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Manchester-Attentat
"Die Zerstörung der Popkultur ist ein Mittel zum Zweck"

Dass sich der Selbstmordattentäter in Manchester ausgerechnet auf dem Konzert der Sängerin Ariana Grande in die Luft sprengte, sei eher zufällig, sagte der Islamexperte Bamdad Esmaili im DLF. Die Terroristen wollten möglichst viele junge Leute treffen. Nicht Popkultur sei das Feindbild der Terroristen, sondern Europäer, Christen und Andersdenkende.

Bamdad Esmaili im Gespräch mit Anja Buchmann |
    Notfallhelfer helfen Verletzten nach dem Attentat auf die Manchester Arena am 22. Mai 2017
    Notfallhelfer helfen Verletzten nach dem Attentat auf die Manchester Arena. (imago stock&people/Zumba Press)
    Anja Buchmann: Die Popmusikerin Ariana Grande ist seit gestern nicht nur Teenies ein Begriff, als bei ihrem Konzert Montag Abend in Manchester ein Selbstmord-Attentat verübt wurde, bei dem mindestens 22 Menschen starben. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat die Tat für sich zumindest reklamiert. Ein Anschlag natürlich gegen Menschen und ein Anschlag auch gegen die Popkultur – die ja seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle gerade in Manchester spielt. Der Journalist und Islamexperte Bamdad Esmaili arbeitet unter anderem als Moderator bei der Online-Plattform "WDR for you", ein Informations-Portal für arabische und persische Geflüchtete. Ich begrüße ihn bei uns im Studio. Schönen Guten Tag Herr Esmaili.
    Bamdad Esmaili: Hallo, grüße Sie.
    Buchmann: Herr Esmaili, haben Sie auch Kontakt zu Geflüchteten und können uns sagen, wie die aktuell auf den Anschlag reagiert haben?
    Esmaili: Natürlich haben wir Kontakt. Die sind natürlich besorgt. Jedes mal wenn so ein Anschlag passiert sind sie besorgt, weil sie dann denken: 'Was passiert mit meinem Asylverfahren hier in Deutschland? Wie werden wir in Deutschland angesehen? Sind wir für die Deutschen auch Terroristen?'
    Buchmann: Stehen wir unter Generalverdacht?
    Esmaili: Generalverdacht, genau das ist das Stichwort. Insofern sind sie natürlich besorgt, Beispiel Anis Amri, wo die Gesetze dann jetzt verschärft wurden letzte Woche. Und das betrifft sie dann halt so und deswegen sind sie besorgt, ja.
    "Die Popkultur ist kein Feindbild der Terroristen"
    Buchmann: Popkultur ist ja einerseits ein großes Feindbild der Terroristen. Es geht um Freizügigkeit, Spaß, Feiern, Kulturimperialismus, aber auch ein Mittel zur Propaganda. Es werden Hassvideos im Musik-Clip Stil gesendet, gestreamt. Es gibt Jihad-Rap zum Beispiel vom Frankfurter Rapper "SadiQ" oder Denis Cuspert alias "Deso Dogg". Was ist das für ein Spagat mit der Popkultur? Wie würden Sie das bewerten?
    Esmaili: Auf der einen Seite versuchen sie durch die Zerstörung der Popkultur beziehungsweise durch diese Angst, die sie verbreiten, versuchen sie auf der einen Seite die Leute einzuschüchtern, um Konzerte zu besuchen, um öffentliche Plätze zu besuchen. Das ist aber nicht so, dass die Popkultur jetzt ein Feindbild der Terroristen ist, weil das Feindbild an sich sind die Europäer, sind die Christen, sind die nicht-religiösen Muslime, einfach Andersdenkende.
    Auf einer elektronischen Werbetafel steht "Pray for Manchester  auf dem Hintergrund einer britischen Flagge. 22 Menschen wurden bei einem Konzert der US-Sängerin Ariana Grande in Manchester getötet.
    Auf einer elektronischen Werbetafel steht "Pray for Manchester auf dem Hintergrund einer britischen Flagge. (AFP / Ben Stensall)
    Buchmann: Popkultur, entschuldigung wenn ich unterbreche, ist dann in dem Fall eines Konzerts oder Festivals einfach ein Platz wo sich möglichst viele Menschen an einem Ort versammeln.
    Esmaili: Richtig. Es geht bei denen nicht explizit um die Popkultur, um die Zerstörung der Popkultur sondern das ist ein Mittel zum Zweck. Das heißt, auch "Bataclan", da war halt ein Ziel, dass die möglichst viele Leute treffen. Ich weiß nicht ob die explizit "Bataclan" ausgesucht haben oder einfach ob sie viele Leute erreichen wollten. Und das gleiche Beispiel jetzt mit Manchester. Also, sie haben einfach versucht einen Ort auszusuchen, wo viele Leute sich bewegen und jetzt gerade bei Manchester wollten sie natürlich vor allem junge Leute, Kinder, Jugendliche erreichen, um einfach noch mehr weh zu tun, denke ich mal.
    "Sie wollten einfach viele Leute erreichen"
    Buchmann: Warum steht denn eine Musikerin wie Ariana Grande und ihre Fans für das verhasste System. Können Sie sich das erklären? Also vielleicht auch gerade diese Musikerin oder ist das auch wieder im Prinzip Zufall und es ging um die Versammlung von vielen Menschen an einem Ort.
    Esmaili: Das muss man jetzt natürlich direkt den Terroristen fragen. Ich würde sagen das war eher zufällig. Sie wollten einfach viele Leute erreichen, sie wollten jetzt junge Leute erreichen und ich würde jetzt behaupten, dass Ariana Grande einfach Zufall war.
    Popstar Ariana Grande bei den 58. Grammys in Los Angeles.
    Popstar Ariana Grande (picture alliance / dpa / Paul Buck)
    Buchmann: Man könnte als eventuelle Begründung auch noch mit anführen, dass Ariana Grande so ein bisschen das Bild einer Kind-Frau und einer "Lolita" verkörpert, die dann insbesondere auch vielleicht so ein bisschen eine Verfügbarkeit von Frauen im übertragenen Sinne präsentiert und dass das dann noch mal ein willkommeneres Ziel war, im Rahmen einer bestimmten Denkweise.
    Esmaili: Genau. Ariana Grande, jung, 23, hat ganz, ganz viele junge Fans, sehr erfolgreich, sehr beliebt bei jungen Leuten. Das ist wahrscheinlich ein Grund, wo sie dann gedacht haben: Okay, rund 20.000 Leute kommen da hin, sie ist beliebt, also machen wir das da, um einfach mehr Leute zu erreichen, mehr Leute zu zerstören.
    "Bei Kindern tut es leider am meisten weh"
    Buchmann: Aber eben auch mehr junge Menschen. Wie sie gerade schon erwähnt haben, da waren ja sehr viele junge Menschen bei dem Konzert unter anderem glaube ich sogar auch die Töchter von Pep Guardiola, das nur am Rande erwähnt. Ist das eine neue Eskalationsstufe, dass man sich konkret auf jüngere Menschen fokussiert?
    Esmaili: Ich befürchte ja. Ich befürchte sie wollen einfach Angst einjagen bei den Leuten. Und wo tuts weh? Natürlich gerade bei Kindern, bei Jugendlichen. Da tut es leider am meisten weh und ich würde befürchten, dass es so ist, dass sie tatsächlich junge Leute erreichen wollen.
    Bassist Paolo Gregoletto tritt am 08.06.2014 am vierten Festivaltag beim Rockfestival "Rock am Ring" auf dem Nürburgring bei Nürburg (Rheinland-Pfalz) mit der US-amerikanischen Metal-Band Trivium auf.
    Die Metal-Band Trivium bei "Rock am Ring" 2014 (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    Buchmann: Jetzt beginnt die Festival-Saison demnächst oder ist eigentlich schon dabei zu beginnen. "Rock am Ring" in Deutschland ist dann am Pfingstwochenende. "Isle of Wight" in Südengland dann am Wochenende danach zum Beispiel. Wie steht es um die Sicherheit? Müssen sich jetzt Menschen, die auf Konzerte und auf Festivals gehen besonders in Acht nehmen oder Sorgen machen?
    Esmaili: Ich persönlich würde sagen man soll sich das nicht vermiesen lassen. Und voraussehen kann man das eh nicht.
    Buchmann: Das ist in wessen-auch-immer-Hand.
    Esmaili: Richtig.
    Buchmann: Herzlichen Dank Herr Esmaili.
    Esmaili: Gerne.
    Buchmann: Der Journalist Bamdad Esmaili zu dem Anschlag im englischen Manchester im Hinblick auf die Popkultur.