Friedbert Meurer: Der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar, jetzt der Einsturz des Kölner Stadtarchivs letzte Woche, jedes Mal gehen und gingen Kulturschätze unwiederbringlich für alle Zeiten verloren. Für diesen Fall gibt es im Schwarzwald einen Bunkerstollen, der Mitte der 70er-Jahre eingerichtet worden ist. In diesem Barbara-Stollen bei Freiburg werden zwar nicht die Original-Schriftstücke aus dem Mittelalter oder der Neuzeit aufbewahrt, aber die Mikrofilme von ihnen. Einiges, aber bei Weitem nicht alles aus Köln, wird hier als digitale Reserve gelagert.
Der Schriftsteller Frank Schätzing ist international berühmt geworden mit seinem Buch "Der Schwarm", in dem er vor einer Katastrophe in den Meeren warnt. Frank Schätzing wohnt seit Langem in der Kölner Südstadt, ist gebürtiger Kölner. Das Stadtarchiv war ihm wohl vertraut. Guten Morgen, Herr Schätzing.
Frank Schätzing: Guten Morgen!
Meurer: Haben Sie am letzten Dienstag sofort mitbekommen, was da bei Ihnen um die Ecke in der Severinstraße passiert ist?
Schätzing: Erst mal nicht. Ich war in meinem Büro in der Innenstadt und arbeitete. Meine Frau rief an und sagte, wenn du heute Abend nach Hause kommst, dann fahr einen anderen Weg, weil irgendwas in Köln ist zusammengestürzt. Dann habe ich mal kurz aus dem Fenster gesehen. Ich kann die Domspitzen sehen; die waren noch da. Da war ich erst mal beruhigt und bin halt einen anderen Weg gefahren. Abends in den Nachrichten habe ich dann gehört, was passiert ist.
Meurer: Als Sie das dann mit dem Stadtarchiv gehört haben, was haben Sie dann gedacht? Beruhigt waren Sie dann ja nicht mehr.
Schätzing: Nein, beruhigt keineswegs. Da drängen sich eine Menge Assoziationen auf. Das beginnt ja damit, dass ich in den 90ern, Anfang der 90er dort selbst viel Zeit verbracht habe. Ich habe ja mal einen Mittelalterkrimi geschrieben und habe dafür viel recherchiert und das habe ich dort getan.
Meurer: Das war "Tod und Teufel", ein Roman rund um den Bau des Kölner Doms.
Schätzing: Richtig, genau. Im Stadtarchiv lagerten eine ganze Menge Unterlagen über das 13. Jahrhundert. Die waren dort sehr freundlich. Ich habe dort tagelang gesessen und kenne die Räume deswegen ganz gut und auch, was dort natürlich alles lagert. - Die zweite Assoziation ist natürlich dann erst mal, waren da Menschen drin, und die dritte: Mein Gott, das ist das Gedächtnis der Stadt.
Meurer: In welchen Urkunden haben Sie denn damals so geblättert, als Sie "Tod und Teufel" recherchiert haben?
Schätzing: Ich kann Ihnen das jetzt namentlich nicht mehr genau belegen, aber es waren vor allen Dingen Schreinsbücher. Es ging ja darum, einen Stadtplan der Stadt Köln zu rekonstruieren. Der erste geschlossene Stadtplan von Köln ist ja der Merkator-Plan. Der datiert aber von 1531 und ich brauchte einen aus dem 13. Jahrhundert. Das schafft man nur, wenn man sich diese ganzen vereinzelten Unterlagen, also die Eintragungen, wer in welcher Straße welchen Hof hatte und wo jetzt was lag, welche Kirche wo lag, zusammenpuzzelt. Insofern habe ich dort viel Material gewälzt und da war auch eine Menge da.
Meurer: Wie viel geht der Stadt jetzt verloren mit dem Untergang ihres Stadtarchivs?
Schätzing: Der Stadt geht, zumindest was belegbare Unterlagen angeht, denke ich, durchaus auch 2000 Jahre Geschichte verloren. Es gibt natürlich Schwerpunkte, es gibt Schwerpunkte aus der jüngeren Geschichte. Da ist ja auch der ganze Nachlass von Adenauer oder Böll gelagert gewesen, aber natürlich auch das komplette Mittelalter. Man darf ja nicht vergessen: Köln war im Mittelalter eine der bedeutendsten Handels-, Wirtschafts- und auch Glaubensstädte Europas. Und wenn wir noch weiter zurückgehen: Wir sind ja auch eine alte Römerstadt. Also da hat eine Menge gelegen und es ist natürlich fatal.
Meurer: Herr Schätzing, könnten Sie eher heulen, wenn Sie an diese untergegangenen 2000 Jahre denken, oder sind Sie eher wütend?
Schätzing: Bei mir ist das immer so ein bisschen ambivalent. Auf der einen Seite ist einem natürlich zum Heulen, wenn man überlegt, was da alles verloren gegangen ist oder verloren gehen könnte. Wir wissen ja noch nicht genau, was wir alles jetzt retten können, aber es wird mit Sicherheit einiges zerstört sein. Andererseits bin ich nicht so ein retrospektiver Typ. Ich lebe immer sehr stark im Hier und Jetzt und ich denke, man kann Geschichte auch im Kopf behalten oder man kann sie wieder neu aufschreiben. Ich bin auf der anderen Seite stinksauer, denn man muss sich vor Augen halten, dass wir vor – wie lange ist das jetzt her? -, ich glaube, zwei Jahren schon mal so ein Problem mit der Straße hatten, durch den U-Bahnbau bedingt. Da hatten wir diesen schiefen Turm. Da ist ja mal ein Kirchturm etwas gekippt. Spätestens zu dem Zeitpunkt hätte man sich der Sachlage, der Dramatik der Situation bewusst werden müssen, zumindest insofern, dass man diesen Bau von nun an wirklich mit Adleraugen beobachtet.
Meurer: Man hätte die Schätze räumen sollen?
Schätzing: Ja. Man hätte vor allen Dingen eines tun sollen: Man hätte jede Sekunde dieses Baus überwachen sollen, und die KVB hat das nicht gemacht.
Meurer: Das sind die Kölner Verkehrs-Betriebe.
Schätzing: Das sind die Kölner Verkehrs-Betriebe. Und wenn Sie die aktuellen Nachrichten lesen: Der Bau, gerade entlang dieser Gebäude in einem Bereich, wo man den Untergrund nicht so genau kannte, wo auch alles zusammengestoppelt worden ist über die Jahrzehnte, der ist einfach nicht mehr überwacht worden. Da sind die Statiker reingegangen, haben einmal gesagt, ja, das klappt schon. Wie die Kölner immer so sagen: Et hät noch immer jot jejange (Kölscher Dialekt für: "Es ist noch immer gut gegangen", Anm. der Online-Redaktion). Und das war's! Das, was jetzt passiert ist, hätte definitiv meines Erachtens vermieden werden können, zumal wir jetzt eine Kettenreaktion befürchten müssen. Das Gymnasium auf der anderen Straßenseite ist auch schon gefährdet und da muss einiges geräumt werden und das ist unverantwortlich, das geht nicht.
Meurer: Wie erleben Sie denn jetzt die Stimmung in der Kölner Südstadt? Haben die Leute Angst?
Schätzing: Angst vielleicht nicht. Angst haben sie sicherlich in den direkt anliegenden Gebäuden, und das auch zu Recht. Ansonsten herrscht da eher Wut, und die Wut ist ja nicht ganz zu Unrecht, denn das beginnt ja damit, dass dieses ganze Bauvorhaben ohnehin sehr stark infrage gestellt werden muss. Diese U-Bahn ist ja mal vor 20 Jahren budgetiert worden und man muss sich einfach die Frage stellen, ob wir die noch brauchen. Etwas, was vor 20 Jahren mal budgetiert wurde, dann zu bauen, nur weil man das Geld hat, ist ja auch Schwachsinn. Auf der anderen Seite haben wir dieses wunderschöne neue Viertel, wir haben den Rheinauhafen, der sehr gelungen ist. Für das Geld hätte man die Rheinuferstraße untertunneln können und hätte den an die Südstadt anbinden können. Dann hätte man ein großartiges Lebens- und Wohnviertel bekommen. Stattdessen wird diese schwachsinnige U-Bahn gebaut, und das noch nicht mal vernünftig.
Meurer: Sie würden sagen, jetzt Schluss mit dem U-Bahnbau. Aber die vier Kilometer sind ja nun schon gegraben.
Schätzing: Nein, das würde ich nicht sagen. Die U-Bahn, denke ich, sollte jetzt - allerdings dann auch mal wirklich fachkundig -, zu Ende gebaut werden. Das wäre natürlich totale Geldverschwendung, das Ding jetzt mittendrin abzubrechen. Aber danach müssen erstens Köpfe rollen. Das ist ganz klar. Da haben Leute ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Im Anschluss muss man sich sehr genau überlegen, ob man in einer Stadt wie Köln, die aus vielerlei Hinsicht bautechnisch schwierig ist, leichtfertig nur um des Profits willen solche Bauprojekte durchführt.
Meurer: Nun leben die Kölner, Herr Schätzing, ja seit Monaten und Wochen mit Schlagzeilen, die von Klüngel und Begünstigung handeln, von Beraterverträgen, die es für Spitzen in der Kommunalpolitik gegeben hat, ohne Gegenleistung. Trägt das dazu bei, dass die Kölner ihrer Stadtführung mittlerweile alles zutrauen?
Schätzing: Den Ball muss man erst mal zurückgeben. Das Wort Klüngel ist ja nun hier so schön ausgeprägt; das gibt es aber in anderen deutschen Städten genauso. In München heißt das Amigo-Wirtschaft und ich weiß nicht, wie es in Hamburg heißt, aber dort gibt es das auch.
Meurer: Sie verteidigen jetzt also Ihre Heimatstadt?
Schätzing: Ja, aber auch zu Recht. Ich verteidige sie nicht, ich relativiere das mal. Und dann darf man auch die Kölner Obrigkeit nicht geschlossen angreifen. Man muss hier einfach ganz klar sehen: Wer ist es Schuld? Wer hat die Versäumnisse dort zu verantworten, und die müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Meurer: Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs, wäre das ein lohnendes Thema für einen nächsten Roman für Sie?
Schätzing: Ach wissen Sie, ich bin ja ein bisschen "Master of Desaster", weil die Katastrophe ja auch Spaß machen kann. Aber sie macht natürlich immer dann Spaß, wenn sie möglichst hypothetisch ist. Das Thema ist momentan zu realistisch und auch zu traurig. Ich denke, dieser Krimi sollte erst mal in der Realität gelöst werden.
Meurer: Der Kölner Schriftsteller Frank Schätzing bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank, Herr Schätzing, und auf Wiederhören.
Schätzing: Gerne. Tschüss!
Der Schriftsteller Frank Schätzing ist international berühmt geworden mit seinem Buch "Der Schwarm", in dem er vor einer Katastrophe in den Meeren warnt. Frank Schätzing wohnt seit Langem in der Kölner Südstadt, ist gebürtiger Kölner. Das Stadtarchiv war ihm wohl vertraut. Guten Morgen, Herr Schätzing.
Frank Schätzing: Guten Morgen!
Meurer: Haben Sie am letzten Dienstag sofort mitbekommen, was da bei Ihnen um die Ecke in der Severinstraße passiert ist?
Schätzing: Erst mal nicht. Ich war in meinem Büro in der Innenstadt und arbeitete. Meine Frau rief an und sagte, wenn du heute Abend nach Hause kommst, dann fahr einen anderen Weg, weil irgendwas in Köln ist zusammengestürzt. Dann habe ich mal kurz aus dem Fenster gesehen. Ich kann die Domspitzen sehen; die waren noch da. Da war ich erst mal beruhigt und bin halt einen anderen Weg gefahren. Abends in den Nachrichten habe ich dann gehört, was passiert ist.
Meurer: Als Sie das dann mit dem Stadtarchiv gehört haben, was haben Sie dann gedacht? Beruhigt waren Sie dann ja nicht mehr.
Schätzing: Nein, beruhigt keineswegs. Da drängen sich eine Menge Assoziationen auf. Das beginnt ja damit, dass ich in den 90ern, Anfang der 90er dort selbst viel Zeit verbracht habe. Ich habe ja mal einen Mittelalterkrimi geschrieben und habe dafür viel recherchiert und das habe ich dort getan.
Meurer: Das war "Tod und Teufel", ein Roman rund um den Bau des Kölner Doms.
Schätzing: Richtig, genau. Im Stadtarchiv lagerten eine ganze Menge Unterlagen über das 13. Jahrhundert. Die waren dort sehr freundlich. Ich habe dort tagelang gesessen und kenne die Räume deswegen ganz gut und auch, was dort natürlich alles lagert. - Die zweite Assoziation ist natürlich dann erst mal, waren da Menschen drin, und die dritte: Mein Gott, das ist das Gedächtnis der Stadt.
Meurer: In welchen Urkunden haben Sie denn damals so geblättert, als Sie "Tod und Teufel" recherchiert haben?
Schätzing: Ich kann Ihnen das jetzt namentlich nicht mehr genau belegen, aber es waren vor allen Dingen Schreinsbücher. Es ging ja darum, einen Stadtplan der Stadt Köln zu rekonstruieren. Der erste geschlossene Stadtplan von Köln ist ja der Merkator-Plan. Der datiert aber von 1531 und ich brauchte einen aus dem 13. Jahrhundert. Das schafft man nur, wenn man sich diese ganzen vereinzelten Unterlagen, also die Eintragungen, wer in welcher Straße welchen Hof hatte und wo jetzt was lag, welche Kirche wo lag, zusammenpuzzelt. Insofern habe ich dort viel Material gewälzt und da war auch eine Menge da.
Meurer: Wie viel geht der Stadt jetzt verloren mit dem Untergang ihres Stadtarchivs?
Schätzing: Der Stadt geht, zumindest was belegbare Unterlagen angeht, denke ich, durchaus auch 2000 Jahre Geschichte verloren. Es gibt natürlich Schwerpunkte, es gibt Schwerpunkte aus der jüngeren Geschichte. Da ist ja auch der ganze Nachlass von Adenauer oder Böll gelagert gewesen, aber natürlich auch das komplette Mittelalter. Man darf ja nicht vergessen: Köln war im Mittelalter eine der bedeutendsten Handels-, Wirtschafts- und auch Glaubensstädte Europas. Und wenn wir noch weiter zurückgehen: Wir sind ja auch eine alte Römerstadt. Also da hat eine Menge gelegen und es ist natürlich fatal.
Meurer: Herr Schätzing, könnten Sie eher heulen, wenn Sie an diese untergegangenen 2000 Jahre denken, oder sind Sie eher wütend?
Schätzing: Bei mir ist das immer so ein bisschen ambivalent. Auf der einen Seite ist einem natürlich zum Heulen, wenn man überlegt, was da alles verloren gegangen ist oder verloren gehen könnte. Wir wissen ja noch nicht genau, was wir alles jetzt retten können, aber es wird mit Sicherheit einiges zerstört sein. Andererseits bin ich nicht so ein retrospektiver Typ. Ich lebe immer sehr stark im Hier und Jetzt und ich denke, man kann Geschichte auch im Kopf behalten oder man kann sie wieder neu aufschreiben. Ich bin auf der anderen Seite stinksauer, denn man muss sich vor Augen halten, dass wir vor – wie lange ist das jetzt her? -, ich glaube, zwei Jahren schon mal so ein Problem mit der Straße hatten, durch den U-Bahnbau bedingt. Da hatten wir diesen schiefen Turm. Da ist ja mal ein Kirchturm etwas gekippt. Spätestens zu dem Zeitpunkt hätte man sich der Sachlage, der Dramatik der Situation bewusst werden müssen, zumindest insofern, dass man diesen Bau von nun an wirklich mit Adleraugen beobachtet.
Meurer: Man hätte die Schätze räumen sollen?
Schätzing: Ja. Man hätte vor allen Dingen eines tun sollen: Man hätte jede Sekunde dieses Baus überwachen sollen, und die KVB hat das nicht gemacht.
Meurer: Das sind die Kölner Verkehrs-Betriebe.
Schätzing: Das sind die Kölner Verkehrs-Betriebe. Und wenn Sie die aktuellen Nachrichten lesen: Der Bau, gerade entlang dieser Gebäude in einem Bereich, wo man den Untergrund nicht so genau kannte, wo auch alles zusammengestoppelt worden ist über die Jahrzehnte, der ist einfach nicht mehr überwacht worden. Da sind die Statiker reingegangen, haben einmal gesagt, ja, das klappt schon. Wie die Kölner immer so sagen: Et hät noch immer jot jejange (Kölscher Dialekt für: "Es ist noch immer gut gegangen", Anm. der Online-Redaktion). Und das war's! Das, was jetzt passiert ist, hätte definitiv meines Erachtens vermieden werden können, zumal wir jetzt eine Kettenreaktion befürchten müssen. Das Gymnasium auf der anderen Straßenseite ist auch schon gefährdet und da muss einiges geräumt werden und das ist unverantwortlich, das geht nicht.
Meurer: Wie erleben Sie denn jetzt die Stimmung in der Kölner Südstadt? Haben die Leute Angst?
Schätzing: Angst vielleicht nicht. Angst haben sie sicherlich in den direkt anliegenden Gebäuden, und das auch zu Recht. Ansonsten herrscht da eher Wut, und die Wut ist ja nicht ganz zu Unrecht, denn das beginnt ja damit, dass dieses ganze Bauvorhaben ohnehin sehr stark infrage gestellt werden muss. Diese U-Bahn ist ja mal vor 20 Jahren budgetiert worden und man muss sich einfach die Frage stellen, ob wir die noch brauchen. Etwas, was vor 20 Jahren mal budgetiert wurde, dann zu bauen, nur weil man das Geld hat, ist ja auch Schwachsinn. Auf der anderen Seite haben wir dieses wunderschöne neue Viertel, wir haben den Rheinauhafen, der sehr gelungen ist. Für das Geld hätte man die Rheinuferstraße untertunneln können und hätte den an die Südstadt anbinden können. Dann hätte man ein großartiges Lebens- und Wohnviertel bekommen. Stattdessen wird diese schwachsinnige U-Bahn gebaut, und das noch nicht mal vernünftig.
Meurer: Sie würden sagen, jetzt Schluss mit dem U-Bahnbau. Aber die vier Kilometer sind ja nun schon gegraben.
Schätzing: Nein, das würde ich nicht sagen. Die U-Bahn, denke ich, sollte jetzt - allerdings dann auch mal wirklich fachkundig -, zu Ende gebaut werden. Das wäre natürlich totale Geldverschwendung, das Ding jetzt mittendrin abzubrechen. Aber danach müssen erstens Köpfe rollen. Das ist ganz klar. Da haben Leute ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Im Anschluss muss man sich sehr genau überlegen, ob man in einer Stadt wie Köln, die aus vielerlei Hinsicht bautechnisch schwierig ist, leichtfertig nur um des Profits willen solche Bauprojekte durchführt.
Meurer: Nun leben die Kölner, Herr Schätzing, ja seit Monaten und Wochen mit Schlagzeilen, die von Klüngel und Begünstigung handeln, von Beraterverträgen, die es für Spitzen in der Kommunalpolitik gegeben hat, ohne Gegenleistung. Trägt das dazu bei, dass die Kölner ihrer Stadtführung mittlerweile alles zutrauen?
Schätzing: Den Ball muss man erst mal zurückgeben. Das Wort Klüngel ist ja nun hier so schön ausgeprägt; das gibt es aber in anderen deutschen Städten genauso. In München heißt das Amigo-Wirtschaft und ich weiß nicht, wie es in Hamburg heißt, aber dort gibt es das auch.
Meurer: Sie verteidigen jetzt also Ihre Heimatstadt?
Schätzing: Ja, aber auch zu Recht. Ich verteidige sie nicht, ich relativiere das mal. Und dann darf man auch die Kölner Obrigkeit nicht geschlossen angreifen. Man muss hier einfach ganz klar sehen: Wer ist es Schuld? Wer hat die Versäumnisse dort zu verantworten, und die müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Meurer: Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs, wäre das ein lohnendes Thema für einen nächsten Roman für Sie?
Schätzing: Ach wissen Sie, ich bin ja ein bisschen "Master of Desaster", weil die Katastrophe ja auch Spaß machen kann. Aber sie macht natürlich immer dann Spaß, wenn sie möglichst hypothetisch ist. Das Thema ist momentan zu realistisch und auch zu traurig. Ich denke, dieser Krimi sollte erst mal in der Realität gelöst werden.
Meurer: Der Kölner Schriftsteller Frank Schätzing bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank, Herr Schätzing, und auf Wiederhören.
Schätzing: Gerne. Tschüss!