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Manche Schädlinge mögen's heiß

Biologie. - Eine weniger beachtete Folge der Klimaerwärmung könnte sein, dass sich Schadinsekten bei höheren Temperaturen besonders gut entwickeln und vermehren. Das wiederum könnte zu stärkerem Pestizideinsatz führen. Auf einer Konferenz der Gesellschaft für Umwelttoxikologie und Chemie (SETAC) präsentierten Forscher ihre Prognosen über die Auswirkungen dieser zusätzlichen Belastung.

Von Christine Westerhaus | 03.06.2009
    Insekten mögen es warm. Ihre Eier schlüpfen bei höheren Temperaturen schneller und die hungrigen Larven machen sich früher auf die Suche nach Nahrung. Um Nutzpflanzen vor den gefräßigen Insekten zu schützen, setzen die Landwirte deshalb schon viel eher im Jahr Pestizide ein. Wenn die Temperaturen steigen, wird es außerdem immer mehr Flächen geben, die landwirtschaftlich genutzt werden können. Denn der Anbau von Gemüse oder Getreide lohnt sich dann auch in Regionen, in denen es bisher zu kalt war. Auch das führt dazu, dass in Zukunft mehr Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt werden müssen, sagt Matthias Liess vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.

    "Diese Effekte werden vor allem im Norden von Europa, das heißt, Schweden, Finnland Dänemark von größerer Bedeutung sein als im Vergleich zu Mitteleuropa, weil dort die Erhöhung der Temperatur mehr als in anderen Bereichen Europas zu einer Vermehrung der Schadinsekten führen wird, weil dort die Temperatur limitierend ist. Im Süden von Europa ist die Entwicklung der Schadinsekten nicht limitiert durch die Temperatur. Eine weitere Erhöhung der Temperatur dort bringt den Schadinsekten nicht so viel."

    Um eine Prognose für die Zukunft abgeben zu können, hat der Ökologe verglichen, wie die Temperatur und die verwendeten Pestizidmengen in verschiedenen Ländern zusammenhängen. Dabei stellte er fest: Desto höher die mittlere Temperatur, desto größer ist die Menge der eingesetzten Schädlingsbekämpfungsmittel.

    "Wir haben dann natürlich vorhandene Klimamodelle verwendet um diesen Zusammenhang hochzurechnen. Also den Zusammenhang, den wir jetzt schon sehen können aufgrund der erhöhten Temperatur und der Anwendung von Pestiziden. Das kann man relativ einfach hochrechnen und sagen, wenn es in Finnland so warm wird wie in Deutschland, dann werden sie so viel Pestizide anwenden wie wir jetzt in Deutschland anwenden."

    Pestizide bringen jedoch nicht nur Pflanzenschädlinge um - sie wirken gleichermaßen auf nützliche Insekten. Deshalb bringen sie rasch das Gleichgewicht in einem Ökosystem durcheinander, weil nur die unempfindlichsten Arten die Giftattacke überleben. Zudem reichern sich die Insektizide in der Umwelt an und schädigen durch ihre giftige Wirkung auch andere Organismen - vor allem in Gewässern. Für die dort vorkommenden Lebewesen bedeutet der Klimawandel also mehrfachen Stress: Sie müssen sich an höhere Wassertemperaturen anpassen und mit größeren Schadstoffmengen zurechtkommen. Zusätzlichen Druck könnten die Organismen dadurch bekommen, dass der Klimawandel den Salzgehalt in Gewässern durcheinander bringt. Diesen Effekt hat Ben Kefford vom australischen Royal Melbourne Institut für Technologie untersucht.

    "Der Salzgehalt von Gewässern ändert sich durch den globalen Kreislauf zwischen Regen, Verdunstung und dem Wasser, dass die Pflanzen aufnehmen. Wenn sich dieses Gleichgewicht durch den Klimawandel verschiebt, ändert sich also auch die Menge an anorganischen Stoffen, die im Wasser gelöst sind. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Salzgehalt ändern wird und das wird sich natürlich auf die Organismen auswirken."

    Ben Kefford und seine Kollegen haben Daten über den Salzgehalt in australischen Gewässern ausgewertet. Seit 1963 werden diese gesammelt. Dabei haben sie beobachtet, dass der Salzgehalt als Folge des Klimawandels schwankt. Gleichzeitig haben sie im Labor gemessen, wie sich diese Veränderungen auf Wassertiere auswirken. Beispielsweise auf Würmer, Schnecken oder Krebse.

    "Es ist schwierig vorauszusagen, wie genau die Folgen aussehen werden, weil wir nicht wissen, ob der Salzgehalt zu- oder abnehmen wird. Beides wirkt sich aber auf die Organismen aus, denn sie geraten in Stress, weil sie ihr ökologisches Gleichgewicht bewahren müssen. Wasser hat die Tendenz, in den Körper einzudringen, wenn der Salzgehalt dort größer ist. Auf der anderen Seite sorgt der osmotische Druck dafür, dass Wasser aus dem Körper strömt, wenn der Salzgehalt im Wasser höher ist. Ändert sich die Menge an anorganischen Stoffen im Wasser, muss ein Organismus also zusätzliche Energie dafür aufwenden, Wasser in den Körper hinein oder wieder heraus zu pumpen."

    Weil manche Arten mit diesem zusätzlichen Stress besser zurechtkommen, wird sich die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften ändern, sagen die Forscher voraus. Der Klimawandel wird also voraussichtlich einmal mehr dafür sorgen, dass unempfindliche Organismen im Vorteil sind.