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"Man wundert sich schon, welche Ängste hier herrschen"

Der gestrige Benzingipfel in Berlin hat ergeben: Es braucht eine Informationsoffensive zum Biokraftstoff E10. Axel Graf Bülow, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Freier Tankstellen, betont: Die Listen, welches Auto E10 verträgt, gebe es längst an den Tankstellen - man müsse eben nur danach fragen.

Axel Graf Bülow im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Für die Bundesregierung läuft es derzeit, man kann wohl sagen, suboptimal. Erst die Plagiatsaffäre um Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, jetzt der massive Ärger um die Einführung des Superbenzins mit 10prozentigem Ethanol-Anteil, kurz E-10. Die Verbraucher machen weiter einen weiten Bogen um die Sorge, weil sie befürchten, dass der Motor ihres Wagens Schaden nehmen könnte und sie am Ende auf den Kosten sitzen bleiben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bezeichnete Umweltminister Norbert Röttgen nun als "Totalausfall" und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, der lud gestern zum sogenannten Benzingipfel, um eine Lösung des Problems zu erreichen.

    Mit dabei Axel Graf Bülow, er ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Freier Tankstellen und unabhängiger deutscher Mineralölhändler e.V., und der vertritt Betreiber von fast 2000 Tankstellen in Deutschland. Guten Morgen, Herr von Bülow.

    Axel Graf Bülow: Guten Morgen!

    Heckmann: Herr von Bülow, gestern also der Benzingipfel in Berlin. Fazit: eine Infooffensive soll es jetzt richten. Wird jetzt alles gut?

    Bülow: Wir hoffen es doch, denn wir haben schon den Eindruck, dass der Verbraucher einfach verunsichert ist und mehr Informationen haben will, denn das Produkt ist an sich hervorragend, es ist geeignet, es entspricht allen Normen, und auch die Motorenhersteller haben gestern versichert, dass es damit für die geeigneten Motoren überhaupt keine Probleme geben wird. Insofern hoffen wir doch, dass es nun aufwärts geht.

    Heckmann: Die Verbraucherschützer, die hatten gefordert, dass das Kraftfahrtbundesamt jeden einzelnen Autofahrer anschreibt und ihn per Brief informiert. Da konnte man sich gestern auf dem sogenannten Benzingipfel offenbar nicht darauf einigen, wer die Kosten dafür übernimmt. Rund 20 Millionen Euro soll das wohl kosten. Jetzt wurde vereinbart, dass an den Tankstellen Listen ausgelegt werden sollen, aus denen ersichtlich ist, welches Auto E-10 verträgt und welches nicht. Reicht das, oder ist das ein Fehler, auf allein diese Maßnahme zu setzen?

    Bülow: Das ist sicher kein Fehler, denn diese Liste ist ein ganz hervorragendes Hilfsmittel für den Verbraucher, sich zu orientieren. Die gibt es übrigens an den meisten Tankstellen schon jetzt, man muss nur danach fragen. Es ist nur das Problem, dass diese Listen eben auch wirklich zugänglich gemacht werden sollen und werden und dass unser Personal dann auch darauf hinweist, dass es diese Listen gibt. Wir werden da, wo sie noch nicht sind, sie unmittelbar jetzt an die Tankstellen bringen lassen durch unsere Mitglieder, und man kann sie auch von unserer Website herunterladen, wie übrigens auch beim ADAC und bei vielen anderen. Also verfügbar ist die Liste schon jetzt, aber man muss es wie so oft dem Verbraucher etwas mundgerechter machen, und da wollen wir mithelfen, dass das auch passiert.

    Heckmann: Die Automobilhersteller haben ja gestern betont, ihre Angaben in diesen Listen, die verbreitet werden, seien verbindlich. Würden Sie denn den Verbrauchern raten, sich auf diese Angaben der Hersteller zu verlassen?

    Bülow: Da kann man sich absolut drauf verlassen. Wer lesen kann und diese Listen entsprechend auswertet - das ist keine schwarze Kunst -, der kann sehr schnell feststellen, ob sein Auto für das Benzin geeignet ist oder nicht, und kann danach dann auch handeln. Und wer noch unsicher sein sollte, vielleicht in dem einen oder anderen Fall, der ruft eben bei seiner Werkstatt an, oder die Hotlines, die wir auch an den Tankstellen als Handzettel auslegen werden. Also ich sehe eigentlich keine großen Probleme für den Verbraucher, wenn er sich informieren will, sich zu informieren, und ich hoffe mal, dass durch dieses Aufrütteln von gestern nun doch da Klarheit herrscht und der Verbraucher auch das neue Produkt annimmt.

    Heckmann: Das Problem, das die Verbraucherschützer allerdings sehen, ist, dass wenn ein Schaden entsteht, der Besitzer des Fahrzeugs dann den Beweis erbringen muss, dass das eben durch E10 entstanden ist. Sehen Sie dieses Problem nicht?

    Bülow: Nein, das Problem sehe ich nicht, weil dieses Produkt für 99 Prozent der deutschen Fahrzeuge und 93 Prozent aller zugelassenen Fahrzeuge eigentlich völlig problemlos ist. Also man wundert sich schon, welche Ängste hier herrschen. Man kann es irgendwo verstehen durch die auch in den Medien verbreiteten diffusen Angstkampagnen, möchte ich fast sagen. Die sind aber wirklich völlig unbegründet. Alles das, was einige Hersteller da in den letzten Tagen verlauten ließen, bezog sich nicht auf den deutschen Markt, und das sollte nun auch irgendwo in den Köpfen ankommen, finde ich, und der Verbraucher soll das günstige Produkt nun tanken. Dann braucht er keine Gefahren zu fürchten. Auch die Beweislastumkehr, wie sie von den Verbraucherschützern - so heißt das im Fachjargon - gefordert wurde, bringt ja keine echte Hilfe, denn auch da muss ich natürlich irgendwo erst mal den Zusammenhang herstellen, wenn es denn zu einem Schaden kommt. Ich sehe da keine großen Vorteile, wenn man so etwas machen würde, und es würde trotzdem im Zweifel Streitereien geben, wenn mal irgendwas an einem Motor ist. Insofern bitte ich da um Verständnis, dass man dem auch nicht folgen konnte.

    Heckmann: Was machen Sie denn als Bundesverband Freier Tankstellen, wenn diese Infooffensive nicht zündet? Werden Sie dann E10 aus dem Angebot nehmen?

    Bülow: Wir als Freie Tankstellen sind ja nicht die Produzenten dieses Kraftstoffes, das muss man an dieser Stelle einmal sagen. Wir kaufen diesen Kraftstoff ein, fast so wie der Verbraucher, bloß dass wir eine Stufe höher einsteigen, bei der Raffinerie.

    Heckmann: Und Sie verkaufen ihn dann!

    Bülow: Wir verkaufen ihn dann und wenn wir ihn am Markt bekommen und wenn er sich am Markt etabliert - und das tut er übrigens zunehmend; es ist also doch so, dass die Absätze langsam, aber stetig nach oben gehen -, dann werden wir das Produkt auch anbieten. Wenn es am Markt nicht verkäuflich ist, wird man es natürlich irgendwann herausnehmen, wie jedes andere Produkt auch, aber ich sehe hier überhaupt noch keine Gründe, dies zu tun, und ich gehe davon aus, dass jetzt auch so ein Schub nach oben losgeht.

    Heckmann: Glauben Sie denn, dass E10 doch noch den Durchbruch bekommt, oder muss man befürchten, wie das die Verbraucherschützer sehen oder ein Teil der Verbraucherschützer, dass das Projekt eigentlich schon tot ist nach diesem ganzen Hin und Her?

    Bülow: Ich würde es auf keinen Fall als tot bezeichnen, denn erstens hat die ganze Branche, inklusive übrigens auch der Automobilindustrie, sehr viel in dieses Projekt investiert, es ist ein sicheres Produkt, und wie gesagt, die Verbraucher gehen auch zunehmend darauf zu, und deshalb sehe ich da eine hervorragende Chance, dass wir dieses umweltfreundliche und auch völlig gefahrlose Produkt für die Autos weiterhin am Markt haben werden.

    Heckmann: Sie haben sehr viel investiert, sagen Sie auch. Ist das möglicherweise mit ein Grund, weshalb Sie sich jetzt für E10 so stark machen?

    Bülow: Ach wissen Sie, wir haben auch für Biodiesel seinerzeit investiert, für reinen Biodiesel, den man dann mit Steuergründen aus dem Markt genommen hat. Das hat uns natürlich auch nicht gefallen. Wir passen uns dem Markt als Freie Tankstellen ohnehin sehr flexibel an, und die Investitionen waren zwar nicht schön oder nicht wenig, aber letztendlich waren sie natürlich auch nicht so, dass sie einen umbringen, wenn man sie dann umsonst erbracht hat. Nur die Zufriedenheit mit einem Produkt steigt natürlich auch mit der Akzeptanz, das ist völlig klar, das will ich nicht in Abrede stellen, ist aber nicht der Grund dafür, dass man jetzt sich an ein Produkt klammert, was möglicherweise dann nicht laufen würde. Ich bin auch von dem Produkt überzeugt, wir haben da jahrelang in den Ausschüssen, im DIN-Ausschuss, also in den Normungsausschüssen, darum gerungen und haben es dann zu einem hervorragenden Produkt gemacht, warum soll man das nicht dem Verbraucher weiterhin anbieten.

    Heckmann: In den USA, in Brasilien wird ja schon längst seit Jahren E15, E25 verkauft. Hier gibt es ein Riesenchaos um E10. Wer hat dieses Chaos aus Ihrer Sicht angerichtet?

    Bülow: Das war sicher keine Glanzleistung der Kommunikation, aber das möchte ich sagen auf allen Seiten. Es liegt aber auch daran, dass wir in Deutschland eine hohe Kultur des Bedenkens haben, um es mal so zu sagen, und das war eben nicht ganz einfach, die Verantwortlichkeiten am Anfang auch zu klären, wer macht was. Sicher hat auch die Mineralölindustrie, zu der ich ja nun mich im weitesten Sinne auch zählen darf, als Verband der Freien Tankstellen, auch seine Defizite gehabt, aber das wollen wir eben jetzt durch die Kampagne versuchen auszugleichen. Wir hoffen aber, auch die anderen Beteiligten, Bundesregierung mit den Umweltschutzaspekten, die Automobilindustrie mit der Sicherheit für den Verbraucher, also für den Autofahrer, dass die Fahrzeuge geeignet sind, aber auch die Verbraucherschützer, auch der ADAC und die anderen Verbände, sollten sich am Portepee fassen und das Produkt jetzt auch so behandeln, wie es das verdient, nämlich als hervorragendes Benzin in diesem deutschen Markt.

    Heckmann: Letzte Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort. Umweltminister Röttgen hat die Verantwortung voll auf die Mineralölwirtschaft abgewälzt. Wie stehen Sie zu dieser Position?

    Bülow: Na ja, das klang gestern im Gipfel schon etwas relativierter, um es mal so zu sagen. Das war sicher auch die Folge der in der Presse hochgekommenen Unruhe. Aber ich glaube, wir haben gestern einen vernünftigen Weg gefunden, alle zusammen am Karren zu ziehen, damit er aus dem Dreck kommt.

    Heckmann: Axel Graf Bülow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Freier Tankstellen, war das hier live im Deutschlandfunk. Herr von Bülow, danke Ihnen für das Gespräch.

    Bülow: Danke Ihnen!