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"Man sichert Arbeitsplätze, die man auf Dauer nicht halten kann"

Die Forderung von Teilen der SPD, Kohlekraftwerke zu subventionieren, um Arbeitsplätze zu erhalten, sei falsch, sagt Bärbel Höhn, Ex-Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen. Denn damit werde eine Struktur finanziert, die keine Zukunft habe. Das Geld solle besser für erneuerbare Energien ausgegeben werden.

Bärbel Höhn im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 31.10.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat Bärbel Höhn. Sie war bisher stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und ehemals NRW-Umweltministerin. Guten Morgen, Frau Höhn.

    Bärbel Höhn: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Frau Höhn, was ist denn falsch daran, auf bezahlbare Strompreise zu pochen und verhindern zu wollen, dass durch steigende Energiepreise Arbeitsplätze verloren gehen?

    Höhn: Das ist überhaupt nicht falsch, auf bezahlbaren Strom zu pochen. Im Gegenteil! Wir haben als Grüne zum Beispiel erhebliche Vorschläge gemacht, was sogar dazu führen würde, dass wir die Verbraucher erheblich mehr entlasten würden als das andere Parteien wollen. Insofern ist das speziell bei uns ein ganz wichtiges Ziel. Der entscheidende Punkt ist aber, dass momentan versucht wird, auch Fehler, die Unternehmen gemacht haben, RWE zum Beispiel, die viel zu lange auf fossile Kraftwerke gesetzt haben, jetzt diese Fehler damit zu honorieren, dass man diese Kraftwerke auch noch subventioniert. Das ist ja die Forderung von Teilen der SPD. Und das würde natürlich letzten Endes die Kosten erheblich nach oben treiben. Man würde das vielleicht subventionieren über den Haushalt und nicht über die Strompreise, aber auch der Haushalt wird ja am Ende von den Leuten bezahlt, die ihre Steuern zahlen. Von daher Milliarden jetzt zusätzlich noch in Subventionen von Kohlekraftwerken zu tun, die zunehmend überflüssig werden, damit noch den CO2-Ausstoß anzuheizen, das halten wir absolut für falsch.

    Heckmann: Was vermuten Sie denn insgesamt, was jetzt bei den Verhandlungen zwischen Union und SPD beim Thema Energie und Energiewende herauskommt?

    Höhn: Ich habe die Sorge, dass die Große Koalition das genauso macht wie zwischen 2005 und 2009, dass sie nach dem Prinzip "tu ich Dir nicht weh, tust Du mir nicht weh" jedem versucht, das zu geben, was er gerne möchte: Teilen der SPD Subventionen für alte marode Kohlekraftwerke und der CDU auch entsprechend das, was sie möchte. Aber da kommt man zur teuersten Lösung, am Ende kommt man zur teuersten Lösung, und das wäre, glaube ich, ein fataler Fehler, insbesondere, wenn so, wie jetzt in Teilen von der SPD diskutiert wird, der gesamte Kohlekraftwerkspark erhalten bleiben soll. Dann hätte man zwei Kraftwerkparks nebeneinander, den erneuerbaren, der aufgebaut wird, und den alten Kohlekraftwerkspark, und das ist natürlich die teuerste Lösung.

    Heckmann: Kommen wir noch mal zu den Strompreisen, Frau Höhn. Muss man da nicht in der Tat irgendwas machen gegen diesen Effekt, dass durch diese Ökostromumlage der Strom immer teurer wird, sowohl für Unternehmen als auch für Privathaushalte?

    Höhn: Erstens stimmt das für Unternehmen nicht. Der Preis für die sogenannten Sonderkunden – das ist ein großer Teil der Unternehmen, genau die, die jetzt jammern …

    Heckmann: Das sind aber nicht alle Unternehmen.

    Höhn: Nein, nein! Die Unternehmen werden sehr unterschiedlich behandelt. Ein Teil wird nämlich befreit, die haben eigentlich nur Vorteile von den Erneuerbaren, denn die Erneuerbaren senken gleichzeitig den Börsenstrompreis, und das führt dazu, dass der Preis für diese Sonderkunden, ein großer Teil der Wirtschaft seit 2008, gleich geblieben ist. Die zahlen zehn Cent pro Kilowattstunde im Schnitt seit 2008. Für die Verbraucher ist in dieser Zeit der Strompreis um 35 Prozent gestiegen und für kleine Handwerksbetriebe, kleine und mittelständische Betriebe – das ist ja auch ein Teil der Wirtschaft – ist das entsprechend auch gestiegen. Diese Ungerechtigkeit, die muss man aufbrechen, indem man die Ausnahmen nicht so überbordend lässt, wie es jetzt ist, sondern wirklich stark beschränkt, und da sehe ich jetzt zum Beispiel auch bei der SPD überhaupt gar kein Interesse, diese Ausnahmen wieder entsprechend zurückzuführen, wie es notwendig wäre.

    Heckmann: Nicht nur Hannelore Kraft fährt aus Ihrer Sicht einen zu industriefreundlichen Kurs; auch ihr Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, Garrelt Duin. Ich habe gerade eben schon die drei Forderungen genannt, nämlich die erneuerbaren Energien zu drosseln, den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Betreiber fossiler Kraftwerke stärker zu fördern und mehr Betriebe von der Ökostromumlage zu befreien. Sie haben es gerade auch schon angesprochen. Erinnert Sie das an Ihre Zeit als Ministerin in der Regierung Clement-Steinbrück?

    Mächtige Wasserdampfsäulen steigen aus dem Braunkohlekraftwerkder Vattenfall AG in Jänschwalde in den Himmel auf
    Höhn: Unternehmen werden mit Subventionen dafür honoriert, viel zu lange auf fossile Kraftwerke gesetzt zu haben (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    "Ein sehr seltsames Verständnis von Arbeitsplatz halten"
    Höhn: Vor allen Dingen erinnert mich das daran, dass es ein falscher Ansatz ist, Arbeitsplätze zu sichern, denn man sichert Arbeitsplätze, die man auf Dauer nicht halten kann, und das heißt, man subventioniert eine Struktur, die keine Zukunft hat, und das kostet sehr viel Geld. Viel besser wäre es, dieses Geld zu nehmen und wirklich für eine neue Struktur dann auszugeben, für neue Arbeitsplätze, weil diese Art von Sicht auf Arbeitsplätze, die gibt gerade dem Ruhrgebiet, was Hannelore Kraft ja irgendwie angeblich will, die Situation dort zu verbessern, überhaupt gar keine Zukunft. Das heißt, das ist ein sehr seltsames Verständnis von Arbeitsplatz halten. Das ist dasselbe wie wir lange Jahre hatten, wo immer die Kohlesubventionen hier hergeflossen sind. Das waren auch Subventionen in einen Industriebereich, der langfristig nicht zu halten war, und das hat Nordrhein-Westfalen geschadet, denn dieses Geld ist dann woanders wieder abgeknöpft worden. Dann gab es eben weniger Geld für den Erhalt von Straßen.

    Heckmann: Und das Ganze hätten Sie verhindern können, wenn Sie in eine schwarz-grüne Koalition eingetreten wären?

    Höhn: Das Ganze, denke ich, geht alles quer durch alle Parteien. Es gibt auch bei der SPD Vertreter in dieser Arbeitsgruppe, die das vielleicht ähnlich sehen wie ich. Es gibt aber auch bei der CSU und bei der CDU entsprechende, und nun ist die entscheidende Frage, wer setzt sich da durch. Dieser Kurs von Hannelore Kraft wäre sicher ein teuerer, der langfristig die Arbeitsplätze viel mehr gefährdet, als wenn man da jetzt irgendwie mit Subventionen reingehen würde, und der würde in der Tat auch eine Rolle rückwärts für die Energiewende bedeuten. Im Übrigen ist das noch ein hoher CO2-Ausstoß, was wir auch nicht haben wollen, dass wir den Klimawandel jetzt noch befeuern mit viel zu vielen Kohlekraftwerken.

    Heckmann: Das Thema zukünftige Energieversorgung wird heute im Zentrum der Koalitionsverhandlungen stehen – wir haben gesprochen jetzt zuletzt mit Bärbel Höhn, bisher stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Frau Höhn, danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben für uns.


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