In Schädelsammlungen in Freiburg und Berlin finden sich tragische Zeugnisse, die Nachfahren fordern schon seit Jahren die Rückgabe - und erhalten mittlerweile Zustimmung aus Deutschland.
"Wir sind jetzt im Magazin und stehen vor der Sammlung, wo diese Schädelsammlung also aufbewahrt wird. Jedes Objekt ist in einem speziellen Museumskarton, wie ich jetzt hier zeigen kann, aufbewahrt. Da liegt also das Objekt unten drin",
Dieter Speck steht in einem klimatisierten Keller der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität. Oben im Audimax hat unlängst der Deutsche Germanistentag über die Zukunft der deutschen Sprache nachgedacht. Hier unten, ein Stockwerk tiefer, lagern die Überbleibsel einer zweifelhaften Vergangenheit.
"Ja, das ist einer. Da steht eine Nummer drauf und darunter steht 'Neger'. Das ist die ganze Information, damit kann man nicht viel anfangen",
Dieter Speck ist der Leiter des Freiburger Universitätsarchivs und des Universitätsmuseums, des sogenannten "Uniseums". Die Schädelsammlung hat er vom Anatomischen Institut übernommen. Einige der insgesamt 1600 Schädel sollen von Aborigines stammen, den Ureinwohnern Australiens, andere von Herero und Nama aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Nach den Angaben auf den Beilage-Zetteln dürften mindestens 17 Schädel aus dem südlichen oder südwestlichen Afrika geliefert worden sein.
"Wo die Information, die auf diesen Zetteln steht, herkommt, wissen wir nicht, weil die ursprünglichen Unterlagen fehlen. Und genau das ist eben die Problematik. Wenn wir eben 17 Schädel haben mit Süd- und Südwestafrika, dann ist das ein erstes Indiz, aber es kann sich durchaus herausstellen, dass es so nicht stimmt."
Die Freiburger Schädelsammlung wurde etwa um 1860 von dem Freiburger Anatom und Pathologen Alexander Ecker begründet. Zur Sammlung gehören vor allem Schädel aus Ausgrabungen der näheren Umgebung Freiburgs, aber auch aus außereuropäischen Ländern. Während des Ersten Weltkriegs wurden jedoch Teile der Sammlung durch eine englische Fliegerbombe zerstört. Dabei wurden auch die Inventarbücher vernichtet. Präzise Angaben über die Herkunftsgeschichte einzelner Schädel sind deshalb heute kaum noch möglich, jedenfalls nicht ohne weitere, aufwendige Untersuchungen.
"Mein Name ist Dawid Fredericks. Ich bin in Bethanien geboren und gehöre zur Volksgruppe der Aman. Ich bin das Oberhaupt unseres Stammes, Chief Fredericks",
Dawid Fredericks ist ein kleiner Mann mit wettergegerbter Haut. Er spricht für die Volksgruppe der Nama. Von den deutschen Kolonialherren im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika wurden sie früher abfällig als "Hottentotten" bezeichnet. Fredericks fordert bereits seit drei Jahren die Rückgabe von Herero- und Nama-Schädeln aus deutschen Sammlungen. Für ihn ist das auch ein persönliches Anliegen. Er ist überzeugt davon, dass auch der Kopf seines Großonkels in einer deutschen Schädelsammlung gelandet ist:
"Ich habe das von meinen Großeltern gehört. Das ist bei uns in der Familie so erzählt worden, dass der Kopf von Cornelius Fredericks abgeschlagen wurde. Cornelius Fredericks ist der ältere Bruder von meinem Großvater."
Cornelius Fredericks war einer der Anführer des Nama-Aufstands gegen die deutschen Kolonial-Herren. Nach seiner Kapitulation im Jahr 1906 wurde er in das berüchtigte Gefangenenlager auf der Haifischinsel bei Lüderitz im Süden des heutigen Namibias gebracht. Die Mehrheit der inhaftieren Aufständischen hat das Lager nicht überlebt. Cornelius Fredericks starb dort im Februar 1907. Dokumente aus der Kolonialzeit belegen, dass von der Haifischinsel Schädel und andere Leichenteile nach Deutschland geliefert wurden. So erschien 1914 in einer Stuttgarter anatomischen Fachzeitschrift ein Aufsatz mit dem Titel: "Rassenanatomische Untersuchungen an 17 Hottentottenköpfen". Dort heißt es:
"Die Köpfe stammen von Gefangenen aus dem Aufstande in Deutsch-Südwest-Afrika im Jahre 1904, die auf der Haifischinsel interniert und dort an Krankheiten, meist Skorbut gestorben waren."
Vor drei Jahren, im Februar 2007, versammelten sich einige Angehörige der Nama auf der Haifischinsel. Sie enthüllten eine Gedenktafel für Cornelius Fredericks, der hier 100 Jahre zuvor gestorben war. Auch der deutsche Botschafter kam zu den Feierlichkeiten. In seiner Ansprache sagte er, Zitat: "Die Haifischinsel ist in unserem Gedächtnis eingeprägt als eines der ersten Konzentrationslager, ein Ort, an dem die Unmenschlichkeit regierte." Organisiert wurde die Feier vom Großneffen Cornelius Fredericks', von Dawid Fredericks:
"Als wir uns auf der Haifischinsel versammelt haben, war ich es, der den deutschen Botschafter eingeladen hat. Bei der Feier richtete ich an ihn die Forderung, dass die Deutschen den Schädel von Häuptling Cornelius Fredericks zurückgeben sollen, also den Schädel meines Vorfahren. So ist das an die Öffentlichkeit gekommen. Als ich darauf keine Antwort bekam, drohte ich damit, einen 1000 Kilometer langen Fußmarsch zu organisieren, von der Haifischinsel bis nach Windhoek zur Deutschen Botschaft. Das hat dazu geführt, dass zumindest die namibische Regierung unsere Forderung übernommen hat."
Mittlerweile hat nicht nur die namibische, sondern auch die deutsche Regierung auf die Rückgabeforderung reagiert. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel erklärte während seines Namibia-Besuchs Anfang des Jahres, die Bundesregierung sei zur Rückgabe der Schädel bereit. Nun sei es Sache der namibischen Regierung, ihre Wünsche genau zu formulieren.
Zuständig in der namibischen Regierung für die Schädelfrage ist der Minister für Jugend, Sport und Kultur, Kazenambo Kazenambo. Sein Ministerium ist in einem Regierungsgebäude in der Innenstadt von Windhoek untergebracht, es liegt in der Goethestraße. Doch die enge Verbindung zwischen Deutschland und Namibia zeigt sich nicht nur in Straßennamen.
"Hier in Namibia gibt es verschiedene Opfergruppen, die sich dafür einsetzen, dass die Schädel aus Deutschland wieder zurückkommen. Das ganze Thema der menschlichen Überreste und insbesondere der Schädel ist hier eine sehr emotionale Angelegenheit, denn die heutige Generation der Namibier weiß von dem Völkermord, den die deutschen Truppen hier verübt haben. Einige namibische Ethnien, besonders Nama und Herero wurden ja fast vollständig ausgelöscht. Das ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Und die Umstände, wie die Schädel nach Deutschland kamen, erscheinen vielen Namibiern doch ziemlich rätselhaft."
Auch für Kazenambo Kazenambo ist das Schädel-Thema keineswegs eine Routine-Angelegenheit. Der schlaksige Mann gehört zum Volk der Herero, das zwischen 1904 und 1908 zum Opfer des deutschen Vernichtungskrieges wurde.
Historiker sprechen vom ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Kazenambos Vorfahren gehörten zu den wenigen Überlebenden, die sich über die Grenze in Sicherheit bringen konnten. Er selbst ist in Botswana geboren. Bereits als 16-Jähriger schloss er sich der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO an. Jetzt ist er Minister einer Regierung, die ihre guten Beziehungen zu Deutschland nicht infrage stellen will:
"Ich glaube nicht, dass es zwischen der deutschen und der namibischen Regierung irgendwelche Meinungsverschiedenheiten bei der Rückgabe der Schädel gibt. Nein, es gibt keinerlei Differenzen. Bisher hat die namibische Regierung die Schädelfrage auch nicht mit dem Völkermord und der Forderung nach Entschädigung verknüpft. Aber: Das Thema Völkermord und Entschädigung ist von den Vertretern der betroffenen Ethnien in die Diskussion gebracht worden. Und wir können solche Forderungen und Sorgen, die von Namibiern geäußert wurden, nicht ignorieren."
Vor sechs Jahren hatte die damalige Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sich zu der deutschen Verantwortung für diese Kolonialverbrechen bekannt. In einer Rede in Namibia sprach sie von "Gräueltaten, die man heute als Völkermord bezeichnen" würde. Außerdem bat sie die Nachkommen der Opfer um – so wörtlich – "im Sinne des gemeinsamen 'Vater Unser' um eine Vergebung unserer Schuld". Das war neu: Noch nie zuvor hatte sich eine deutsche Regierung für das Massaker der Kolonialtruppen an den Herero entschuldigt.
Die Hoffnung vieler Herero, die einstige Kolonialmacht würde nun auch Entschädigung zahlen, wurde jedoch bald enttäuscht. Individuelle oder andere Schadensersatzansprüche bestünden nicht, erklärte die Ministerin später. Außerdem solle die deutsche Entwicklungszusammenarbeit der gesamten Bevölkerung Namibias zugutekommen und nicht nur einzelnen Volksgruppen. Diese Position wurde auch von der namibischen Regierung ausdrücklich geteilt. Immerhin startete die Bundesregierung 2007 auf Initiative von Wieczorek-Zeul eine sogenannte "Versöhnungsinitiative" und stellte zusätzlich zur Entwicklungszusammenarbeit 20 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Mittel sollten nach Angaben des Ministeriums vor allem in den Siedlungsgebieten jener Volksgruppen eingesetzt werden, die unter der deutschen Kolonialherrschaft in besonderer Weise gelitten haben.
Von den Vertretern der Herero wurde die Versöhnungsinitiative jedoch als unzureichend zurückgewiesen. Die Vereinbarung sei über ihre Köpfe hinweg zwischen der deutschen und der namibischen Regierung ausgehandelt worden, lautete die Kritik. Warum meidet die deutsche Regierung den direkten Dialog mit den Nachkommen der Opfer, fragt etwa Esther Muinjangue. Sie ist Dozentin für Sozialarbeit an der Universität von Namibia in Windhoek. Außerdem ist sie die Vorsitzende eines "Herero-Komitees zur Erinnerung an den Völkermord":
"Die deutsche Regierung wartet ab. Sie hat entschieden, nicht mit uns zu reden. Sie ignoriert uns, um uns zu entmutigen. Ich glaube aber nicht, dass sie mit dieser Haltung weit kommen."
Esther Muinjangue hofft nun, dass die Rückgabe der Schädel der Beginn eines Versöhnungsprozesses sein könnte, eine Versöhnung zwischen den Nachfahren der Opfer und den Nachfahren der Täter. Deshalb fordert sie nicht nur die Rückgabe der Schädel, sondern auch eine Aufklärung über die genaue Herkunft der Schädel und die Umstände, wie sie in deutsche Hände gerieten.
"So sehr wir uns wünschen, dass uns die Schädel so schnell wie möglich zurückgegeben werden, so sehr sind wir auch realistisch. Wir wissen, dass jeder Test zur Herkunftsbestimmung seine Zeit braucht, egal ob das nun ein DNA-Test ist oder ein anderer Test. Wir wollen ja auch nicht irgendwelche Schädel, sondern sicher sein, dass die Schädel, die wir bekommen, tatsächlich von unseren Leuten stammen. Außerdem möchten wir die Namen der Verstorbenen erfahren und wie alt sie waren, als sie gestorben sind. Es ist also nicht damit getan, die Schädel in eine Kiste zu packen und nach Namibia zu schicken."
Esther Muinjangue will auch noch mehr über die Freiburger Sammlungsgeschichte wissen. Immerhin wurde die Sammlung 27 Jahre lang von dem Anthropologen Eugen Fischer betreut. Fischer war einer der wichtigsten Vorreiter der nationalsozialistischen Rassenideologie. 1908 hat er mehrere Monate im ehemaligen Südwestafrika geforscht.
"Was waren eigentlich die Forschungsergebnisse von Dr. Eugen Fischer? Er wollte doch nachweisen, dass wir dumm sind! Das möchten wir doch wirklich wissen, ob er beweisen konnte, dass Schwarze minderwertig sind und dumm."
Nicht nur in Freiburg lagern Köpfe, die für rassenkundliche Untersuchungen nach Deutschland gebracht wurden, sondern auch in Berlin. So gehört zu den Beständen der Berliner Charité eine Sammlung mit über 800 Schädeln, die vor allem während des Kaiserreichs beschafft worden sind. Im Rahmen eines Forschungsprojektes will die Charité nun die eigenen Sammlungsbestände untersuchen. Der Direktor des medizinhistorischen Museums in der Charité, Thomas Schnalke:
"Die Erkenntnis war, nachdem wir sehr viele Anfragen bezüglich der Forschung bekommen haben, dass wir selbst eigentlich kaum etwas sagen können zu den Sammlungsbeständen. Insofern zielt das Forschungsvorhaben exemplarisch an zwei Sammlungskonvoluten einmal darauf, wirklich noch mal in die Tiefe zu gehen und an den Schädeln und Skelettresten möglichst nahe an die Antwort der Frage zu kommen: Woher stammen sie? Wer hat sie gesammelt seinerzeit? Wir wollen das exemplarisch machen am Bereich der Schädel aus dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, und an einem Konvolut von Schädeln aus Australien."
Nach den bisherigen Erkenntnissen stammen mindestens 18 Schädel von Aborigines aus Australien. Bei mindestens neun Schädeln ist davon auszugehen, dass sie von Herero stammen und während der Zeit des Völkermordes nach Deutschland geliefert wurden. Die Charité hat die Rückgabe der Schädel nach Australien bzw. nach Namibia bereits zugesagt. Im Rahmen des zweijährigen Forschungsprojektes soll nun geklärt werden, ob noch weitere Schädel zurückgegeben werden müssen. Außerdem sollen Richtlinien erarbeitet werden für die mit der anatomischen Sammlung verbundenen ethischen Fragen.
Auch in Freiburg bemüht man sich mittlerweile, genaueres über die eigene Schädelsammlung in Erfahrung zu bringen. Bereits 2004 hatte die Universität auf Initiative ihres Archivleiters Dieter Speck beschlossen, dass sie bei unrechtmäßig erworbenen Sammlungsstücken prinzipiell zu Rückgaben bereit sei, allerdings nur auf Anfrage und nach Einzelfallprüfung. Eigene Untersuchungen folgten erst später. Die Freiburger Anthropologin Ursula Wittwer-Backofen:
"Wir haben Anfang 2009 begonnen, zunächst einmal die Unterlagen zu sichten, das geht auch schon weiter zurück auf zwei Examensarbeiten, die hier an der Universität Freiburg angefertigt wurden und die sich mit der Vergangenheit und dem Erwerbskontext, vor allem aber auch mit den Forschern, die an dieser Sammlung gearbeitet haben, beschäftigen. Konkret am Material aber haben wir begonnen zu arbeiten seit Anfang letzten Jahres, hier haben wir jetzt seit einem halben Jahr eine Mitarbeiterin beschäftigt, die sich insbesondere um die australischen Schädel bemüht, parallel dazu beginnen wir aber jetzt auch gerade an Schädeln zu arbeiten, die vermutlich aus Afrika stammen."
Einer, der die Diskussion um die Schädelsammlung seit fünf Jahren maßgeblich begleitet hat, ist der Freiburger Sozialwissenschaftler Heiko Wegmann. Er betreibt das Internet-Portal freiburg-postkolonial.de freiburg-postkolonial.de und setzt sich dafür ein, die Kolonialgeschichte stärker ins Bewusstsein zu rücken. Der Freiburger Universität wirft er vor, das Thema jahrelang verdrängt zu haben und sich auch jetzt nur widerwillig damit zu beschäftigen.
"Es lässt sich sagen, dass in dieser Schädelsammlung, aber auch insgesamt in der anthropologischen Sammlung doch eine erhebliche Brisanz liegt und sich auch viel in den Beziehungen zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Kolonien widerspiegelt. Also die Frage der Nicht-Thematisierung dieses kolonialen Erbes, die Frage der Beschaffens-Praxen, wie also damals an Schädel und menschliche Weichteile gekommen wurde und wie man aktiv danach gesucht hat, und dann natürlich hinter allem die Frage, zu welchem Zeck hat man eigentlich diese ganzen menschlichen Teile gesammelt, letztendlich um zu beweisen halt, dass die weiße Rasse höherwertig sei."
Wegmann setzt sich dafür ein, dass diese Fragen auch von der Freiburger Universität thematisiert werden, beispielsweise in dem Museum der Universität, dem "Uniseum". Doch dessen Leiter, Dieter Speck, winkt ab:
"Die Tatsache, dass Ecker eine Sammlung aufgebaut hat und dass er versucht hat, die Entwicklung der Menschheit nachzuführen, die Thematik ist sowohl im Uniseum angesprochen, aber halt unabhängig von Einzelobjekten, als auch auf der Homepage von der Frau Wittwer, das ist kein Geheimnis, das ist ein Teil der Universitätsgeschichte. Als solches haben wir die Frage thematisiert. Aber nicht auf der Ebene von Namibia oder diesen Kolonialkriegen, da gibt es genug Publikationen drüber."
Die Diskussion in Berlin läuft dagegen in eine andere Richtung. Thomas Schnalke vom Museum der Charité will in zwei Jahren die Ergebnisse seines Forschungsprojekts öffentlich präsentieren, und zwar nicht nur in Form eines Abschlussberichts:
"Eine große Ausstellung, vielleicht auch eine Sonderausstellung zur Geschichte der Anthropologie wäre sicherlich eine sehr, sehr starke Herausforderung, weil wir hier in Deutschland mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts im Rücken auch ein schweres Paket zu schultern haben, aber nichtsdestotrotz wäre das eventuell auch zu gegebener Zeit ein gutes Medium, um Forschung auch mal in eine breite, interessierte Öffentlichkeit hineinzutragen."
In Namibia haben sich die Vertreter der Herero und Nama mittlerweile auf eine gemeinsame Position verständigt: Die Schädel ihrer Vorfahren sollen künftig im nationalen Unabhängigkeitsmuseum gezeigt werden. Der monumentale Bau wird gegenwärtig im Zentrum von Windhoek errichtet. Außerdem wurde vereinbart, dass die Schädel in Freiburg und Berlin im Rahmen der überlieferten Rituale entgegengenommen werden sollen.
Esther Muinjangue:
"Der Tod ist für uns etwas sehr Wichtiges. Der Tod ist wichtig, weil unsere Vorfahren wichtig sind. Wenn wir nach Deutschland kommen, dann wollen wir mit unseren verstorbenen Ahnen sprechen, bevor wir die Schädel entgegennehmen. Wir wollen mit ihnen darüber reden, was vor 100 und noch mehr Jahren geschehen ist. Wir werden ihnen sagen, dass wir nach Deutschland gekommen sind, wo sich die Schädel unserer Vorfahren befinden, und dass wir sie wieder nach Hause bringen. Wir werden unseren Ahnen sagen: Bitte begleitet uns, seid bei uns! Es ist ein Ritual. Das möchten wir praktizieren."
"Wir sind jetzt im Magazin und stehen vor der Sammlung, wo diese Schädelsammlung also aufbewahrt wird. Jedes Objekt ist in einem speziellen Museumskarton, wie ich jetzt hier zeigen kann, aufbewahrt. Da liegt also das Objekt unten drin",
Dieter Speck steht in einem klimatisierten Keller der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität. Oben im Audimax hat unlängst der Deutsche Germanistentag über die Zukunft der deutschen Sprache nachgedacht. Hier unten, ein Stockwerk tiefer, lagern die Überbleibsel einer zweifelhaften Vergangenheit.
"Ja, das ist einer. Da steht eine Nummer drauf und darunter steht 'Neger'. Das ist die ganze Information, damit kann man nicht viel anfangen",
Dieter Speck ist der Leiter des Freiburger Universitätsarchivs und des Universitätsmuseums, des sogenannten "Uniseums". Die Schädelsammlung hat er vom Anatomischen Institut übernommen. Einige der insgesamt 1600 Schädel sollen von Aborigines stammen, den Ureinwohnern Australiens, andere von Herero und Nama aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Nach den Angaben auf den Beilage-Zetteln dürften mindestens 17 Schädel aus dem südlichen oder südwestlichen Afrika geliefert worden sein.
"Wo die Information, die auf diesen Zetteln steht, herkommt, wissen wir nicht, weil die ursprünglichen Unterlagen fehlen. Und genau das ist eben die Problematik. Wenn wir eben 17 Schädel haben mit Süd- und Südwestafrika, dann ist das ein erstes Indiz, aber es kann sich durchaus herausstellen, dass es so nicht stimmt."
Die Freiburger Schädelsammlung wurde etwa um 1860 von dem Freiburger Anatom und Pathologen Alexander Ecker begründet. Zur Sammlung gehören vor allem Schädel aus Ausgrabungen der näheren Umgebung Freiburgs, aber auch aus außereuropäischen Ländern. Während des Ersten Weltkriegs wurden jedoch Teile der Sammlung durch eine englische Fliegerbombe zerstört. Dabei wurden auch die Inventarbücher vernichtet. Präzise Angaben über die Herkunftsgeschichte einzelner Schädel sind deshalb heute kaum noch möglich, jedenfalls nicht ohne weitere, aufwendige Untersuchungen.
"Mein Name ist Dawid Fredericks. Ich bin in Bethanien geboren und gehöre zur Volksgruppe der Aman. Ich bin das Oberhaupt unseres Stammes, Chief Fredericks",
Dawid Fredericks ist ein kleiner Mann mit wettergegerbter Haut. Er spricht für die Volksgruppe der Nama. Von den deutschen Kolonialherren im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika wurden sie früher abfällig als "Hottentotten" bezeichnet. Fredericks fordert bereits seit drei Jahren die Rückgabe von Herero- und Nama-Schädeln aus deutschen Sammlungen. Für ihn ist das auch ein persönliches Anliegen. Er ist überzeugt davon, dass auch der Kopf seines Großonkels in einer deutschen Schädelsammlung gelandet ist:
"Ich habe das von meinen Großeltern gehört. Das ist bei uns in der Familie so erzählt worden, dass der Kopf von Cornelius Fredericks abgeschlagen wurde. Cornelius Fredericks ist der ältere Bruder von meinem Großvater."
Cornelius Fredericks war einer der Anführer des Nama-Aufstands gegen die deutschen Kolonial-Herren. Nach seiner Kapitulation im Jahr 1906 wurde er in das berüchtigte Gefangenenlager auf der Haifischinsel bei Lüderitz im Süden des heutigen Namibias gebracht. Die Mehrheit der inhaftieren Aufständischen hat das Lager nicht überlebt. Cornelius Fredericks starb dort im Februar 1907. Dokumente aus der Kolonialzeit belegen, dass von der Haifischinsel Schädel und andere Leichenteile nach Deutschland geliefert wurden. So erschien 1914 in einer Stuttgarter anatomischen Fachzeitschrift ein Aufsatz mit dem Titel: "Rassenanatomische Untersuchungen an 17 Hottentottenköpfen". Dort heißt es:
"Die Köpfe stammen von Gefangenen aus dem Aufstande in Deutsch-Südwest-Afrika im Jahre 1904, die auf der Haifischinsel interniert und dort an Krankheiten, meist Skorbut gestorben waren."
Vor drei Jahren, im Februar 2007, versammelten sich einige Angehörige der Nama auf der Haifischinsel. Sie enthüllten eine Gedenktafel für Cornelius Fredericks, der hier 100 Jahre zuvor gestorben war. Auch der deutsche Botschafter kam zu den Feierlichkeiten. In seiner Ansprache sagte er, Zitat: "Die Haifischinsel ist in unserem Gedächtnis eingeprägt als eines der ersten Konzentrationslager, ein Ort, an dem die Unmenschlichkeit regierte." Organisiert wurde die Feier vom Großneffen Cornelius Fredericks', von Dawid Fredericks:
"Als wir uns auf der Haifischinsel versammelt haben, war ich es, der den deutschen Botschafter eingeladen hat. Bei der Feier richtete ich an ihn die Forderung, dass die Deutschen den Schädel von Häuptling Cornelius Fredericks zurückgeben sollen, also den Schädel meines Vorfahren. So ist das an die Öffentlichkeit gekommen. Als ich darauf keine Antwort bekam, drohte ich damit, einen 1000 Kilometer langen Fußmarsch zu organisieren, von der Haifischinsel bis nach Windhoek zur Deutschen Botschaft. Das hat dazu geführt, dass zumindest die namibische Regierung unsere Forderung übernommen hat."
Mittlerweile hat nicht nur die namibische, sondern auch die deutsche Regierung auf die Rückgabeforderung reagiert. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel erklärte während seines Namibia-Besuchs Anfang des Jahres, die Bundesregierung sei zur Rückgabe der Schädel bereit. Nun sei es Sache der namibischen Regierung, ihre Wünsche genau zu formulieren.
Zuständig in der namibischen Regierung für die Schädelfrage ist der Minister für Jugend, Sport und Kultur, Kazenambo Kazenambo. Sein Ministerium ist in einem Regierungsgebäude in der Innenstadt von Windhoek untergebracht, es liegt in der Goethestraße. Doch die enge Verbindung zwischen Deutschland und Namibia zeigt sich nicht nur in Straßennamen.
"Hier in Namibia gibt es verschiedene Opfergruppen, die sich dafür einsetzen, dass die Schädel aus Deutschland wieder zurückkommen. Das ganze Thema der menschlichen Überreste und insbesondere der Schädel ist hier eine sehr emotionale Angelegenheit, denn die heutige Generation der Namibier weiß von dem Völkermord, den die deutschen Truppen hier verübt haben. Einige namibische Ethnien, besonders Nama und Herero wurden ja fast vollständig ausgelöscht. Das ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Und die Umstände, wie die Schädel nach Deutschland kamen, erscheinen vielen Namibiern doch ziemlich rätselhaft."
Auch für Kazenambo Kazenambo ist das Schädel-Thema keineswegs eine Routine-Angelegenheit. Der schlaksige Mann gehört zum Volk der Herero, das zwischen 1904 und 1908 zum Opfer des deutschen Vernichtungskrieges wurde.
Historiker sprechen vom ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Kazenambos Vorfahren gehörten zu den wenigen Überlebenden, die sich über die Grenze in Sicherheit bringen konnten. Er selbst ist in Botswana geboren. Bereits als 16-Jähriger schloss er sich der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO an. Jetzt ist er Minister einer Regierung, die ihre guten Beziehungen zu Deutschland nicht infrage stellen will:
"Ich glaube nicht, dass es zwischen der deutschen und der namibischen Regierung irgendwelche Meinungsverschiedenheiten bei der Rückgabe der Schädel gibt. Nein, es gibt keinerlei Differenzen. Bisher hat die namibische Regierung die Schädelfrage auch nicht mit dem Völkermord und der Forderung nach Entschädigung verknüpft. Aber: Das Thema Völkermord und Entschädigung ist von den Vertretern der betroffenen Ethnien in die Diskussion gebracht worden. Und wir können solche Forderungen und Sorgen, die von Namibiern geäußert wurden, nicht ignorieren."
Vor sechs Jahren hatte die damalige Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sich zu der deutschen Verantwortung für diese Kolonialverbrechen bekannt. In einer Rede in Namibia sprach sie von "Gräueltaten, die man heute als Völkermord bezeichnen" würde. Außerdem bat sie die Nachkommen der Opfer um – so wörtlich – "im Sinne des gemeinsamen 'Vater Unser' um eine Vergebung unserer Schuld". Das war neu: Noch nie zuvor hatte sich eine deutsche Regierung für das Massaker der Kolonialtruppen an den Herero entschuldigt.
Die Hoffnung vieler Herero, die einstige Kolonialmacht würde nun auch Entschädigung zahlen, wurde jedoch bald enttäuscht. Individuelle oder andere Schadensersatzansprüche bestünden nicht, erklärte die Ministerin später. Außerdem solle die deutsche Entwicklungszusammenarbeit der gesamten Bevölkerung Namibias zugutekommen und nicht nur einzelnen Volksgruppen. Diese Position wurde auch von der namibischen Regierung ausdrücklich geteilt. Immerhin startete die Bundesregierung 2007 auf Initiative von Wieczorek-Zeul eine sogenannte "Versöhnungsinitiative" und stellte zusätzlich zur Entwicklungszusammenarbeit 20 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Mittel sollten nach Angaben des Ministeriums vor allem in den Siedlungsgebieten jener Volksgruppen eingesetzt werden, die unter der deutschen Kolonialherrschaft in besonderer Weise gelitten haben.
Von den Vertretern der Herero wurde die Versöhnungsinitiative jedoch als unzureichend zurückgewiesen. Die Vereinbarung sei über ihre Köpfe hinweg zwischen der deutschen und der namibischen Regierung ausgehandelt worden, lautete die Kritik. Warum meidet die deutsche Regierung den direkten Dialog mit den Nachkommen der Opfer, fragt etwa Esther Muinjangue. Sie ist Dozentin für Sozialarbeit an der Universität von Namibia in Windhoek. Außerdem ist sie die Vorsitzende eines "Herero-Komitees zur Erinnerung an den Völkermord":
"Die deutsche Regierung wartet ab. Sie hat entschieden, nicht mit uns zu reden. Sie ignoriert uns, um uns zu entmutigen. Ich glaube aber nicht, dass sie mit dieser Haltung weit kommen."
Esther Muinjangue hofft nun, dass die Rückgabe der Schädel der Beginn eines Versöhnungsprozesses sein könnte, eine Versöhnung zwischen den Nachfahren der Opfer und den Nachfahren der Täter. Deshalb fordert sie nicht nur die Rückgabe der Schädel, sondern auch eine Aufklärung über die genaue Herkunft der Schädel und die Umstände, wie sie in deutsche Hände gerieten.
"So sehr wir uns wünschen, dass uns die Schädel so schnell wie möglich zurückgegeben werden, so sehr sind wir auch realistisch. Wir wissen, dass jeder Test zur Herkunftsbestimmung seine Zeit braucht, egal ob das nun ein DNA-Test ist oder ein anderer Test. Wir wollen ja auch nicht irgendwelche Schädel, sondern sicher sein, dass die Schädel, die wir bekommen, tatsächlich von unseren Leuten stammen. Außerdem möchten wir die Namen der Verstorbenen erfahren und wie alt sie waren, als sie gestorben sind. Es ist also nicht damit getan, die Schädel in eine Kiste zu packen und nach Namibia zu schicken."
Esther Muinjangue will auch noch mehr über die Freiburger Sammlungsgeschichte wissen. Immerhin wurde die Sammlung 27 Jahre lang von dem Anthropologen Eugen Fischer betreut. Fischer war einer der wichtigsten Vorreiter der nationalsozialistischen Rassenideologie. 1908 hat er mehrere Monate im ehemaligen Südwestafrika geforscht.
"Was waren eigentlich die Forschungsergebnisse von Dr. Eugen Fischer? Er wollte doch nachweisen, dass wir dumm sind! Das möchten wir doch wirklich wissen, ob er beweisen konnte, dass Schwarze minderwertig sind und dumm."
Nicht nur in Freiburg lagern Köpfe, die für rassenkundliche Untersuchungen nach Deutschland gebracht wurden, sondern auch in Berlin. So gehört zu den Beständen der Berliner Charité eine Sammlung mit über 800 Schädeln, die vor allem während des Kaiserreichs beschafft worden sind. Im Rahmen eines Forschungsprojektes will die Charité nun die eigenen Sammlungsbestände untersuchen. Der Direktor des medizinhistorischen Museums in der Charité, Thomas Schnalke:
"Die Erkenntnis war, nachdem wir sehr viele Anfragen bezüglich der Forschung bekommen haben, dass wir selbst eigentlich kaum etwas sagen können zu den Sammlungsbeständen. Insofern zielt das Forschungsvorhaben exemplarisch an zwei Sammlungskonvoluten einmal darauf, wirklich noch mal in die Tiefe zu gehen und an den Schädeln und Skelettresten möglichst nahe an die Antwort der Frage zu kommen: Woher stammen sie? Wer hat sie gesammelt seinerzeit? Wir wollen das exemplarisch machen am Bereich der Schädel aus dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, und an einem Konvolut von Schädeln aus Australien."
Nach den bisherigen Erkenntnissen stammen mindestens 18 Schädel von Aborigines aus Australien. Bei mindestens neun Schädeln ist davon auszugehen, dass sie von Herero stammen und während der Zeit des Völkermordes nach Deutschland geliefert wurden. Die Charité hat die Rückgabe der Schädel nach Australien bzw. nach Namibia bereits zugesagt. Im Rahmen des zweijährigen Forschungsprojektes soll nun geklärt werden, ob noch weitere Schädel zurückgegeben werden müssen. Außerdem sollen Richtlinien erarbeitet werden für die mit der anatomischen Sammlung verbundenen ethischen Fragen.
Auch in Freiburg bemüht man sich mittlerweile, genaueres über die eigene Schädelsammlung in Erfahrung zu bringen. Bereits 2004 hatte die Universität auf Initiative ihres Archivleiters Dieter Speck beschlossen, dass sie bei unrechtmäßig erworbenen Sammlungsstücken prinzipiell zu Rückgaben bereit sei, allerdings nur auf Anfrage und nach Einzelfallprüfung. Eigene Untersuchungen folgten erst später. Die Freiburger Anthropologin Ursula Wittwer-Backofen:
"Wir haben Anfang 2009 begonnen, zunächst einmal die Unterlagen zu sichten, das geht auch schon weiter zurück auf zwei Examensarbeiten, die hier an der Universität Freiburg angefertigt wurden und die sich mit der Vergangenheit und dem Erwerbskontext, vor allem aber auch mit den Forschern, die an dieser Sammlung gearbeitet haben, beschäftigen. Konkret am Material aber haben wir begonnen zu arbeiten seit Anfang letzten Jahres, hier haben wir jetzt seit einem halben Jahr eine Mitarbeiterin beschäftigt, die sich insbesondere um die australischen Schädel bemüht, parallel dazu beginnen wir aber jetzt auch gerade an Schädeln zu arbeiten, die vermutlich aus Afrika stammen."
Einer, der die Diskussion um die Schädelsammlung seit fünf Jahren maßgeblich begleitet hat, ist der Freiburger Sozialwissenschaftler Heiko Wegmann. Er betreibt das Internet-Portal freiburg-postkolonial.de freiburg-postkolonial.de und setzt sich dafür ein, die Kolonialgeschichte stärker ins Bewusstsein zu rücken. Der Freiburger Universität wirft er vor, das Thema jahrelang verdrängt zu haben und sich auch jetzt nur widerwillig damit zu beschäftigen.
"Es lässt sich sagen, dass in dieser Schädelsammlung, aber auch insgesamt in der anthropologischen Sammlung doch eine erhebliche Brisanz liegt und sich auch viel in den Beziehungen zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Kolonien widerspiegelt. Also die Frage der Nicht-Thematisierung dieses kolonialen Erbes, die Frage der Beschaffens-Praxen, wie also damals an Schädel und menschliche Weichteile gekommen wurde und wie man aktiv danach gesucht hat, und dann natürlich hinter allem die Frage, zu welchem Zeck hat man eigentlich diese ganzen menschlichen Teile gesammelt, letztendlich um zu beweisen halt, dass die weiße Rasse höherwertig sei."
Wegmann setzt sich dafür ein, dass diese Fragen auch von der Freiburger Universität thematisiert werden, beispielsweise in dem Museum der Universität, dem "Uniseum". Doch dessen Leiter, Dieter Speck, winkt ab:
"Die Tatsache, dass Ecker eine Sammlung aufgebaut hat und dass er versucht hat, die Entwicklung der Menschheit nachzuführen, die Thematik ist sowohl im Uniseum angesprochen, aber halt unabhängig von Einzelobjekten, als auch auf der Homepage von der Frau Wittwer, das ist kein Geheimnis, das ist ein Teil der Universitätsgeschichte. Als solches haben wir die Frage thematisiert. Aber nicht auf der Ebene von Namibia oder diesen Kolonialkriegen, da gibt es genug Publikationen drüber."
Die Diskussion in Berlin läuft dagegen in eine andere Richtung. Thomas Schnalke vom Museum der Charité will in zwei Jahren die Ergebnisse seines Forschungsprojekts öffentlich präsentieren, und zwar nicht nur in Form eines Abschlussberichts:
"Eine große Ausstellung, vielleicht auch eine Sonderausstellung zur Geschichte der Anthropologie wäre sicherlich eine sehr, sehr starke Herausforderung, weil wir hier in Deutschland mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts im Rücken auch ein schweres Paket zu schultern haben, aber nichtsdestotrotz wäre das eventuell auch zu gegebener Zeit ein gutes Medium, um Forschung auch mal in eine breite, interessierte Öffentlichkeit hineinzutragen."
In Namibia haben sich die Vertreter der Herero und Nama mittlerweile auf eine gemeinsame Position verständigt: Die Schädel ihrer Vorfahren sollen künftig im nationalen Unabhängigkeitsmuseum gezeigt werden. Der monumentale Bau wird gegenwärtig im Zentrum von Windhoek errichtet. Außerdem wurde vereinbart, dass die Schädel in Freiburg und Berlin im Rahmen der überlieferten Rituale entgegengenommen werden sollen.
Esther Muinjangue:
"Der Tod ist für uns etwas sehr Wichtiges. Der Tod ist wichtig, weil unsere Vorfahren wichtig sind. Wenn wir nach Deutschland kommen, dann wollen wir mit unseren verstorbenen Ahnen sprechen, bevor wir die Schädel entgegennehmen. Wir wollen mit ihnen darüber reden, was vor 100 und noch mehr Jahren geschehen ist. Wir werden ihnen sagen, dass wir nach Deutschland gekommen sind, wo sich die Schädel unserer Vorfahren befinden, und dass wir sie wieder nach Hause bringen. Wir werden unseren Ahnen sagen: Bitte begleitet uns, seid bei uns! Es ist ein Ritual. Das möchten wir praktizieren."