Friedbert Meurer: Noch fünf Tage, dann werden die Französinnen und Franzosen ihren neuen Staatspräsidenten wählen. Dass der neue der alte sein wird, also Sarkozy das Rennen macht, danach sieht es im Moment eher nicht aus. Die letzten Umfragen in diesem Langstreckenwahlkampf sehen François Hollande von den Sozialisten im ersten Wahlgang vorn und auch für den zweiten Wahlgang am 6. Mai prophezeien sie Hollande einen deutlichen Sieg.
Nächsten Sonntag also der erste Wahlgang, dann am 6. Mai die Entscheidung im zweiten Wahlgang. Über die Perspektiven will ich reden jetzt mit Daniel Vernet, er ist der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung "Le Monde". Guten Morgen, Herr Vernet.
Daniel Vernet: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Um vielleicht über die Jugendlichen zunächst zu reden, was wir gerade gehört haben. Wer bietet denn Ihrer Meinung nach sozusagen die besseren Perspektiven für die junge Generation in Frankreich, Nicolas Sarkozy oder François Hollande?
Vernet: Also das ist schwer zu sagen. Die Politik, die bis heute getrieben wurde, hat keine großen Ergebnisse für die Jugend insbesondere in den Vorstädten. Aber das ist eine sehr schwierige Situation mit einer sehr hohen Arbeitslosigkeit bei den jungen, und ich glaube, weder Sarkozy noch Hollande haben eine Wunderlösung für dieses Problem.
Meurer: Sehen Sie die Zukunft düster für die junge Generation in Frankreich?
Vernet: Ja, düster wahrscheinlich ja. Aber es gibt keine große Hoffnung, das muss ich zugeben.
Meurer: Ein Drittel aller Franzosen weiß noch nicht, wen sie am Sonntag wählen sollen. Bedeutet das, dass man die Umfragen nicht so ernst nehmen sollte wegen dieser vielen, die sich noch nicht entschieden haben?
Vernet: Ja, man muss sehr vorsichtig sein wegen der Leute, die noch nicht entschieden sind, und auch wegen der Wahlbeteiligung, die sehr groß sein könnte. Das könnte eine Rolle im Endergebnis spielen.
Meurer: Sie rechnen mit einer großen Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang? Habe ich Sie da richtig verstanden?
Vernet: Nein, nicht so groß, und deswegen könnte die Enthaltung auch für den einen und für den anderen Kandidaten sehr wichtig sein.
Meurer: Es gab ja mal eine Wahl, das ist jetzt zehn Jahre her, 2002. Da hat es im ersten Wahlgang den sozialistischen Kandidaten Lionel Jospin sozusagen aus der Kurve getragen und er kam gar nicht ins zweite Rennen. Halten Sie es für möglich, dass die Paarung im zweiten Wahlgang nicht heißen wird: Nicolas Sarkozy gegen François Hollande?
Vernet: Wenn die Meinungsumfragen nicht täuschen, sollte der zweite Wahlgang zwischen Sarkozy und Hollande sein, aber eine Überraschung ist nicht ausgeschlossen. Aber ich glaube nicht.
Meurer: Was wird am Sonntag die Entscheidung herbeiführen?
Vernet: Ich glaube, die wirtschaftliche Situation, die Arbeitslosigkeit und was wir schon über die Jugendlichen gesagt haben, das spielt eher gegen Sarkozy und gegen die Politik der letzten fünf Jahre. Deswegen hat François Hollande eine große Chance zu gewinnen, aber das wäre wahrscheinlich eher eine Wahl gegen Sarkozy als eine Wahl für François Hollande.
Meurer: Will sagen, Sie sind auch nicht so hundertprozentig überzeugt von Hollande?
Vernet: Ja, das ist das Problem. Man spürt keine große Begeisterung für Hollande. Aber in den letzten Tagen, würde ich sagen, hat er eine Dynamik herbeigeführt, die vielleicht täuschen könnte und die Meinung und die Stimmung der letzten Wochen könnte besser sein als vorhergesehen.
Meurer: In Deutschland hat in den letzten ein, zwei Jahren Nicolas Sarkozy, ich sage mal, einiges an Zustimmung dadurch gewonnen, dass er sich ja eng an die Politik von Angela Merkel angelehnt hat, an die Euro-Politik von Angela Merkel. Hollande hat nun gesagt, also das mit dem Fiskalpakt, da müsse man noch mal drüber reden. Was kommt da auf Angela Merkel zu, wenn Hollande die Wahl gewinnen sollte?
Vernet: Ja. Ich glaube, Hollande hat in dem Wahlkampf viel über Europa, über Wachstum, über Fiskalpakt gesprochen. Er hat gesagt, er wolle diesen Pakt wieder verhandeln, neu verhandeln. Aber ich glaube, er wird den Pakt akzeptieren mit ein paar Ergänzungen, was das Wachstum anbelangt, und das ist auch jetzt in den letzten Tagen die Haltung und die Politik von Sarkozy. Zumindest hat er das so gesagt.
Meurer: Aber hat Hollande nicht den Eindruck erweckt, dass er da eine ganz andere Euro-Politik als Sarkozy machen will?
Vernet: Ja, sicher. Aber er hat auch gesagt, er will am Ende seines Mandats, also in 2017, auch null Prozent Defizit im Haushalt, und das ist eine Politik der Finanzdisziplin. Aber er will auch, dass Europa und die Europäische Union und vielleicht auch die Europäische Kommission eine größere Rolle im Wirtschaftswachstum und in der Ankurbelung der Konjunktur spielen.
Meurer: Wie will François Hollande, den viele ja eben als Favorit sehen, wie will er denn für ein ausgeglichenes Budget sorgen, wenn er zunächst mal die Ausgaben steigern will?
Vernet: Ja das ist das Problem und das ist die Frage, die er nicht beantwortet hat. Ich glaube, er hat gesagt, wir brauchen zwei, drei Prozent Wachstum, und in dieser Situation werden die Staatsausgaben nur um ein Prozent steigen. Somit könnten es zwei Prozent für die Sanierung sein. Aber das ist eine Hoffnung, wo vielleicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht wurde.
Meurer: Was könnte, Herr Vernet, noch dazu führen, dass Nicolas Sarkozy allen Unkenrufen zum Trotz doch wiedergewählt wird als französischer Staatspräsident?
Vernet: Ja, das wäre eine sehr große Überraschung, aber es gibt, wie Sie wissen, zwei Wochen zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang und in diesen zwei Wochen könnte sehr viel passieren. Das ist wahrscheinlich die letzte und einige Hoffnung für Sarkozy.
Meurer: Am nächsten Sonntag findet der erste Wahlgang im französischen Präsidentschaftsrennen statt. Ich sprach darüber mit Daniel Vernet, dem ehemaligen Chefredakteur der französischen Tageszeitung "Le Monde". Herr Vernet, herzlichen Dank und auf Wiederhören nach Paris.
Vernet: Bitte! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Nächsten Sonntag also der erste Wahlgang, dann am 6. Mai die Entscheidung im zweiten Wahlgang. Über die Perspektiven will ich reden jetzt mit Daniel Vernet, er ist der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung "Le Monde". Guten Morgen, Herr Vernet.
Daniel Vernet: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Um vielleicht über die Jugendlichen zunächst zu reden, was wir gerade gehört haben. Wer bietet denn Ihrer Meinung nach sozusagen die besseren Perspektiven für die junge Generation in Frankreich, Nicolas Sarkozy oder François Hollande?
Vernet: Also das ist schwer zu sagen. Die Politik, die bis heute getrieben wurde, hat keine großen Ergebnisse für die Jugend insbesondere in den Vorstädten. Aber das ist eine sehr schwierige Situation mit einer sehr hohen Arbeitslosigkeit bei den jungen, und ich glaube, weder Sarkozy noch Hollande haben eine Wunderlösung für dieses Problem.
Meurer: Sehen Sie die Zukunft düster für die junge Generation in Frankreich?
Vernet: Ja, düster wahrscheinlich ja. Aber es gibt keine große Hoffnung, das muss ich zugeben.
Meurer: Ein Drittel aller Franzosen weiß noch nicht, wen sie am Sonntag wählen sollen. Bedeutet das, dass man die Umfragen nicht so ernst nehmen sollte wegen dieser vielen, die sich noch nicht entschieden haben?
Vernet: Ja, man muss sehr vorsichtig sein wegen der Leute, die noch nicht entschieden sind, und auch wegen der Wahlbeteiligung, die sehr groß sein könnte. Das könnte eine Rolle im Endergebnis spielen.
Meurer: Sie rechnen mit einer großen Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang? Habe ich Sie da richtig verstanden?
Vernet: Nein, nicht so groß, und deswegen könnte die Enthaltung auch für den einen und für den anderen Kandidaten sehr wichtig sein.
Meurer: Es gab ja mal eine Wahl, das ist jetzt zehn Jahre her, 2002. Da hat es im ersten Wahlgang den sozialistischen Kandidaten Lionel Jospin sozusagen aus der Kurve getragen und er kam gar nicht ins zweite Rennen. Halten Sie es für möglich, dass die Paarung im zweiten Wahlgang nicht heißen wird: Nicolas Sarkozy gegen François Hollande?
Vernet: Wenn die Meinungsumfragen nicht täuschen, sollte der zweite Wahlgang zwischen Sarkozy und Hollande sein, aber eine Überraschung ist nicht ausgeschlossen. Aber ich glaube nicht.
Meurer: Was wird am Sonntag die Entscheidung herbeiführen?
Vernet: Ich glaube, die wirtschaftliche Situation, die Arbeitslosigkeit und was wir schon über die Jugendlichen gesagt haben, das spielt eher gegen Sarkozy und gegen die Politik der letzten fünf Jahre. Deswegen hat François Hollande eine große Chance zu gewinnen, aber das wäre wahrscheinlich eher eine Wahl gegen Sarkozy als eine Wahl für François Hollande.
Meurer: Will sagen, Sie sind auch nicht so hundertprozentig überzeugt von Hollande?
Vernet: Ja, das ist das Problem. Man spürt keine große Begeisterung für Hollande. Aber in den letzten Tagen, würde ich sagen, hat er eine Dynamik herbeigeführt, die vielleicht täuschen könnte und die Meinung und die Stimmung der letzten Wochen könnte besser sein als vorhergesehen.
Meurer: In Deutschland hat in den letzten ein, zwei Jahren Nicolas Sarkozy, ich sage mal, einiges an Zustimmung dadurch gewonnen, dass er sich ja eng an die Politik von Angela Merkel angelehnt hat, an die Euro-Politik von Angela Merkel. Hollande hat nun gesagt, also das mit dem Fiskalpakt, da müsse man noch mal drüber reden. Was kommt da auf Angela Merkel zu, wenn Hollande die Wahl gewinnen sollte?
Vernet: Ja. Ich glaube, Hollande hat in dem Wahlkampf viel über Europa, über Wachstum, über Fiskalpakt gesprochen. Er hat gesagt, er wolle diesen Pakt wieder verhandeln, neu verhandeln. Aber ich glaube, er wird den Pakt akzeptieren mit ein paar Ergänzungen, was das Wachstum anbelangt, und das ist auch jetzt in den letzten Tagen die Haltung und die Politik von Sarkozy. Zumindest hat er das so gesagt.
Meurer: Aber hat Hollande nicht den Eindruck erweckt, dass er da eine ganz andere Euro-Politik als Sarkozy machen will?
Vernet: Ja, sicher. Aber er hat auch gesagt, er will am Ende seines Mandats, also in 2017, auch null Prozent Defizit im Haushalt, und das ist eine Politik der Finanzdisziplin. Aber er will auch, dass Europa und die Europäische Union und vielleicht auch die Europäische Kommission eine größere Rolle im Wirtschaftswachstum und in der Ankurbelung der Konjunktur spielen.
Meurer: Wie will François Hollande, den viele ja eben als Favorit sehen, wie will er denn für ein ausgeglichenes Budget sorgen, wenn er zunächst mal die Ausgaben steigern will?
Vernet: Ja das ist das Problem und das ist die Frage, die er nicht beantwortet hat. Ich glaube, er hat gesagt, wir brauchen zwei, drei Prozent Wachstum, und in dieser Situation werden die Staatsausgaben nur um ein Prozent steigen. Somit könnten es zwei Prozent für die Sanierung sein. Aber das ist eine Hoffnung, wo vielleicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht wurde.
Meurer: Was könnte, Herr Vernet, noch dazu führen, dass Nicolas Sarkozy allen Unkenrufen zum Trotz doch wiedergewählt wird als französischer Staatspräsident?
Vernet: Ja, das wäre eine sehr große Überraschung, aber es gibt, wie Sie wissen, zwei Wochen zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang und in diesen zwei Wochen könnte sehr viel passieren. Das ist wahrscheinlich die letzte und einige Hoffnung für Sarkozy.
Meurer: Am nächsten Sonntag findet der erste Wahlgang im französischen Präsidentschaftsrennen statt. Ich sprach darüber mit Daniel Vernet, dem ehemaligen Chefredakteur der französischen Tageszeitung "Le Monde". Herr Vernet, herzlichen Dank und auf Wiederhören nach Paris.
Vernet: Bitte! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.