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Premier League
Katar greift nach Manchester United

Die umstrittenen Eigentümer von Manchester United, die Glazer-Familie, wollen ihre Anteile am Klub verkaufen. Für den englischen Premier-League-Verein gibt es einige Angebote - unter anderem aus Katar. Droht eine Art Stellvertreterkrieg im Fußball?

Von Constantin Eckner |
Ein rotes Trikot mit der Aufschrift Manchester United hängt über einem Klappstuhl im Stadion
Der Traditionsverein Manchester United steht zum Verkauf (picture alliance / ZB / motivio)
Jay Motty ist, seit er denken kann, Anhänger von Manchester United. Sein Fandasein geht so weit, dass er zusammen mit Freunden den YouTube-Kanal „Stretford Paddock“ betreibt und damit seinen Lebensunterhalt verdient. Aber die letzten 18 Jahre als Fan von United waren nicht immer einfach – vor allem wegen der Eigentümer des Klubs, der amerikanischen Glazer-Familie.
Motty sagt: „Das Problem mit den Glazers hat darin bestanden, dass erwirtschafteter Gewinn als Dividende ausgeschüttet wurde. Wenn nun jemand Neues kommt und Manchester United einfach liquide hält, könnten wir selbst genügend Geld generieren, um wettbewerbsfähig zu sein.“
Wettbewerbsfähig war United seit der Übernahme der Glazers 2005 eine Weile – fünf englische Meisterschaften und ein Champions-League-Titel sind der Beweis. Aber die Fans warten seit fast zehn Jahren auf den nächsten Premier-League-Titel. So renovierungsbedürftig wie das Stadion Old Trafford wirkt zuweilen der gesamte Klub.

Sorge um Sportswashing

Die Glazer-Familie hat nach langem Hin und Her eingewilligt, die Mehrheitsanteile am Klub zu verkaufen, wobei jüngst Gerüchte aufgekommen sind, dass sie zunehmend zögerlich wirken. In jedem Fall gibt es bislang zwei bestätigte Übernahmeangebote: Das eine stammt vom Chemiegiganten Ineos unter Leitung von Jim Ratcliffe, der seit seiner Kindheit Anhänger von United ist.
Das andere kommt von einem Konsortium aus Katar, angeführt vom Bruder des Emirs, und soll laut „Bloomberg“ rund fünf Milliarden Britische Pfund betragen. Zudem soll es noch ein Angebot aus Saudi-Arabien geben, darüber hat zumindest die Tageszeitung „The Telegraph“ berichtet.
Von den Glazers möglicherweise in die Hände eines Golfstaats, wie geht ein treuer Fan wie Jay Motty damit um? „Ich habe kein Problem mit einer Person oder selbst einem Unternehmen aus Katar oder aus Saudi-Arabien. Mich kümmert es nicht, woher Menschen kommen. Meine Sorge besteht darin, dass man in Staatsbesitz gelangen könnte. Was wir bei vielen dieser Angebote und bei Eigentümern aus Katar und Saudi-Arabien sehen: Wenn wir der Spur folgen, dann führt diese immer zum Staat. Es ist die Regierung oder die Herrscherfamilie, die diese Unternehmen beziehungsweise Klubs besitzt. Das besorgt mich. Wenn man sich in Staatsbesitz befindet, dann kommen wir in Gefilde von Sportswashing. Man wird Teil von einem PR-Arm“, sagt Motty.  

Rivalität der Golf-Staaten in englischen Fußballstadien

Eine Übernahme durch Geldgeber aus der Golfregion würde jedoch einen Trend in der Premier League fortsetzen. Erst kam Abu Dhabi und kaufte Manchester City, kürzlich gesellte sich Saudi-Arabien mit dem Kauf von Newcastle United hinzu. Könnte die Premier League oder die britische Regierung noch einschreiten und weitere Investitionen von Golf-Autokraten verhindern?
Martyn Ziegler, Journalist der Tageszeitung „The Times“, hat sich vorm Gespräch mit dem Deutschlandfunk umgehört: „Ich habe das den britischen Sportminister vor einer Stunde gefragt. Genau diese Frage. Und seine Antwort war: ‚Nein.‘ Obwohl eine neue Aufsichtsbehörde für den englischen Fußball eingesetzt wird, wird man sich nicht in außenpolitische Themen einmischen. Nichts hindert Katar daran, Unternehmen im Vereinigten Königreich zu kaufen und Eigentümer zu werden. Sie haben bereits viel erworben. Also warum würde man den Kauf eines Fußballklubs verhindern?“
Nach aktuellem Stand hätte Katar bessere Chancen als Saudi-Arabien, neuer Eigentümer von Manchester United zu werden, weil saudische Geldgeber schon Ligakonkurrent Newcastle besitzen. Sollte Katar das Sagen im Old Trafford erhalten, würde eine neue Ära in der Premier League anbrechen, findet Ziegler: "Es wäre fast so, als würde die Rivalität am Golf stellvertretend im Fußball ausgetragen. Kein Stellvertreterkrieg, aber so eine Art Wettbewerb. Und zugleich wird die Aufmerksamkeit dazu genutzt, die Wahrnehmung des eigenen Landes zu verbessern."

Fußball als Spielwiese von Autokraten

Das könne eigentlich nicht nach dem Willen der Fans sein, aber gerade in Manchester wollen United-Anhänger nach Jahren des Protests gegen die Glazers, dass endlich Ruhe einkehrt, berichtet Jay Motty:
„Es ist kompliziert und ich sympathisiere mit jedem Fan, der nun an einem Punkt angelangt ist, an dem man nur noch Fußball schauen möchte und nicht über die Eigentümer diskutieren oder gegen sie protestieren will. Für viele Leute würde es sich anfühlen, als würde einem gesagt, dass man nach 18 Jahren Protest gegen die Glazers nun auch gegen die neuen Eigentümer protestieren müsste. Ich könnte nachvollziehen, wenn sich einige fragen, wann es endlich vorbei ist. Außerdem: Fußball ist eigentlich ein Hobby, ein Zeitvertreib. Es soll Spaß machen.“
Fußball in der finanziell aufgepumpten und weltweit bekannten Premier League ist allerdings zu mehr geworden als einer Freizeitbeschäftigung für jedermann. Die Liga wird zu einer Spielwiese von Autokraten mit nahezu unendlichen Finanzmitteln.