Archiv


Man müsste Klavier spielen können

Samstag Vormittag, 10 Uhr in der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber. Beim jährlich ausgeschrieben Yamaha-Stipendienwettbewerb hatten sich 62 Studenten beworben, die letzten zehn kämpfen gerade um den Preis. Der japanische Konzern ist nach eigenen Angaben der größte Instrumentenbauer der Welt, und so sponsort er drei mal 2000 englische Pfund, das sind im Moment ungefähr 2900 Euro. Sagt Shiro Fujita:

Von Hanno Grieß |
    Yamaha ist als Name ein bisschen gigantisch, Industrie, von dem Image wollen wir weg, wollen nur eine Geste zeigen, dass wir von dem Erlös ein bisschen zurückgeben.

    Aber wie sich schnell zeigt, geht es der Elite der deutschen Nachwuchspianisten erst in zweiter Linie ums Geld. Für die meisten hier bedeutet der Wettbewerb vor allem eine Chance, sich zu beweisen. Die Kasachin Aliya Turetayeva ist mit ihren 18 Jahren die Jüngste Bewerberin:

    Teilnahme, ist am wichtigsten, wirst bekannter, kriegst Konzerte, kriegst auch Erfahrung, und ist auch harte Prüfung, einen Wettbewerb zu machen.

    Die Konkurrenz ist gnadenlos und kommt aus aller Herren Länder, aus Osteuropa bis zu Südkorea, China oder Japan. 70 bis 80 Prozent der international erfolgreichen Preisträger studieren an deutschen Hochschulen, sagt ein Jurymitglied, der Hamburger Professor Ralf Nattkemper. Deutsche sind in Dresden übrigens nicht dabei. Was lediglich die reale Bewerbersituation an den Hochschulen widerspiegele. Ralf Nattkemper:

    Äußerst bedauerlich, aber durch Öffnung gegenüber allen Ländern ergibt sich unheimliche Konkurrenz bei Aufnahmeprüfung, auf 10 Plätze, melden sich 200, letztes Mal in HH 300 Leute, und das ist brutal, da fallen dann die Deutschen, die häufiger spät entwickelt sind, aus dem Raster raus, gibt nur Platz für die Besten, und nur dann sinnvollen Berufsweg.

    Die zehn, die in Dresden um das Yamaha-Stipendium spielen, gehören zur Spitzenliga der Nachwuchspianisten an deutschen Hochschulen. Spitze, was das musikalische Niveau betrifft, nicht jedoch die finanzielle Lage. Viele der Bewerber seien gerade deshalb extrem motiviert. Der Dresdner Professor Detlef Kaiser:

    Es gibt viele Studenten, gerade aus osteuropäischen Ländern, die von Familien keinerlei Unterstützung haben, die angewiesen sind, alles sich hier zu erarbeiten, fast vom Tellerwäscher, da ist das schon ne schöne Summe. Das haben auch viele in ihre Bewerbungsunterlagen geschrieben, ganz profane Dinge wie Lebensunterhalt.

    Da wird der Gewinn eines solchen Stipendiums geradezu überlebenswichtig. Die Berufsaussichten sind nicht gerade rosig. Da sei das Geld schon eine große Hilfe. Sie wolle mit dem Preis weitere Wettbewerbe finanzieren, sagt die 23-jährige Hisako Kawamura von der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Die Wirklichkeit nach dem Studium sei hart, da sei mache sie sich längst keine Illusionen mehr:

    Musiker sind ja eigentlich sehr arm dran, deswegen wäre es ideal wäre für mich, solo und mit Kammermusik zu konzertieren und zu unterrichten. Es wird ein sehr hartes Brot, sage ich mal, für mich ist wichtig, dass ich wenn möglich Höchstleistung zeigen kann. Meine Idee ist kein Top-Star zu werden, sondern kontinuierlich schöne Musik zu machen. Es gibt genügend Stars.

    An diesem Tag war Kawamura der Top Star, sie gewann eines der Stipendien. Mit einer überzeugenden Chopin-Interpretation.