindern leidet an Asthma. Das ist empörend! Und die Hauptgründe für Asthma sind Baustellen und Verkehr, also Schadstoffemissionen. Aber dagegen wird nichts unternommen."
    Die Baustellen und der Verkehr. Beides bedingt sich gegenseitig. Und beides hängt auch mit der Unabhängigkeit dieses Landes zusammen. Vor 50 Jahren hat Malta Zuwanderer, vor allem Rentner mit billigen Steuersätzen ins Land gelockt. Außerdem sind viele Malteser, die in den Jahrzehnten zuvor massenhaft nach Australien und Kanada ausgewandert waren, nach Malta zurückgekehrt. Die Folge ein beispielloser Bauboom und noch ein Rekord: Durchschnittlich sind in Europa sieben Prozent der Fläche bebaut, in Malta sind es 27 Prozent.