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"Man kann da unten ja nicht mehr mit Tauchern arbeiten"

Das Öl aus der gesunkenen Bohrinsel "Deep Water Horizon" treibt auf die Küsten von Florida und Louisiana zu. Christian Bussau, Meeresbiologe und Ölexperte von Greenpeace, hält das Abbrennen der Flüssigkeit für keine gute Lösung. Zu viele Rückstände blieben dadurch übrig.

Christian Bussau im Gespräch mit Dirk Müller |
    Jürgen Liminski: An den Küsten der amerikanischen Südstaaten am Golf von Mexiko bahnt sich eine Megakatastrophe an. Der Ölteppich wird größer und treibt auf die Küste zu. Außerdem ist Sturm aufgekommen und be- oder verhindert sogar die Eindämmungsarbeiten.Der riesige Ölteppich im Golf von Mexiko treibt also auf die Küsten von Florida und Louisiana zu und bedroht die dortigen Fischbestände und die Fauna. Die Behörden scheinen machtlos, die Lecks in der Bohrleitung zu schließen, die durch die Havarie der Bohrinsel entstanden sind. Gestern Abend sprach mein Kollege Dirk Müller mit dem Meeresbiologen und Ölexperten von Greenpeace, Christian Bussau. Seine erste Frage lautete: Ist es schon einmal gelungen, Lecks in dieser Tiefe, fast 2000 Meter, zu schließen?

    Christian Bussau: Man kann da unten ja nicht mehr mit Tauchern arbeiten. Wir haben ja auch sehr viele Bohrinseln in der Nordsee stehen. In der Nordsee stehen 400 Plattformen. Da ist aber die Meerestiefe maximal 200 Meter, und da könnten bei so einem Unfall immer noch Taucher heruntergehen und dann gemeinsam mit Robottern hier das Leck schließen, beziehungsweise den Unfall reparieren. Das geht ja dort nicht mehr und insofern ist die Situation dort extrem schwierig. So ein unbemannter Unter-Wasser-Roboter, der hat natürlich Lampen und Kameras an Bord und auch Greifarme, aber die Sicht dort unten ist natürlich extrem schlecht. Da ist ja auf einmal das Öl dann im Wasser, so dass die Sicht dort praktisch gleich null sein wird. Bis jetzt hat es nicht funktioniert mit den Unter-Wasser-Robotern. Trotzdem würde ich das wirklich immer, immer, immer wieder versuchen. Vielleicht hat man auch das nötige Glück noch nicht gehabt, vielleicht kommt das noch, denn das ist die einzige Möglichkeit, das Leck schnell zu schließen. Alle anderen Möglichkeiten, die man hat, würden Wochen dauern und diese Zeit haben wir nicht mehr. Mit jeder Woche kommen 5000 Tonnen Öl dazu. Diese Zeit ist nicht mehr da.

    Dirk Müller: Reden wir über das Öl, was bereits ausgetreten ist, was bereits auf dem Meer treibt und schwimmt. Ist Abfackeln da eine Alternative?

    Bussau: Ich halte davon ehrlich gesagt gar nichts. Die Bilder, die ich bislang gesehen habe, zeigen, dass man zwischen zwei Schiffen eine Ölsperre gelegt hatte, das Öl also erst aufkonzentrieren musste, und dann hat man eine Fläche angezündet, die sehr klein ist, vielleicht 20 x 20 Meter. Wir haben aber einen Ölteppich, der über 100 Kilometer lang ist und 80 Kilometer breit ist. Das heißt, eine minimale Fläche wurde dort überhaupt nur angezündet.
    Dann muss man sich klar machen: beim Verbrennen von Rohöl verbrennt nur ein ganz geringer Teil. Wenn das dann aufhört zu brennen, bleibt so eine schwarze teerige, feste Paste zurück. Da sind die ganzen Giftstoffe immer noch drin. Die sinkt dann irgendwann auf den Meeresboden ab. Wenn man so arbeitet wie bisher, dann sollte man das Öl, was sich vor den Ölsperren sammelt, nicht anzünden, sondern ganz normal abpumpen, wie man das auch hier bei uns in der Nordsee machen würde, wie das deutsche Havariekommando das höchst wahrscheinlich machen würde. Das ist effektiver, da kriegt man viel mehr heraus. Das andere sieht sehr spektakulär aus, aber ich glaube, dass das gar keine gute Idee ist.

    Müller: Warum wissen das die Amerikaner nicht, dass die andere Methode effizienter ist, wie Sie sagen?

    Bussau: Das kann ich Ihnen nicht erklären. Es gibt natürlich dort unterschiedliche Meinungen, jeder wird da seine Sichtweise haben. Ich habe das Gefühl, dass das so ein bisschen aus der Ratlosigkeit, aus der Hilflosigkeit entstanden ist. Ich selbst bin viele Monate lang in Sibirien gewesen und in der nördlichen russischen Komi-Region. Dort ist es so: da wird das sehr häufig gemacht. Da zündet man Rohöl an. Das ist aber dann an Land. Deswegen weiß ich sehr genau, wie viel Rückstände dort nachbleiben in diesen Verbrennungsgruben, und ich weiß auch, wie schlimm und giftig diese Rauchwolken sind, die entstehen. In einigen Regionen, wo das in Russland gemacht wird, hat fast jeder eine Atemwegserkrankung. Die Dämpfe und Rauchwolken, die da aufsteigen, sind sehr, sehr giftig. Deswegen ist es so, dass ich da nichts von halte. Auf der anderen Seite: natürlich muss man alles probieren und wenn jetzt die Erkenntnisse dort sind, dass man gesagt hat, lasst uns auch mal diesen Weg probieren, dann soll man das sicherlich machen. Trotzdem ist es so: der Ölteppich ist viel zu groß, mehrere tausend Quadratkilometer jetzt schon groß, den kann man nicht mehr so einfach abbrennen, das wird nicht funktionieren.

    Müller: Herr Bussau, wenn ich Sie richtig verstanden habe, jetzt mal losgelöst von dem ursprünglichen Problem, das Leck zu stopfen – wir reden jetzt über den Ölteppich, der bereits sichtbar ist, der bereits da ist -, da gibt es so gut wie keine Chance, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass der nicht die Küste morgen oder übermorgen erreicht?

    Bussau: Ja. Die Größe ist mittlerweile so, dass man sich klar sein muss: den kann man jetzt nicht mehr kurzfristig reinigen. Das wird Wochen dauern, diesen Ölteppich zu reinigen. Selbst wenn da jetzt kein neues Öl mehr zukommen würde, hätten wir schon eine sehr, sehr schlimme Verschmutzung. Diese Ausdehnung eines Ölteppichs, die ist eigentlich nicht mehr zu bekämpfen. Trotzdem muss man immer wieder versuchen, so viel Öl wie möglich aus der Natur herauszuholen, denn jedem muss klar sein: je mehr Öl in der Natur bleibt, in einem Lebensraum, desto größer ist die Gefahr, dass es unter Umständen langfristige Schäden gibt.

    Müller: Was passiert jetzt? Mit welchen Konsequenzen ist das verbunden, wenn der Ölteppich die Küste berührt und tief auch in diese Marschlande hineintreibt?

    Bussau: Dort haben wir ja viele Sümpfe, wir haben Mangrovenwälder, und die sind eigentlich nicht zu reinigen. Da kommt man mit Gerätschaften und Menschen gar nicht hin.

    Liminski: Das war der Meeresbiologe Christian Bussau von Greenpeace im Gespräch mit Dirk Müller.