Sandra Schulz: Seine Vision von einer atomwaffenfreien Welt hatte US-Präsident Barack Obama zuletzt bei der UN-Vollversammlung noch einmal aufscheinen lassen. Aber wie sollen die anderen Atommächte nun davon überzeugt werden? Das sondiert US-Außenministerin Clinton derzeit so wie gerade bei ihrem Besuch in Russland und dem Treffen mit Außenminister Lawrow. Nach den Gesprächen ließen beide wissen, es habe wesentliche Fortschritte gegeben bei ihren Verhandlungen zur atomaren Abrüstung. Ein echter Neubeginn? – Das hat mein Kollege Reinhard Bieck Annette Schaper gefragt, Projektleiterin Nuklearwaffen des hessischen Instituts für Friedens- und Konfliktforschung.
Annette Schaper: Es ist wirklich ein Neubeginn und viel mehr als schöne Worte – Gott sei Dank. Im Prinzip greifen die beiden wieder das auf, was acht Jahre zuvor abgebrochen war. Wir waren ja eigentlich schon auf einem guten Weg gewesen bis Anfang der 90er-Jahre. Es war ja eigentlich geplant gewesen, einen Nachfolgevertrag für diese START-Verträge abzuschließen, also die Atomwaffen weiter abzurüsten, und da gab es schon sehr ehrgeizige Pläne, über die sich damals beide Seiten auch schon einig waren, nämlich weiter zu reduzieren, aber auch diese Waffen wirklich zu verschrotten und das Ganze auch sehr gründlich zu überprüfen, das heißt das Ganze wirklich irreversibel zu machen. Zu diesem START-III-Vertrag ist es dann nicht mehr gekommen, weil die Bush-Regierung von Rüstungskontrolle prinzipiell nichts mehr hielt.
Reinhard Bieck: Ich wollte gerade darauf zu sprechen kommen. Unter den Präsidenten Wladimir Putin und George W. Bush sahen manche ja schon wieder den Kalten Krieg heraufziehen und jetzt dieser betont wohlwollende Umgang bei der Begegnung von Hillary Clinton und Sergej Lawrow. Ist das alles Obama?
Schaper: Ja, es ist Obama und seine andere Regierung. Es gab ja in den USA auch immer schon eine große Fraktion von Befürwortern von Rüstungskontrolle, die das immer sehr, sehr bedauert hatten, dass es nicht weiterging. Die waren zwar etwas in der Minderheit, aber nicht stark. Es war also zu erwarten, wenn eine demokratische Regierung an die Macht kommen würde, Obama oder jemand anderes, dann würde es auch in dieser Richtung wieder weitergehen. Und tatsächlich: dass es jetzt so schnell gehen soll, das ist wirklich sehr schön und man kann nur hoffen, dass die das bis Dezember schaffen. Andererseits wird viel aus der Schublade gezogen, was dort acht Jahre geschlummert hat, und wir können hoffen, dass vielleicht tatsächlich auch wieder diese Elemente enthalten sein werden, die man damals schon versprochen hat.
Bieck: Ja. – Der START-Vertrag läuft am 5. Dezember aus. Ziel eines Folgevertrages soll ja sein, die Anzahl der nuklearen Waffensysteme von jeweils über 2000 auf etwa 1200 zu verringern. Die Russen würden gerne sogar noch mehr einmotten, die Amerikaner nicht. Glauben Sie tatsächlich an ein schnelles Ergebnis? Lawrow hat das ja heute angedeutet.
Schaper: Ich denke mal, da wird man auf beiden Seiten kompromissbereit sein. Die Russen haben Probleme, ihre große Zahl von strategischen Waffen weiterhin zu warten. Das ist ja auch alles sehr teuer und macht tatsächlich jetzt wenig Sinn und 1000 ist immer noch mehr als genug. Die Amerikaner? Die Gründe, warum die einen mehr oder die anderen weniger wollen, sind nachgeordnet. Im Prinzip sind beide Seiten für Reduktionen und das ist auf amerikanischer Seite sehr ernst gemeint und auf russischer auch. Davon gehe ich aus und es wird wohl nicht an den Einzelheiten scheitern. Das sind so nachgeordnete Sachen, wo man bestimmt Kompromisse eingehen wird. Ich bin da jetzt im Gegensatz zu den letzten Jahren wirklich sehr optimistisch.
Bieck: Was bedeutet denn der engere Schulterschluss zwischen Russland und den USA für den Weltfrieden? Müssen zum Beispiel die arabischen Länder jetzt fürchten, sozusagen von allen Seiten im Stich gelassen zu werden?
Schaper: Ob das gleich "im Stich gelassen" heißt, das möchte ich auch bezweifeln. Auf jeden Fall sind sich beide einig, dass Iran ein Problem ist, aber da sind sich ja noch viel mehr einig. Auch die EU denkt so. Ich bin mir sicher: Auch insgeheim denken das einige andere arabische Staaten, die das natürlich nie offen zugeben würden. Aber die Vorschläge gegenüber Iran sind ja auch viel vernünftiger als früher. Die Bush-Regierung ist da völlig auf Konfrontationskurs gegangen und sah sich außer Stande, auch mit den Iranern nur zu reden. Auch da hat es bei den Amerikanern Fortschritte gegeben, bei den Russen sowieso. Die Amerikaner haben sich jetzt stärker an die russische Politik angepasst, tatsächlich den Dialog zu suchen, dann natürlich klare Forderungen aufzustellen – und die Forderungen finde ich völlig richtig -, denn man kann wirklich den Iranern nicht trauen, was die da technisch im Schilde führen. Das führt irgendwann doch zu einer iranischen Kernwaffe und natürlich muss man irgendwann die dazu bewegen, das zu lassen. Über den genauen Weg sind sich beide Seiten nicht einig, aber ich bin mir ganz sicher, dass man zum Beispiel in Saudi-Arabien oder so das Ganze aufmerksam verfolgt und gar nicht so unzufrieden darüber ist.
Bieck: Gegenüber Andersdenkenden regiert in Russland immer noch die harte Hand. Wir haben das eben gehört. Neu ist, dass die USA sich da jetzt raushalten. Hat sich Friedensnobelpreisträger Obama auf einen Kuhhandel eingelassen?
Schaper: Das ist natürlich eine Gratwanderung. Jetzt verlasse ich auch ein bisschen das Gebiet meiner Expertise. Ich bin ja Nuklearexpertin. Irgendwann macht auch der Ton die Musik, das haben Sie am Anfang gesagt, und man kann natürlich nicht sofort alle Probleme auf einen Schlag lösen. Das Problem der Menschenrechte in Russland ist wirklich ein großes und ungelöstes und ich denke mal, die Tagesordnung sieht erst mal die nukleare Abrüstung vor und den Iran – das sind die beiden wichtigsten Kapitel – und das andere wird erst mal offensichtlich stehen gelassen. Ich bin mir sicher, dass das auch den Amerikanern nicht gefällt. Es gefällt ja auch unserer Bundesregierung nicht und es gefällt vielen nicht und natürlich muss man auch da Druck ausüben. Aber man kann ja nicht alle Baustellen gleichzeitig aufmachen.
Bieck: Wenn es um den Iran geht, ist ja auch immer die Bundesregierung involviert. Was empfehlen Sie denn angesichts dieses neuen Tonfalls zwischen Moskau und Washington der künftigen Bundesregierung?
Schaper: Der Bundesregierung empfehle ich auf jeden Fall, den bisherigen Kurs weiterzuführen. Die Bundesregierung zusammen mit Frankreich und Großbritannien hatte sich ja große Verdienste erworben, als die als Erstes überhaupt mit dem Iran in einen ernsthaften Dialog getreten sind, immer so ein bisschen mit den Amerikanern im Hintergrund, die erst nicht dabei waren. Daraus hat sich dann die ganze EU plus Russland, USA, China, also EU plus 3 entwickelt, die alle mit dem Iran zusammenarbeiten wollen, und die Bundesregierung hat da eine Vorreiterrolle gespielt. Traditionell hat die Bundesregierung ja nie den Draht zum Iran ganz gekappt und das wissen die Iraner auch ganz genau, dass sie schon oft gerade von uns Vermittlertätigkeit bekommen haben, und diese Rolle sollte die Bundesregierung weiterspielen. Sie wird nie eine erste Macht dabei sein, aber sie hat ganz wichtige Vermittlerrollen.
Schulz: Annette Schaper, Projektleiterin Nuklearwaffen des hessischen Instituts für Friedens- und Konfliktforschung, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte mein Kollege Reinhard Bieck.
Annette Schaper: Es ist wirklich ein Neubeginn und viel mehr als schöne Worte – Gott sei Dank. Im Prinzip greifen die beiden wieder das auf, was acht Jahre zuvor abgebrochen war. Wir waren ja eigentlich schon auf einem guten Weg gewesen bis Anfang der 90er-Jahre. Es war ja eigentlich geplant gewesen, einen Nachfolgevertrag für diese START-Verträge abzuschließen, also die Atomwaffen weiter abzurüsten, und da gab es schon sehr ehrgeizige Pläne, über die sich damals beide Seiten auch schon einig waren, nämlich weiter zu reduzieren, aber auch diese Waffen wirklich zu verschrotten und das Ganze auch sehr gründlich zu überprüfen, das heißt das Ganze wirklich irreversibel zu machen. Zu diesem START-III-Vertrag ist es dann nicht mehr gekommen, weil die Bush-Regierung von Rüstungskontrolle prinzipiell nichts mehr hielt.
Reinhard Bieck: Ich wollte gerade darauf zu sprechen kommen. Unter den Präsidenten Wladimir Putin und George W. Bush sahen manche ja schon wieder den Kalten Krieg heraufziehen und jetzt dieser betont wohlwollende Umgang bei der Begegnung von Hillary Clinton und Sergej Lawrow. Ist das alles Obama?
Schaper: Ja, es ist Obama und seine andere Regierung. Es gab ja in den USA auch immer schon eine große Fraktion von Befürwortern von Rüstungskontrolle, die das immer sehr, sehr bedauert hatten, dass es nicht weiterging. Die waren zwar etwas in der Minderheit, aber nicht stark. Es war also zu erwarten, wenn eine demokratische Regierung an die Macht kommen würde, Obama oder jemand anderes, dann würde es auch in dieser Richtung wieder weitergehen. Und tatsächlich: dass es jetzt so schnell gehen soll, das ist wirklich sehr schön und man kann nur hoffen, dass die das bis Dezember schaffen. Andererseits wird viel aus der Schublade gezogen, was dort acht Jahre geschlummert hat, und wir können hoffen, dass vielleicht tatsächlich auch wieder diese Elemente enthalten sein werden, die man damals schon versprochen hat.
Bieck: Ja. – Der START-Vertrag läuft am 5. Dezember aus. Ziel eines Folgevertrages soll ja sein, die Anzahl der nuklearen Waffensysteme von jeweils über 2000 auf etwa 1200 zu verringern. Die Russen würden gerne sogar noch mehr einmotten, die Amerikaner nicht. Glauben Sie tatsächlich an ein schnelles Ergebnis? Lawrow hat das ja heute angedeutet.
Schaper: Ich denke mal, da wird man auf beiden Seiten kompromissbereit sein. Die Russen haben Probleme, ihre große Zahl von strategischen Waffen weiterhin zu warten. Das ist ja auch alles sehr teuer und macht tatsächlich jetzt wenig Sinn und 1000 ist immer noch mehr als genug. Die Amerikaner? Die Gründe, warum die einen mehr oder die anderen weniger wollen, sind nachgeordnet. Im Prinzip sind beide Seiten für Reduktionen und das ist auf amerikanischer Seite sehr ernst gemeint und auf russischer auch. Davon gehe ich aus und es wird wohl nicht an den Einzelheiten scheitern. Das sind so nachgeordnete Sachen, wo man bestimmt Kompromisse eingehen wird. Ich bin da jetzt im Gegensatz zu den letzten Jahren wirklich sehr optimistisch.
Bieck: Was bedeutet denn der engere Schulterschluss zwischen Russland und den USA für den Weltfrieden? Müssen zum Beispiel die arabischen Länder jetzt fürchten, sozusagen von allen Seiten im Stich gelassen zu werden?
Schaper: Ob das gleich "im Stich gelassen" heißt, das möchte ich auch bezweifeln. Auf jeden Fall sind sich beide einig, dass Iran ein Problem ist, aber da sind sich ja noch viel mehr einig. Auch die EU denkt so. Ich bin mir sicher: Auch insgeheim denken das einige andere arabische Staaten, die das natürlich nie offen zugeben würden. Aber die Vorschläge gegenüber Iran sind ja auch viel vernünftiger als früher. Die Bush-Regierung ist da völlig auf Konfrontationskurs gegangen und sah sich außer Stande, auch mit den Iranern nur zu reden. Auch da hat es bei den Amerikanern Fortschritte gegeben, bei den Russen sowieso. Die Amerikaner haben sich jetzt stärker an die russische Politik angepasst, tatsächlich den Dialog zu suchen, dann natürlich klare Forderungen aufzustellen – und die Forderungen finde ich völlig richtig -, denn man kann wirklich den Iranern nicht trauen, was die da technisch im Schilde führen. Das führt irgendwann doch zu einer iranischen Kernwaffe und natürlich muss man irgendwann die dazu bewegen, das zu lassen. Über den genauen Weg sind sich beide Seiten nicht einig, aber ich bin mir ganz sicher, dass man zum Beispiel in Saudi-Arabien oder so das Ganze aufmerksam verfolgt und gar nicht so unzufrieden darüber ist.
Bieck: Gegenüber Andersdenkenden regiert in Russland immer noch die harte Hand. Wir haben das eben gehört. Neu ist, dass die USA sich da jetzt raushalten. Hat sich Friedensnobelpreisträger Obama auf einen Kuhhandel eingelassen?
Schaper: Das ist natürlich eine Gratwanderung. Jetzt verlasse ich auch ein bisschen das Gebiet meiner Expertise. Ich bin ja Nuklearexpertin. Irgendwann macht auch der Ton die Musik, das haben Sie am Anfang gesagt, und man kann natürlich nicht sofort alle Probleme auf einen Schlag lösen. Das Problem der Menschenrechte in Russland ist wirklich ein großes und ungelöstes und ich denke mal, die Tagesordnung sieht erst mal die nukleare Abrüstung vor und den Iran – das sind die beiden wichtigsten Kapitel – und das andere wird erst mal offensichtlich stehen gelassen. Ich bin mir sicher, dass das auch den Amerikanern nicht gefällt. Es gefällt ja auch unserer Bundesregierung nicht und es gefällt vielen nicht und natürlich muss man auch da Druck ausüben. Aber man kann ja nicht alle Baustellen gleichzeitig aufmachen.
Bieck: Wenn es um den Iran geht, ist ja auch immer die Bundesregierung involviert. Was empfehlen Sie denn angesichts dieses neuen Tonfalls zwischen Moskau und Washington der künftigen Bundesregierung?
Schaper: Der Bundesregierung empfehle ich auf jeden Fall, den bisherigen Kurs weiterzuführen. Die Bundesregierung zusammen mit Frankreich und Großbritannien hatte sich ja große Verdienste erworben, als die als Erstes überhaupt mit dem Iran in einen ernsthaften Dialog getreten sind, immer so ein bisschen mit den Amerikanern im Hintergrund, die erst nicht dabei waren. Daraus hat sich dann die ganze EU plus Russland, USA, China, also EU plus 3 entwickelt, die alle mit dem Iran zusammenarbeiten wollen, und die Bundesregierung hat da eine Vorreiterrolle gespielt. Traditionell hat die Bundesregierung ja nie den Draht zum Iran ganz gekappt und das wissen die Iraner auch ganz genau, dass sie schon oft gerade von uns Vermittlertätigkeit bekommen haben, und diese Rolle sollte die Bundesregierung weiterspielen. Sie wird nie eine erste Macht dabei sein, aber sie hat ganz wichtige Vermittlerrollen.
Schulz: Annette Schaper, Projektleiterin Nuklearwaffen des hessischen Instituts für Friedens- und Konfliktforschung, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte mein Kollege Reinhard Bieck.