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"Manchmal geraten wir unter Druck von allen Seiten"

Zehn Jahre nach dem Sturz der Taliban gibt es in Afghanistan laut dem Index von "Reporter ohne Grenzen" mehr Pressefreiheit als in den meisten seiner Nachbarstaaten. In Bonn diskutieren derzeit afghanische und deutsche Journalisten Situation und Entwicklungschancen der unabhängigen Medien im Land am Hindukusch.

Von Henning Hübert |
    Drei von seinen 45 Reportern seinen in den vergangenen drei Jahren erschossen worden. Ein großer Verlust, sagt Danish Karokhel, der Chefredakteur der Pajhwok Afghan News, der größten unabhängigen Nachrichtenagentur des Landes. Als Reporter zwischen die Fronten zu geraten – das ist eine ganz reale Gefahr in Afghanistan. Auf der anderen Seite herrscht relative Freiheit für Veröffentlichungen in den Zeitungen und Zeitschriften und im Rundfunk des Landes. Beispiel Tolo-TV: Strahlt das private Fernsehprogramm seine Sendung "Afghanistan sucht den Superstar" aus, dann ist das ein echter Straßenfeger. Was lange Zeit unmöglich war: Dort dürfen jetzt auch Frauen im Fernsehen singen. Der Printjournalist Enayat Najafizada aus Masar i Sharif schreibt für die Trawesh Weekly. Ein kleines Blatt mit einer Auflage von gerade einmal 1000 Exemplaren. Nebenbei ist er aber auch Autor für die internationale Presse wie die New York Times. Seine Beschreibung der afghanischen Medienlandschaft:

    "Ab 2001 gab es in Afghanistan einen Medienboom. Das ist eine der größten Errungenschaften der afghanischen Regierung in den vergangenen zehn Jahren. Die Medien werden jetzt schon als die vierte Gewalt im Staat bezeichnet. Da gibt es Fortschritte im Medienbereich, aber es muss noch ein weiter Weg gegangen werden."

    Wichtig für ihn: die Veröffentlichung kritischer Reportagen in der internationalen Presse. Das würde dann auch in Kabul wahrgenommen. Für sein afghanisches Blatt in der nordafghanischen Provinz Balch stellt er dagegen die Relevanz-Frage:

    "Für meine Zeitung wünsche ich mir, dass unsere Geschichten die Regierenden so provozieren, dass sie ihr Handeln verändern. Dass sie besser regieren. Aber: Wir haben eine unantastbare Führung. Die Lokalregierung setzt nur das um, was im Präsidentenpalast beschlossen wurde. Was auch immer wir schreiben, keiner in der Regierung hört auf uns."

    Fähige Journalisten habe Afghanistan genug – denen könne man wenig beibringen - so das Urteil deutscher Fach-Journalisten auf dem Bonner Seminar, zu dem journalists network und der Dachverband der entwicklungspolitischen deutschen Nicht-Regierungs-Organisationen Venro eingeladen hatten. Die Forderung der Teilnehmer in einem Positionspapier an die große Bonner Afghanistan-Konferenz: Endlich eine afghanisch geführte Journalistenschule in Kabul eröffnen, die zugleich Büros für ausländische Journalisten anbieten soll – als eine Kontaktstelle zum besseren Austausch. Der Leiter des Seminars, der Kölner Journalist Martin Gerner, führt seit 2004 Medientrainings in Afghanistan durch. Er warnt davor, dass den wenigen politisch unabhängigen Medien Afghanistans das Geld ausgehen könnte:

    "Hochkommen umgekehrt Medien der Warlords. Diejenigen, die aus Sicht der Afghanen Blut an ihren Händen haben. Die profitieren einseitig finanziell und politisch von der Situation. Die entwickeln ihre eigenen Medien, sozusagen dreckige Berlusconis Afghanistans. Und das wurde als eine Gefahr geschildert."

    Um so wichtiger, so eine Erkenntnis des deutsch-afghanischen Journalistenseminars in Bonn, dass die Reporter der Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News unabhängig bleiben können – und unbequem.

    Und zwar für alle Abonnenten und Leser, wie Chefredakteur Danish Karokhel betont:

    "Manchmal geraten wir unter Druck von allen Seiten. Nicht nur den Taliban. Auch von NATO- und Koalitionstruppen, der Regierung, lokalen Warlords, Drogenbossen. Alle die machen uns manchmal Ärger wegen unserer Berichte."

    Wenigstens bis zum geplanten Ende des Kampfeinsatzes 2014 bleibt auch die NATO Abonnent der Nachrichtenagentur. Sie bezahlt für den Meldungsdienst bislang 3600 Dollar im Monat. Wie die Finanzierung nach 2014 aussehen könnte – diese Frage bleibt offen.