Christoph Schmitz: Vor allem konservative Zeitgenossen werfen gerne den Begriff der Leitkultur in die Diskussion, wenn es um die Frage von Identität und Integration geht. Doch wenn es dann konkret wird, wenn kulturelle Substanz bewahrt werden soll, liegt manchem eher der Kommerz am Herzen als die Kultur. Ein Beispiel bietet derzeit das kleine schöne alte Biberach an der Riß in Oberschwaben. Der größte Sohn der Stadt ist der Spätaufklärer Christoph Martin Wieland, der Dichter heiterer Sinnlichkeit, der Weltfreude und der leichten Anmut, der erste Shakespeare-Übersetzer. Als Erzieher ihres Sohnes Carl August hatte Herzogin Anna Amalia Wieland an den Hof von Weimar berufen, wo er zusammen mit Goethe, Schiller und Herder die Hochzeit klassischer deutscher Kultur veranstaltete. Doch in Biberach ist Wieland zu seiner philosophischen und dichterischen Reife gelangt mit Werken wie "Geschichte des Agathon" oder "Don Sylvio von Rosalva". Nun hat sich aber die Bürgerschaft dort offenbar dazu entschlossen, die großen Schätze ihres Wieland-Museums zu verkaufen. Wilhelm Hindemith hat recherchiert, worin besteht dieser Schatz?
Wilhelm Hindemith: Der Schatz des Wielandarchivs besteht aus 14.600 Büchern zu den Schwerpunkten: Christoph Martin Wielands Werke, zeitgenössische Literatur, Sekundärliteratur, Rekonstruktion von Wielands Bibliothek nach dem Versteigerungsverzeichnis von 1814, also ein Jahr nach seinem Tod. Dann gibt es Sammlungen zu Sophie La Roche, zum Theater des 18. Jahrhundert. Das ist im groben Umriss der Bestand.
Schmitz: Aber auch viele Handschriften?
Hindemith: Auch Handschriften! Ja! Viele Handschriften, Briefe und auch ganz wertvolle Briefe darunter. Und es sind vor allen Dingen, was ganz wichtig ist, die Altertumsgesellschaft in Biberach hat seit 1905 sämtliche Ausgaben von Wieland gesammelt. Und da sind sehr wertvolle Sachen dabei.
Schmitz: Das soll nun alles verkauft werden, Herr Hindemith.
Hindemith: Ja.
Schmitz: An wen und für wie viel Geld?
Hindemith: Ja, wissen Sie, wenn Sie die Sprachregelungen der Verwaltungsleute sich anhören, dann wird das alles transferiert in noble Gesellschaften und so weiter. Da ist von Herrn Reemtsma, der eigentlich gemeint ist, kaum die Rede. Aber das ist natürlich ein Trick. Wer einigermaßen lesen kann, wird schon sehen, wer das ist in Oßmannstedt, an den das verschachert werden soll, nämlich der Herr Philipp Reemtsma. Der Arno-Schmidt-Epigone, der durch Schmidt auf Wieland kam, eine Riesendissertation geschrieben hat über den Aristide von Wieland und jetzt das Anwesen Oßmannstedt restauriert hat.
Schmitz: In der Nähe von Weimar, wo Wieland ja eine Zeit seines Lebens verbracht hat.
Hindemith: Genau! Aber nur ganz wenig Zeit eigentlich. Ab 1797 und Anfang des 19. Jahrhundert kehrt er dann schon wieder zurück nach Weimar, weil er musste das Gut dann verkaufen, er kam in Schwierigkeiten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls ist es ja ganz löblich, dass Herr Reemtsma das macht. Und es soll jetzt eine historisch-kritische Ausgabe gemacht werden, was ich nie glaube, dass das gelingt, es ist schon öfters passiert. Und wenn man weiß, wie es um das Werk von Wieland steht, wie wenig Leser er hat, leider, und wie komplex das auch ist, dann glaubt man nicht, vor allen Dingen nicht als Literaturwissenschaftler wie ich, an das Gelingen einer solchen Ausgabe. Das geht es halt wiederum nur darum ein paar Wissenschaftler zu verköstigen die nächsten Jahre, ich sage es mal ganz polemisch, mehr wird dabei nicht herauskommen. Es gibt ja schon eine Wielandausgabe, die auch gescheitert ist.
Schmitz: Dennoch, Herr Hindemith, ich meine, das Archiv wäre ja in den Händen von Reemtsma ganz gut aufgehoben. Die Frage ist doch...
Hindemith: Ich glaube nicht!
Schmitz: ... wie groß ist dieser, wie konkret ist dieser Plan der Stadt Biberach diesen kulturellen Schatz zu veräußern und nicht in der Stadt, in dieser Forschungsstätte im Wielandarchiv zu behalten?
Hindemith: Also, das Interesse ist groß. Denn man will den Wieland eigentlich los werden. Man weiß nichts mehr mit ihm anzufangen. Und ich denke, Herr Reemtsma pendelt in seinen Vorstellungen - jedenfalls ist mir das von verschiedenen Seiten zu Ohren gekommen, eine exakte Zahl wird hier nicht präsentiert - so um eine Million herum, das soll er wohl bezahlen. Und das wäre für Biberach gut, dann hätten sie den schwierigen Dichter los und sie könnten dann eine Gedenkstätte machen, von der sie sich stadtmarketingmäßig mehr versprechen. Das ist aber eben auch ein gewaltiger Irrtum.
Schmitz: Aber bevor Sie das einordnen und bewerten, doch noch die Frage, was konkret hat denn die Stadt Biberach mit diesem Geld vor? Eine Gedenkstätte? Welche Gedenkstätte? Für Wieland? Wie soll die aussehen?
Hindemith: Eine Dichtergedenkstätte. Dort soll dann repräsentiert werden oder präsentiert werden der Lebensstil Wielands und die Theatergeschichte, die Shakespeareübersetzungen und natürlich dann auch allen möglichen modernen Schnickschnack, wissen Sie, Sie müssen ja nur mal die Marbacher Schillerausstellung gesehen haben letztes Jahr, dann wissen Sie wie Sie so was einzuschätzen haben.
Schmitz: Beschreiben Sie es doch mal, und schätzen Sie es dann ein.
Hindemith: Ja, dann werden eben irgendwelche Schnupftabaksdosen auf irgendwelche Tische gestellt oder irgendwelche Perücken oder Utensilien des 18. Jahrhunderts, die man überall aufstellen kann, nicht? Außerdem haben sie ja einen Schauraum. Sie haben ja jetzt schon einen Schauraum. Und sie haben das Wieland-Gartenhaus. Und es sind ja auch ein paar schöne Sache drin. Aber sie wollen jetzt ein neues Museum bauen, also eine noch größere Gedenkstätte für diesen großen Sohn. Das ist eine sehr vordergründige zeitgeistige Idee mit der man sich populär machen möchte und den Leuten gefallen will. Aber man verscherbelt dabei einen echten Schatz, der für die künftigen Generationen in Biberach wichtig wäre.
Schmitz: Wilhelm Hindemith über Biberach und den geplanten Verkauf der Wieland-Bibliothek.
Wilhelm Hindemith: Der Schatz des Wielandarchivs besteht aus 14.600 Büchern zu den Schwerpunkten: Christoph Martin Wielands Werke, zeitgenössische Literatur, Sekundärliteratur, Rekonstruktion von Wielands Bibliothek nach dem Versteigerungsverzeichnis von 1814, also ein Jahr nach seinem Tod. Dann gibt es Sammlungen zu Sophie La Roche, zum Theater des 18. Jahrhundert. Das ist im groben Umriss der Bestand.
Schmitz: Aber auch viele Handschriften?
Hindemith: Auch Handschriften! Ja! Viele Handschriften, Briefe und auch ganz wertvolle Briefe darunter. Und es sind vor allen Dingen, was ganz wichtig ist, die Altertumsgesellschaft in Biberach hat seit 1905 sämtliche Ausgaben von Wieland gesammelt. Und da sind sehr wertvolle Sachen dabei.
Schmitz: Das soll nun alles verkauft werden, Herr Hindemith.
Hindemith: Ja.
Schmitz: An wen und für wie viel Geld?
Hindemith: Ja, wissen Sie, wenn Sie die Sprachregelungen der Verwaltungsleute sich anhören, dann wird das alles transferiert in noble Gesellschaften und so weiter. Da ist von Herrn Reemtsma, der eigentlich gemeint ist, kaum die Rede. Aber das ist natürlich ein Trick. Wer einigermaßen lesen kann, wird schon sehen, wer das ist in Oßmannstedt, an den das verschachert werden soll, nämlich der Herr Philipp Reemtsma. Der Arno-Schmidt-Epigone, der durch Schmidt auf Wieland kam, eine Riesendissertation geschrieben hat über den Aristide von Wieland und jetzt das Anwesen Oßmannstedt restauriert hat.
Schmitz: In der Nähe von Weimar, wo Wieland ja eine Zeit seines Lebens verbracht hat.
Hindemith: Genau! Aber nur ganz wenig Zeit eigentlich. Ab 1797 und Anfang des 19. Jahrhundert kehrt er dann schon wieder zurück nach Weimar, weil er musste das Gut dann verkaufen, er kam in Schwierigkeiten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls ist es ja ganz löblich, dass Herr Reemtsma das macht. Und es soll jetzt eine historisch-kritische Ausgabe gemacht werden, was ich nie glaube, dass das gelingt, es ist schon öfters passiert. Und wenn man weiß, wie es um das Werk von Wieland steht, wie wenig Leser er hat, leider, und wie komplex das auch ist, dann glaubt man nicht, vor allen Dingen nicht als Literaturwissenschaftler wie ich, an das Gelingen einer solchen Ausgabe. Das geht es halt wiederum nur darum ein paar Wissenschaftler zu verköstigen die nächsten Jahre, ich sage es mal ganz polemisch, mehr wird dabei nicht herauskommen. Es gibt ja schon eine Wielandausgabe, die auch gescheitert ist.
Schmitz: Dennoch, Herr Hindemith, ich meine, das Archiv wäre ja in den Händen von Reemtsma ganz gut aufgehoben. Die Frage ist doch...
Hindemith: Ich glaube nicht!
Schmitz: ... wie groß ist dieser, wie konkret ist dieser Plan der Stadt Biberach diesen kulturellen Schatz zu veräußern und nicht in der Stadt, in dieser Forschungsstätte im Wielandarchiv zu behalten?
Hindemith: Also, das Interesse ist groß. Denn man will den Wieland eigentlich los werden. Man weiß nichts mehr mit ihm anzufangen. Und ich denke, Herr Reemtsma pendelt in seinen Vorstellungen - jedenfalls ist mir das von verschiedenen Seiten zu Ohren gekommen, eine exakte Zahl wird hier nicht präsentiert - so um eine Million herum, das soll er wohl bezahlen. Und das wäre für Biberach gut, dann hätten sie den schwierigen Dichter los und sie könnten dann eine Gedenkstätte machen, von der sie sich stadtmarketingmäßig mehr versprechen. Das ist aber eben auch ein gewaltiger Irrtum.
Schmitz: Aber bevor Sie das einordnen und bewerten, doch noch die Frage, was konkret hat denn die Stadt Biberach mit diesem Geld vor? Eine Gedenkstätte? Welche Gedenkstätte? Für Wieland? Wie soll die aussehen?
Hindemith: Eine Dichtergedenkstätte. Dort soll dann repräsentiert werden oder präsentiert werden der Lebensstil Wielands und die Theatergeschichte, die Shakespeareübersetzungen und natürlich dann auch allen möglichen modernen Schnickschnack, wissen Sie, Sie müssen ja nur mal die Marbacher Schillerausstellung gesehen haben letztes Jahr, dann wissen Sie wie Sie so was einzuschätzen haben.
Schmitz: Beschreiben Sie es doch mal, und schätzen Sie es dann ein.
Hindemith: Ja, dann werden eben irgendwelche Schnupftabaksdosen auf irgendwelche Tische gestellt oder irgendwelche Perücken oder Utensilien des 18. Jahrhunderts, die man überall aufstellen kann, nicht? Außerdem haben sie ja einen Schauraum. Sie haben ja jetzt schon einen Schauraum. Und sie haben das Wieland-Gartenhaus. Und es sind ja auch ein paar schöne Sache drin. Aber sie wollen jetzt ein neues Museum bauen, also eine noch größere Gedenkstätte für diesen großen Sohn. Das ist eine sehr vordergründige zeitgeistige Idee mit der man sich populär machen möchte und den Leuten gefallen will. Aber man verscherbelt dabei einen echten Schatz, der für die künftigen Generationen in Biberach wichtig wäre.
Schmitz: Wilhelm Hindemith über Biberach und den geplanten Verkauf der Wieland-Bibliothek.