Die Erfahrung von Isolation unter Corona-Bedingungen verbinde die Menschen von heute mit Beethoven, der unter seiner Isolation aufgrund von Schwerhörigkeit und letztlich Taubheit litt - das meint Malte Boecker, Direktor des Bonner Beethoven-Hauses im Jubiläumsjahr. Zum 250. Geburtstag des Komponisten können rund 90 Prozent der geplanten Veranstaltungen stattfinden, weil sie "inhaltlich angepasst" oder einfach terminlich nach hinten geschoben worden seien, erklärt der Kulturmanager.
Bonn gehört zu Beethoven
"Das Jubiläumsjahr nimmt jetzt gerade wieder richtig Fahrt auf", so Boecker. Auf die Frage, ob Wien oder Bonn näher an Beethoven ist, sagt der Beethoven-Experte: "In Bonn machen wir überhaupt nicht den Versuch, Wien da irgendwas streitig zu machen. Das Einzige, worauf wir mit diesem Jubiläumsjahr und unseren Feierlichkeiten hinweisen wollen, ist, dass eben Bonn zu Beethoven genauso gehört wie Wien. Beethoven hat 56 Jahre gelebt, und das erste Lebensdrittel tatsächlich in Bonn verbracht. Das sind prägende Jahre gewesen."
Ludwig van Beethoven wurde 1770 in Bonn geboren. Insbesondere im Beethoven-Haus können der Besucher und die Besucherin eine "Zeitreise tatsächlich in diese Beethoven-Epoche machen". Gewissermaßen Stationen seines Lebens zum Anfassen seien unter anderem das ehemalige Kurfürstliche Schloss, in dem heute die Bonner Universität ist. "Hier geht es um den jungen Beethoven, der eben zu einem der führenden Musiker seiner Zeit aufwächst."
Multiperspektivische Annäherung
Im 19. Jahrhundert habe man den Heros in ihm gesehen und ihn im 20. Jahrhundert vom Sockel geholt. "Und ich glaube, der heutige Umgang mit Beethoven ist ein ganz anderer. Das ist nämlich der, der ganz viele Facetten auf eine schillernde Gestalt ermöglicht. Also ich spreche gern von einer multiperspektivischen Annäherung." Boecker wolle "sehr unterschiedliche Zugänge eröffnen".
Malte Boecker gibt zu: "Obwohl ich mich ja mit Beethoven beruflich beschäftige, kann ich noch immer nicht behaupten, Beethovens Werke in Gänze zu kennen. Und dass man vermeintlich den Eindruck hat, man kenne Beethoven, ist eben ein Trugschluss im Kanon der immer gespielten Werke."
Über die Aufführung der sämtlichen Kammermusik Anfang des Jahres sagt Boecker: "Also, das ist die eine Entdeckung. Beethoven hat vielmehr geschrieben als nur irgendwie eine 'Eroica' und eine Neunte Sinfonie. Die andere Entdeckung ist, dass Beethoven sich in sehr starkem Maße mit der Politik seiner Zeit auseinandergesetzt hat, und sein Werk eigentlich ein Spiegel ist dieses Epoche machenden Wandels vom Feudalismus über die französische Revolution hin zu einer bürgerlichen, emanzipierten Gesellschaft. Und das finde ich spannend."
Josephine, die unsterbliche Geliebte
Zur "Fernen Geliebten" Beethovens sagte Boecker: "Es ist eben das Thema, das unheimlich viele Menschen bewegt. Und es gibt einen berühmten Brief, den Beethoven wohl nicht abgeschickt hat, weil man ihn im Nachlass gefunden hat, an die unsterbliche Geliebte. Und es gibt eine Komposition an die ferne Geliebte, dass ist eine ganz berühmte Komposition, ein Liederkreis. Die beiden Sachen haben eigentlich erst mal nicht so viel miteinander zu tun auf jeden Fall. Die Kernfrage geht darum, wer van Beethovens unsterbliche Geliebte war. Neue Beweise gibt es nicht. Aber wenn man die Literatur aufmerksam liest, setzt sich das Bild zusammen, und immer mehr Wissenschaftler vertreten auch diese These, dass eine Josephine von Stackelberg (geb. Brunswick) diese unsterbliche Geliebte gewesen sein könnte und viel dafür spricht, dass sie das war."