Ohne Zweifel kann das Pariser Musée d'Orsay aus dem Vollen schöpfen, wenn es gilt, eine Ausstellung des 1832 in Paris geborenen und dort 1883 verstorbenen Malers Edouard Manet mit Werken zu bestücken. Mindestens drei seiner berühmtesten Bilder ziehen im Musée d'Orsay tagtäglich die Besuchermassen an. Doch für eine echte Retrospektive wie die des Jahres 1983 reicht der Bestand natürlich nicht, aber eine solche sollte die mit "Manet – Erfinder des Modernen" jetzt betitelte Schau auch gar nicht werden. Der Kunsthistoriker Stéphan Guégan als Organisator der Ausstellung will vielmehr das Bild, das die Kunstgeschichte von Manet bisher gezeichnet hat, korrigieren.
"Seit dem letzten Jahrhundert schon stellt die Kritik Manet als denjenigen Künstler dar, der der französischen Malerei wieder zu hellen, klaren Farben verholfen hätte, der quasi als Vater des Impressionismus bezeichnet werden müsse. Bewusst hätte er sich zudem von der rhetorischen Malerei, den großen Themen, eben von der Tradition losgesagt. Wir sind da ganz anderer Meinung und legen den Schwerpunkt, wie auch der Untertitel dieser Schau zeigt, auf den Erfinder Manet. Seit der Renaissance wird die Bezeichnung Erfinder mit dem kreativen Akt des Künstlers verbunden, der etwas Neues erschafft, der die Realität nicht nur abbildet, sondern sie umwandelt in Poesie. Manets Quelle waren dabei Elemente der modernen Welt und das erschien eben zunächst als völlig unvereinbar mit der sogenannten großen Malerei."
Manet war bereits als 18-Jähriger in das Atelier des berühmten Historienmalers Thomas Couture eingetreten, um sich eine solide Ausbildung zu sichern, wie es die erste Ausstellungssektion mit Skizzen und Porträts verdeutlicht. Sechs Jahre sollte die Lehrzeit dauern, dann im Streit enden, doch Manets Meisterschaft war nicht mehr zu leugnen, wie das Porträt seiner Eltern zeigt, das er 1861 im offiziellen Salon ausstellte. Entscheidenden Einfluss auf Manets Kunst übte aber Charles Baudelaire aus, dem sich die Schau in der zweiten Sektion widmet, in der auch die berühmten Werke "Das Frühstück im Grünen" und die "Olympia", beide von 1863 und beide vom offiziellen Salon abgelehnt, hängen. "Wie im Leichenschauhaus drängt sich die Menge vor der verruchten Olympia des Monsieur Manet", schrieb einst Paul de Saint-Victor und Théophile Gautier ergänzte: "Ein erbärmliches Modell ... Die Fleischtöne sind schmutzig ... Die Schatten sind durch mehr oder weniger breite Streifen von Schuhcreme angedeutet".
"Manet hat damals genau das in seiner Malerei umgesetzt, was von Baudelaire für die Kunst seit 1845 gefordert worden war, nämlich das moderne Leben abzubilden und zu feiern. Wie auch die Romane Balzacs hätte sich die aktuelle Malerei thematisch den modernen Sitten und dem Alltag zu widmen. Manet wählte sich als Themen etwa junge Leute, die einen Landausflug machen, aber auch die Prostitution wie in seinem Bild Olympia. Er thematisierte die Erfindung der Eisenbahn oder zeigte die Vergnügungen der kleinen Leute, für ihn alles Abbilder der modernen Welt."
Verwandelte sich Manet, der bei Couture gelernt, im Louvre fleißig die alten Meister kopiert und mit seiner Teilnahme am offiziellen Salon, wie alle anderen Künstler auch, Ruhm und gesellschaftliche Anerkennung errungen hatte, damals in einen Provokateur?
"Wenn man in einer Ausstellung wie dem Salon in Paris mit fast dreitausend Kunstwerken versuchen wollte, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die eigene Malerei zu lenken, dann war eine gewisse Provokation dabei sicher hilfreich. Man hat leider sehr häufig und auch sehr früh schon den Begriff der Provokation auf Manet angewendet. Er habe lediglich den Bürger im Salon verschrecken wollen mit seinen Werken bzw. deren Inhalten. Dass diese Geste viel Kreativität voraussetzt, wird leider gar nicht berücksichtigt. Man greift viel zu kurz, wenn man die Olympia oder das Frühstück im Grünen von Manet lediglich als Sakrileg beschreibt."
Wie die Ausstellung in weiteren acht Sektionen deutlich aufzeigt, hatte Manet seine Rolle als Bürgerschreck tatsächlich alles andere als ausgefüllt. Das Revival der religiösen Malerei im Zweiten Kaiserreich wusste er ebenso meisterhaft mit Werken zu bedienen wie die Nachfrage nach luftig-leicht gemalten Frauenporträt. Immer wieder tauchen Schilderungen politischer Ereignisse seiner Epoche auf, von Skizzen zur Erschießung Kaiser Maximilians, das Original musste offenbar in Mannheim bleiben, bis hin zu Pariser Barrikaden-Szenen von 1871. Manet blieb immer ein Historienmaler, doch nicht wie sein Lehrer Couture, der seine Geschichten Literatur und Antike entlehnte. Manets Historienmalerei war zeitgenössisch. Doch wenn Manet seine eigene Zeit ins Bild setzte, dann tat er dies mit der soliden Kenntnis der großen Meister der Vergangenheit. Aber diese Erkenntnis ist eigentlich nicht neu und sicher nicht erst der aktuellen Ausstellung im Musée d'Orsay zu verdanken.
Musée d'Orsay
"Seit dem letzten Jahrhundert schon stellt die Kritik Manet als denjenigen Künstler dar, der der französischen Malerei wieder zu hellen, klaren Farben verholfen hätte, der quasi als Vater des Impressionismus bezeichnet werden müsse. Bewusst hätte er sich zudem von der rhetorischen Malerei, den großen Themen, eben von der Tradition losgesagt. Wir sind da ganz anderer Meinung und legen den Schwerpunkt, wie auch der Untertitel dieser Schau zeigt, auf den Erfinder Manet. Seit der Renaissance wird die Bezeichnung Erfinder mit dem kreativen Akt des Künstlers verbunden, der etwas Neues erschafft, der die Realität nicht nur abbildet, sondern sie umwandelt in Poesie. Manets Quelle waren dabei Elemente der modernen Welt und das erschien eben zunächst als völlig unvereinbar mit der sogenannten großen Malerei."
Manet war bereits als 18-Jähriger in das Atelier des berühmten Historienmalers Thomas Couture eingetreten, um sich eine solide Ausbildung zu sichern, wie es die erste Ausstellungssektion mit Skizzen und Porträts verdeutlicht. Sechs Jahre sollte die Lehrzeit dauern, dann im Streit enden, doch Manets Meisterschaft war nicht mehr zu leugnen, wie das Porträt seiner Eltern zeigt, das er 1861 im offiziellen Salon ausstellte. Entscheidenden Einfluss auf Manets Kunst übte aber Charles Baudelaire aus, dem sich die Schau in der zweiten Sektion widmet, in der auch die berühmten Werke "Das Frühstück im Grünen" und die "Olympia", beide von 1863 und beide vom offiziellen Salon abgelehnt, hängen. "Wie im Leichenschauhaus drängt sich die Menge vor der verruchten Olympia des Monsieur Manet", schrieb einst Paul de Saint-Victor und Théophile Gautier ergänzte: "Ein erbärmliches Modell ... Die Fleischtöne sind schmutzig ... Die Schatten sind durch mehr oder weniger breite Streifen von Schuhcreme angedeutet".
"Manet hat damals genau das in seiner Malerei umgesetzt, was von Baudelaire für die Kunst seit 1845 gefordert worden war, nämlich das moderne Leben abzubilden und zu feiern. Wie auch die Romane Balzacs hätte sich die aktuelle Malerei thematisch den modernen Sitten und dem Alltag zu widmen. Manet wählte sich als Themen etwa junge Leute, die einen Landausflug machen, aber auch die Prostitution wie in seinem Bild Olympia. Er thematisierte die Erfindung der Eisenbahn oder zeigte die Vergnügungen der kleinen Leute, für ihn alles Abbilder der modernen Welt."
Verwandelte sich Manet, der bei Couture gelernt, im Louvre fleißig die alten Meister kopiert und mit seiner Teilnahme am offiziellen Salon, wie alle anderen Künstler auch, Ruhm und gesellschaftliche Anerkennung errungen hatte, damals in einen Provokateur?
"Wenn man in einer Ausstellung wie dem Salon in Paris mit fast dreitausend Kunstwerken versuchen wollte, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die eigene Malerei zu lenken, dann war eine gewisse Provokation dabei sicher hilfreich. Man hat leider sehr häufig und auch sehr früh schon den Begriff der Provokation auf Manet angewendet. Er habe lediglich den Bürger im Salon verschrecken wollen mit seinen Werken bzw. deren Inhalten. Dass diese Geste viel Kreativität voraussetzt, wird leider gar nicht berücksichtigt. Man greift viel zu kurz, wenn man die Olympia oder das Frühstück im Grünen von Manet lediglich als Sakrileg beschreibt."
Wie die Ausstellung in weiteren acht Sektionen deutlich aufzeigt, hatte Manet seine Rolle als Bürgerschreck tatsächlich alles andere als ausgefüllt. Das Revival der religiösen Malerei im Zweiten Kaiserreich wusste er ebenso meisterhaft mit Werken zu bedienen wie die Nachfrage nach luftig-leicht gemalten Frauenporträt. Immer wieder tauchen Schilderungen politischer Ereignisse seiner Epoche auf, von Skizzen zur Erschießung Kaiser Maximilians, das Original musste offenbar in Mannheim bleiben, bis hin zu Pariser Barrikaden-Szenen von 1871. Manet blieb immer ein Historienmaler, doch nicht wie sein Lehrer Couture, der seine Geschichten Literatur und Antike entlehnte. Manets Historienmalerei war zeitgenössisch. Doch wenn Manet seine eigene Zeit ins Bild setzte, dann tat er dies mit der soliden Kenntnis der großen Meister der Vergangenheit. Aber diese Erkenntnis ist eigentlich nicht neu und sicher nicht erst der aktuellen Ausstellung im Musée d'Orsay zu verdanken.
Musée d'Orsay