Was der dänische DOGMA-Filmer Lars von Trier kann, schafft Regisseur Jochen Schölch in seinem kleinen Münchner Kinotheater "Metropol" schon lange: mit spartanischer Ausstattung die komplex-widersprüchliche Dialektik von Freiheit und Demokratie in Brecht'scher Manier sinnbildlich vor Augen zu führen. Vor zwei Jahren brachte er den ersten Teil der amerikakapitalismuskritischen Trilogie Lars von Triers, "Dogville", auf die Bühne. Jetzt also der zweite Teil des zynisch-bösen Blicks auf Gutmenschentum unter so genannter "demokratischer" Absicht, "Manderlay", das letzte Sklavennest in den Baumwollfeldern von Alabama:
"Sie wollen ihn auspeitschen! – Was? Wen wollen sie auspeitschen? – Timothy. – Warum denn? - So machen sie das mit uns Sklaven. – Sklaven? – Ja, Ma'am, auf Manderlay sind wir Sklaven. Dieser Gottverlassene Ort!"
Ein Fall für Grace, ganz klar. Für diesen blonden Unschuldsengel mit dem unbedingten Startvorteil, Tochter eines Mafiabosses zu sein. "Grace" also, die – übersetzt - Gunst Erweisende, die anmutig Nachsichtige, die Gnädige, die schon in "Dogville" die Welt retten wollte und nun mit derselben guten Absicht in "Manderlay" scheitert. Sklaven befreien, Demokratie einführen, Rechtssysteme aufbauen, damit jeder sich selbst verwirklichen kann. Konsumfreiheit inklusive. Das hat doch was, das kennt man doch, das erinnert unschwer an die aktuellen Feldzüge unter amerikanischer Flagge "for freedom and democracy":
"Aber jetzt, jetzt sind wir frei. Jetzt haben wir keine andere Wahl als danke zu sagen. – Nein, bitte nicht, niemand muss danke sagen. Aber – Aber was? Gibt es etwas, wofür wir dankbar sein sollten? – Überhaupt nicht. Ich meinte nicht aber, sondern und. Es gibt überhaupt keinen Grund, für etwas so Natürliches wie Ihre Freiheit dankbar zu sein. Ich bin die erste, die sich bei Ihnen für alles entschuldigt, was Sie und Ihr Volk durchmachen mussten. Was soll ich sagen – Sie müssen gar nichts sagen. Wir kennen Ihre Sorte. Eine Gesellschaftsdame mit einem bequemen Leben, die ihre Zeit damit verbringt, arme Nigger zu retten, stimmt's?"
Holzschnittartig, teilweise Oberlehrerhaft, relativ spannungslos zieht sich die Handlung hin. Obgleich die zehn Schauspieler ständig auf der Bühne präsent sind, sich sogar dort umziehen, um in die verschiedenen Rollen von schwarzen Sklaven, weißer Herrschaft und moderieren-den Erzählern zu schlüpfen. Was Jochen Schölchs Regiearbeit aber wieder einmal kongenial auszeichnet, sind seine Fantasie und seine bildhafte Poesie. Aus verschieden großen Holzbänken bauen sich die Protagonisten nicht nur Möbel, sondern ganze Lebenswelten. Ein dicker, kreisrunder Lichtkegel auf der Bühnenwand symbolisiert den unheilvollen Mondschein über dem deprimierenden Geschehen. Naturgewalten wie Sandstürme und Arbeitsabläufe wie das Baumfällen hinter dem Gutshof werden choreografisch und stimmlich umgesetzt, immer wieder begleitet vom Harmonium, das die miefige Atmosphäre in dieser brüchigen Welt atmen lässt. Die ganze Besetzung ist übrigens dieselbe wie in "Dogville", so, wie auch sonst vieles aus jener Inszenierung übernommen wurde. Bis auf Grace und die Erzähler tragen alle Protagonisten fantastische Masken und symbolisieren so Masse und Austauschbarkeit. Grace wiederum symbolisiert genau das, indem sie in fünfmaliger schauspielerischer Besetzung auftritt. Dazu kommt noch ein Schuss Humor, indem Schölch den Ernst der Lage zuweilen mit komischen Einfällen bricht: etwa mit Spielzeugautos auf dem Holzboden, einem brennenden Pferd im Kitschformat. Am Ende bleiben die betörend schönen Bilder, die der Regisseur mit seinem Ensemble kreiert, pantomimische Stummfilmsequenzen wie Kunstwerke, die mehr noch als die Textpassagen beeindrucken als nachhaltiges, sinnliches Theater.
"Sie wollen ihn auspeitschen! – Was? Wen wollen sie auspeitschen? – Timothy. – Warum denn? - So machen sie das mit uns Sklaven. – Sklaven? – Ja, Ma'am, auf Manderlay sind wir Sklaven. Dieser Gottverlassene Ort!"
Ein Fall für Grace, ganz klar. Für diesen blonden Unschuldsengel mit dem unbedingten Startvorteil, Tochter eines Mafiabosses zu sein. "Grace" also, die – übersetzt - Gunst Erweisende, die anmutig Nachsichtige, die Gnädige, die schon in "Dogville" die Welt retten wollte und nun mit derselben guten Absicht in "Manderlay" scheitert. Sklaven befreien, Demokratie einführen, Rechtssysteme aufbauen, damit jeder sich selbst verwirklichen kann. Konsumfreiheit inklusive. Das hat doch was, das kennt man doch, das erinnert unschwer an die aktuellen Feldzüge unter amerikanischer Flagge "for freedom and democracy":
"Aber jetzt, jetzt sind wir frei. Jetzt haben wir keine andere Wahl als danke zu sagen. – Nein, bitte nicht, niemand muss danke sagen. Aber – Aber was? Gibt es etwas, wofür wir dankbar sein sollten? – Überhaupt nicht. Ich meinte nicht aber, sondern und. Es gibt überhaupt keinen Grund, für etwas so Natürliches wie Ihre Freiheit dankbar zu sein. Ich bin die erste, die sich bei Ihnen für alles entschuldigt, was Sie und Ihr Volk durchmachen mussten. Was soll ich sagen – Sie müssen gar nichts sagen. Wir kennen Ihre Sorte. Eine Gesellschaftsdame mit einem bequemen Leben, die ihre Zeit damit verbringt, arme Nigger zu retten, stimmt's?"
Holzschnittartig, teilweise Oberlehrerhaft, relativ spannungslos zieht sich die Handlung hin. Obgleich die zehn Schauspieler ständig auf der Bühne präsent sind, sich sogar dort umziehen, um in die verschiedenen Rollen von schwarzen Sklaven, weißer Herrschaft und moderieren-den Erzählern zu schlüpfen. Was Jochen Schölchs Regiearbeit aber wieder einmal kongenial auszeichnet, sind seine Fantasie und seine bildhafte Poesie. Aus verschieden großen Holzbänken bauen sich die Protagonisten nicht nur Möbel, sondern ganze Lebenswelten. Ein dicker, kreisrunder Lichtkegel auf der Bühnenwand symbolisiert den unheilvollen Mondschein über dem deprimierenden Geschehen. Naturgewalten wie Sandstürme und Arbeitsabläufe wie das Baumfällen hinter dem Gutshof werden choreografisch und stimmlich umgesetzt, immer wieder begleitet vom Harmonium, das die miefige Atmosphäre in dieser brüchigen Welt atmen lässt. Die ganze Besetzung ist übrigens dieselbe wie in "Dogville", so, wie auch sonst vieles aus jener Inszenierung übernommen wurde. Bis auf Grace und die Erzähler tragen alle Protagonisten fantastische Masken und symbolisieren so Masse und Austauschbarkeit. Grace wiederum symbolisiert genau das, indem sie in fünfmaliger schauspielerischer Besetzung auftritt. Dazu kommt noch ein Schuss Humor, indem Schölch den Ernst der Lage zuweilen mit komischen Einfällen bricht: etwa mit Spielzeugautos auf dem Holzboden, einem brennenden Pferd im Kitschformat. Am Ende bleiben die betörend schönen Bilder, die der Regisseur mit seinem Ensemble kreiert, pantomimische Stummfilmsequenzen wie Kunstwerke, die mehr noch als die Textpassagen beeindrucken als nachhaltiges, sinnliches Theater.